"Was ihr wollt" als Drag-Komödie in den Kammerspielen
Viola (Julian Valerio Rehrl) strandet in Illyrien - in den Kammerspielen eine rein weiße Bühne mit eingebautem Spalt, in den die Charaktere gelegentlich verschwinden - und fragt sich, ob auch ihr Zwillingsbruder Sebastian den Schiffbruch überlebt haben könnte. Von ihm bleibt zunächst aber keine Spur. So begibt sich Viola, jetzt als junger Mann "Cesario" verkleidet, in die Dienste des liebestollen Orsino (Claudius von Stolzmann) und muss für ihn um Lady Olivia (Martin Niedermair) werben. Deren altbackene Strukturen demontiert Fischer nach und nach, bis am Ende nichts davon bleibt.
Schon ungewöhnlich, dass in dieser Verwechslungskomödie, in der das Geschlecht doch eine wesentliche Rolle spielt, nicht nur Viola in Drag unterwegs ist. Rehrl ist sowohl Viola als auch Sebastian - noch nie sahen sich Zwillinge so ähnlich, was zunächst auch ein bisschen verwirrt. Niedermair spielt Lady Olivia als Frau, die ganz genau weiß, was sie will und Alexander Strömer gibt Maria als lustvolle und rachsüchtige Zofe, die ihrem stets besoffenen Freund Sir Toby (Robert Joseph Bartl) im Feiern in nichts nachsteht. Dafür, dass die Schauspieler die Grenze zum Faschingsklamauk nur selten überschreiten, ist man ihnen dankbar. Die einzige Frau auf der Bühne ist Maria Bill als Clown. Im Kontrast zu ihrer Rolle sorgt sie für ernste Momente, wenn sie von Geige und Akkordeon begleitet mit rauchiger Stimme Tangos des argentinischen Komponisten Astor Piazzolla vorträgt.
Die Liebe überkommt sie alle geschwind: Von Anfang an liebt Orsino die Lady Olivia, diese verfällt beim ersten Treffen der als Cesario verkleideten Viola. Die Schiffbrüchige wiederum verguckt sich in den älteren Orsino und komplettiert das Liebesdreieck. Violas rosarote Brille scheint dabei einiges zu verschleiern. Nicht einmal eine frauenfeindliche Tirade des Herzogs ("Frauen haben kleinere Herzen als Männer") kann ihre Gefühle trüben. Allein für Orsino dauert es etwas länger, Viola schließlich seine Liebe zu gestehen - muss er sich doch zunächst damit abfinden, sich vermeintlich in einen Mann verschaut zu haben.
Fischer versteht es dabei, Shakespeare zu modernisieren, ohne sich zu weit von ihm zu entfernen. Wie die Sprache scheint hier überhaupt alles buchstäblich zeitlos: Die Schiffbrüchigen müssen sich im Illyrien der Herzoge und Ladys durchschlagen, treffen dabei auf eine Frau im Rockabilly-Kleid sowie auf Laurel und Hardy alias Sir Andrew (Matthias Franz Stein) und Sir Toby. Seine Bisexualität auszuleben ist in dieser Welt wenig kontroversiell, ebenso kann man als Mann misogyne Frauenbilder propagieren oder ein bisschen übergriffig werden. Letzteres als Lachnummer darzustellen - darauf hätte man allerdings verzichten können.
Denn Gründe zum Lachen gibt es an diesem Abend wirklich zur genüge: Flankiert von Toby und Andrew, die ihren Vorbildern Dick und Doof alle Ehre machen, überzeugt Maria in einem B-Plot den Verwalter Malvolio (Dominic Oley) etwa davon, dass Olivia am Ende gar nicht Orsino oder Cesario liebt, sondern ihn. Malvolio, durch diese Täuschung über die Grenzen des Wahnsinns hinausgetrieben, ist sich auch für Pogewackel in gelber Reizwäsche nicht zu schade. Wer sich ebenfalls darauf einlässt, wird bei "Was ihr wollt" eine Menge Spaß haben.
(S E R V I C E - "Was ihr wollt" von William Shakespeare an den Kammerspielen der Josefstadt, Rotenturmstraße 20, Wien 1. Regie: Torsten Fischer, Bühne und Kostüme: Herbert Schäfer, Vasilis Triantafillopoulos, Dramaturgie: Herbert Schäfer, Licht: Sebastian Schubert. Mit Orsino - Claudius von Stolzmann, Olivia - Martin Niedermair, Clown - Maria Bill, Viola/Sebastian - Julian Valerio Rehrl, Malvolio - Dominic Oley, Sir Toby - Robert Joseph Bartl, Sir Andrew - Matthias Franz Stein. Weitere Aufführungen von 27. April bis 26. Juni. www.josefstadt.org)
Zusammenfassung
- Dass mitunter bärtige Männer in Frauenrollen schlüpfen, wirkt am Ende weniger klischeehaft als erwartet.
- Die einzige Frau auf der Bühne ist Maria Bill als Clown.