75 Jahre Hiroshima: Japan gedenkt Opfer der Atombomben
Angesichts der Sorgen vor einem neuen atomaren Wettrüsten hat die japanische Stadt Hiroshima der Opfer des Atombombenabwurfs der USA vor 75 Jahren gedacht. Zugleich rief der Bürgermeister von Hiroshima, Kazumi Matsui, am Donnerstag die Welt auf, sich gegen jegliche Bedrohungen - seien es Atomwaffen oder auch die Corona-Pandemie - zusammenzuschließen.
Bei einer wegen der Corona-Pandemie drastisch verkleinerten Gedenkzeremonie legten die Teilnehmer am Donnerstag um 8.15 Uhr (Ortszeit) zum Klang einer bronzenen Friedensglocke bei sommerlicher Hitze eine Gedenkminute ein. Zu dem Zeitpunkt hatte der US-Bomber "Enola Gay" die erste im Krieg eingesetzte Atombombe mit dem Namen "Little Boy" über der Stadt im Westen des Landes abgeworfen. Schätzungsweise 140.000 Menschen starben, mehr als die Hälfte sofort.
Wegen Corona wurden für die Zeremonie im Friedenspark nur rund 880 Sitze aufgestellt, weniger als ein Zehntel als üblich. Die Teilnehmer, darunter Überlebende der Atombombe, trugen überwiegend Masken und mussten Abstand von einander halten.
UNO-Generalsekretär Guterres warnte: "Spaltung, Misstrauen und mangelnder Dialog drohen die Welt zu einem ungezügelten strategischen Nuklearwettbewerb zurückzubringen. "Er wollte selbst an der Gedenkzeremonie in Hiroshima vor Ort teilnehmen, musste aber wegen der Corona-Pandemie absagen. Das Netz aus Rüstungskontrolle, Transparenz und vertrauensbildenden Instrumenten, das während und in der Folge des Kalten Krieges geschaffen worden sei, "franst aus".
"Staaten, die Atomwaffen besitzen, modernisieren ihre Arsenale und entwickeln neue und gefährliche Waffen und Trägersysteme", sagte er. "Der einzige Weg, um das nukleare Risiko vollständig zu beseitigen, besteht darin, Atomwaffen vollständig zu eliminieren", so Guterres.
Auch österreichische Politiker meldeten sich am 75. Jahrestag zu Wort. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte: "Im Namen der Republik Österreich, möchte ich meine Solidarität zum Ausdruck bringen mit den Opfern und ihren Nachkommen. Die internationale Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft haben gleichermaßen eine Verpflichtung sich der Bedrohung, die von Atomwaffen ausgeht, bewusst zu bleiben. Ihre Zahl übersteigt immer noch 10.000 Sprengköpfe, jeder davon stellt ein Risiko und eine Bedrohung dar, und keinen Beitrag zur Sicherheit. Und noch heute werden neue Atomwaffen entwickelt und eingesetzt", gab er zu bedenken.
Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz twitterte: "75 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf #Hiroshima und #Nagasaki setzen wir uns als Republik Österreich weiterhin für eine atomwaffenfreie Welt ein. Heute gedenken wir allen Opfern. Es ist unser aller Verantwortung, dass es nie wieder zu solchen Geschehnissen kommt!"
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) rief zur nuklearen Abrüstung auf wie die SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner: "Wir müssen uns mit aller Kraft für Frieden und Demokratie einsetzen - weltweit", so Schallenberg. "Gerade in diesen angespannten Zeiten müssen wir die nukleare Abrüstung vorantreiben", erklärte Rendi-Wagner.
Trotz internationaler Sanktionen macht Nordkorea bei der Entwicklung von Atomwaffen einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge Fortschritte. Mehrere Länder gehen demnach inzwischen davon aus, dass der autokratische Staat "wahrscheinlich kleine nukleare Vorrichtungen entwickelt" hat, die in die Sprengköpfe ballistischer Raketen passen.
Hiroshimas Bürgermeister rief die Regierung seines Landes in seiner Rede auf, dem UNO-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beizutreten. Japan müsse "seine Rolle als Vermittler" zwischen Atomwaffenstaaten und solchen, die keine Atomwaffen besitzen, verstärken. Vor drei Jahren hatten sich zwei Drittel der Mitgliedsländer der Vereinten Nation auf diesen, auch von Österreich stark forcierten, Vertrag verständigt. Bisher haben ihn jedoch erst 32 Staaten ratifiziert. Damit er in Kraft treten kann, müssen es 50 Staaten sein. Atommächte wie die USA, Großbritannien, China, Frankreich und Russland haben den Vertrag jedoch nicht unterzeichnet.
Auch die NATO-Staaten lehnen den UNO-Atomwaffenverbotsvertrag (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons/TPNW) ab. Er drohe die Abrüstungsbemühungen im Rahmen des vor 50 Jahren in Kraft getreten Atomwaffensperrvertrags (NPT) zu unterlaufen, warnten die Kritiker. Auch Japan, das den NPT 1976 ratifiziert hatte und als nunmehriger Verbündeter unter dem atomaren Schutzschild der USA steht, will dem neuen UNO-Vertrag nicht beitreten. Regierungschef Shinzo Abe ging auf den UNO-Vertrag in seiner Rede am 75. Jahrestag in Hiroshima auch nicht ein.
Abe sagte aber, Japan habe als einziges Land, das Opfer von Atombomben im Krieg wurde, die Pflicht, auf eine Abschaffung von Nuklearwaffen weiter hin zu arbeiten. Japan werde alles tun, um eine Welt in dauerhaftem Frieden und frei von Atomwaffen zu realisieren. Die Bedeutung von Hiroshima lässt jedoch nach. Manche Überlebende beschleicht die Angst, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.
Zwar ist der Pazifismus in Japans Gesellschaft heute tief verankert. Doch die rechtskonservative Regierung von Ministerpräsident Abe will unter Verweis auf die atomare Bedrohung durch Nordkorea und das Erstarken Chinas das Bündnis mit den USA stärken und die Rolle des eigenen Militärs ausweiten. Es gibt inzwischen sogar Stimmen in Japan, die fordern, dass sich auch Japan atomar bewaffnen sollte. Die Atombomben-Opfer können nur weiter mahnen - bevor auch sie sterben.
Zusammenfassung
- Angesichts der Sorgen vor einem neuen atomaren Wettrüsten hat die japanische Stadt Hiroshima der Opfer des Atombombenabwurfs der USA vor 75 Jahren gedacht.
- Zugleich rief der Bürgermeister von Hiroshima, Kazumi Matsui, am Donnerstag die Welt auf, sich gegen jegliche Bedrohungen - seien es Atomwaffen oder auch die Corona-Pandemie - zusammenzuschließen.
- Auch österreichische Politiker meldeten sich am 75. Jahrestag zu Wort.