AfD scheiterte mit Klagen um Ausschussvorsitz im Bundestag
Die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitze und die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses bewegen sich im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie, erklärte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König.
In der aktuellen Legislaturperiode hatten Kandidaten der AfD bei Wahlen zum Vorsitz von drei Bundestagsausschüssen die erforderliche Mehrheit verpasst. Die Fraktion hat daher keinen Ausschussvorsitz inne - obwohl ihr nach der Stärke ihrer Fraktion drei zustehen würden. Die AfD sah ihre Rechte auf Gleichbehandlung als Fraktion, auf effektive Opposition und auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verletzt und wandte sich mit einer Verfassungsbeschwerde an den Senat in Karlsruhe (Az. 2 BvE 10/21).
Bundestagsausschüsse werden in jeder Wahlperiode neu benannt und besetzt. Welche Fraktion welchem Ausschuss vorsitzt, wird eigentlich im Ältestenrat ausgehandelt. Gibt es - wie nach der Bundestagswahl im September 2021 - keine Einigung, wird aus der Stärke der Fraktionen eine Zugriffsreihenfolge berechnet. An die AfD waren in dieser Legislaturperiode so der Innen- und der Gesundheitsausschuss sowie der Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gefallen.
Weil es Widerspruch gab, wurde gewählt. Entsprechend gab es am 15. Dezember 2021 in allen drei Ausschüssen geheime Wahlen - und alle drei AfD-Kandidaten verfehlten die erforderliche Mehrheit deutlich. Ein zweiter Anlauf am 12. Jänner 2022 endete mit dem gleichen Ergebnis. Bisher leiten die stellvertretenden Vorsitzenden die betroffenen Ausschüsse.
Mit verhandelt wurde am obersten deutschen Verfassungsgericht auch eine Klage der AfD gegen die Abwahl des damaligen Rechtsausschuss-Vorsitzenden, Stephan Brandner, im November 2019 (Az. 2 BvE 1/20). Nach mehreren Eklats hatten damals in der letzten Legislaturperiode alle Ausschussmitglieder mit Ausnahme der AfD-Abgeordneten für dessen Abberufung gestimmt - ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestages. Die Klage gegen die Abwahl hatte am Mittwoch ebenfalls keinen Erfolg.
Brandner hatte nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 einen Tweet weiterverbreitet, in dem kritisiert wurde, dass jetzt Politiker in Synagogen mit Kerzen "rumlungern". Brandner entschuldigte sich später, lehnte Rücktrittsforderungen jedoch ab.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, sprach nach dem Urteil von einem guten Tag für den Parlamentarismus. Er kündigte zugleich an, dass die Regierungsfraktionen eine Präzisierung der Geschäftsordnung des Bundestags vorschlagen. "Danach sollen künftig sowohl die Vorsitzenden von Ausschüssen, aber auch die Schriftführer im Präsidium des Deutschen Bundestages nach klaren Regeln abgewählt werden können."
Das Gericht habe die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestags als Kernbereich der Parlamentsautonomie gestärkt, meinte Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), die Vorsitzende des Rechtsausschusses. Der Vize-Vorsitzende des Entwicklungsausschusses, Christoph Hoffmann, hält eine Besetzung seines Ausschusses mit einem Vorsitzenden aus der AfD "unseren Partnern im globalen Süden nur schwer erklärbar". Die Entwicklungszusammenarbeit sei eine Art Visitenkarte Deutschlands. "Wenn diese Visitenkarte einen Politiker mit völkischen oder rassistischen Tendenzen ausweist, wäre das mehr als problematisch, ja schädlich für unser Land."
Der mit seiner Klage gegen die Abwahl unterlegene AfD-Politiker Brandner sprach von einem "schwarzen Tag für den Parlamentarismus". Es sei um eine Verhinderung der AfD gegangen. Zugleich würden die Rechte der Opposition erheblich geschwächt. Die Mehrheit könne diktieren. Doch das sei für die jetzige Mehrheit ein Pyrrhussieg: "Mehrheiten können sich ändern.
Zusammenfassung
- In der aktuellen Legislaturperiode verfehlten AfD-Kandidaten bei Wahlen zum Vorsitz von drei Bundestagsausschüssen die erforderliche Mehrheit. Die Wahlen fanden am 15. Dezember 2021 und am 12. Jänner 2022 statt.
- SPD und CDU begrüßten das Urteil und kündigten an, die Geschäftsordnung des Bundestages weiter zu präzisieren. Die AfD kritisierte das Urteil als Schwächung der Opposition und sprach von einem „schwarzen Tag für den Parlamentarismus“.