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Von Wien geprägt: Shootingstar Amoako Boafo im Belvedere

"Wie viele Darstellungen von 'People of Color' gibt es in den reichhaltigen Malereibeständen des Belvedere?" Diese Frage beantwortete Generaldirektorin Stella Rollig am Donnerstag gleich selbst: "Nicht viele." Es ist also auch ein Statement, wenn das Haus mit Amoako Boafo nun eine der angesagtesten Stimmen einer neuen schwarzen Künstlergeneration feiert. Im Unteren Belvedere sind rund 50 Werke zu sehen - nur Porträts -, in die sich auch die Wiener Moderne eingeschrieben hat.

Boafos Aufstieg in der Kunstwelt passierte geradezu kometenhaft. Geboren 1984 in Accra in Ghana, absolvierte er dort von 2004 bis 2008 ein Kunststudium. 2013 kam er für ein Ausstellungsprojekt nach Wien - und blieb. Bis 2019 studierte er hier an der Akademie der bildenden Künste. Im selben Jahr gelang ihm der Durchbruch. Zahlreiche Ausstellungen folgten, allerdings in den USA. In Europa ist es nun das Belvedere in Boafos nach wie vor zweiten Heimatstadt, das dem Shootingstar die erste museale Einzelschau mit Arbeiten ab 2016 ausrichtet.

Es sind schwarze Menschen aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis, vereinzelt Personen des öffentlichen Lebens wie etwa Jean-Michel Basquiat, die der Künstler meist im Großformat porträtiert. Klassische Ateliersitzungen gibt es kaum, oft arbeitet Boafo nach Fotografien oder Instagram-Posts. Die Bilder haben durch die Ähnlichkeit in Komposition, Stil und Ausgestaltung teils fast seriellen Charakter. Vor einem oft einfärbigen Hintergrund blickt der oder die Porträtierte frontal dem Betrachtenden entgegen. Den hohen Wiedererkennungswert haben die Gemälde insofern, als Boafo die Gesichter und andere nicht bedeckte Körperpartien mit einer speziellen Fingermaltechnik anfertigt. Was bei ganz naher Betrachtung an ein Knäuel Würmer denken lässt, wirkt aus der Distanz sehr dynamisch und belebt.

"Die Porträtierten treten sehr selbstbewusst auf. Sie sind weder schüchtern noch arrogant", erklärte Kurator Sergey Harutoonian bei einem Pressegespräch. In ihrer Individualität stehen sie jenen Darstellungen in der weiß geprägten Kunstgeschichte entgegen, wo dunkelhäutige Menschen lediglich als Typen mit bestimmten Funktionen oder Rollen angelegt sind, wie Rollig in Erinnerung rief. Bei Boafo wird Blackness zelebriert. Nicht zuletzt darauf bezieht sich der Zusatztitel der Ausstellung "Proper Love". Freude und Leichtigkeit strahlen die mit bunten Fingernägeln, Haarschmuck oder Kopfbedeckungen ausgestatteten gemalten Personen aus.

Das sei insofern bemerkenswert, als der Künstler gerade in seiner Anfangszeit auch viel Ablehnung in Wien erlebt habe, betonte Harutoonian. Viele Galerien hätten Hemmungen gezeigt, "afrikanische Kunst" auszustellen. Ihm sei geraten worden, weiße Menschen zu malen, da sich so etwas besser verkaufen ließe. Boafo habe sich davon aber nicht unterkriegen lassen, sich mit postkolonialer Theorie beschäftigt - auf einem recht frühen Selbstporträt zeigt er sich mit Frantz Fanons Buch "Black Skin, White Masks" - und die Konsequenz gezogen, aus der eigenen Identität Kraft zu ziehen anstatt sich selbst stets durch die Brille der weißen Mehrheitsgesellschaft zu betrachten.

Trotz der Startschwierigkeiten hat die Zeit in der Bundeshauptstadt den Stil Boafos wesentlich geprägt. Nicht nur hat er hier die Fingermalerei für sich entdeckt. Auch die Beschäftigung an der Akademie mit der Wiener Moderne hatte unverkennbar Einfluss - in Form des streng frontalen Bildaufbaus etwa oder durch die ornamental-tapetenmusterartigen Elemente, mit denen der Künstler mittels spezieller Collagetechnik vor allem großflächige Kleidungsstücke seiner Figuren behübscht. Vor allem durch die Gegenüberstellung dreier Frauenporträts von Boafo mit zweien von Klimt aus der Belvedere-Sammlung ("Amalie Zuckerkandl" und "Johanna Staude") werden stilistische Parallelen evident.

Unsicherheit statt klassischer Männlichkeitsattitüden und die eigene Zurschaustellung mit nacktem, verletzlichem Körper in den Selbstporträts zeigen wiederum, dass Boafo sich auch intensiv mit Schiele beschäftigt hat. Ganz zum Schluss hängt ein Bild, das eine Person ohne Gesicht auf schwarzem Hintergrund zeigt. Auf einem Schild, das sie in der Hand hält, steht: "Why do you only paint black people?". Mit dieser Frage sei der Maler, als er noch unbekannt war, oft konfrontiert worden, so der Kurator - und er empfiehlt: "Mit dieser Frage im Kopf sollte man dann die Bilder alle noch einmal anschauen."

(S E R V I C E - "Amoako Baofo. Proper Love" im Unteren Belvedere, Wien 3, Rennweg 6, bis 12. Jänner 2025. Zweisprachiger Katalog zur Ausstellung um 29,80 Euro, erscheint Ende November. www.belvedere.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Im Unteren Belvedere in Wien sind 50 Werke des Künstlers Amoako Boafo ausgestellt, die sich auf die Darstellung schwarzer Menschen konzentrieren und seine erste museale Einzelschau in Europa darstellen.
  • Boafo, geboren 1984 in Accra, Ghana, hat seinen Stil durch die Wiener Moderne und eine spezielle Fingermaltechnik geprägt, die seinen Porträts einen unverwechselbaren Charakter verleiht.
  • Trotz anfänglicher Ablehnung in Wien hat Boafo seine Identität in der Kunst gefeiert und sich von postkolonialer Theorie inspirieren lassen, was in der Ausstellung "Proper Love" bis Januar 2025 zu sehen ist.