Viel zu erzählen: Bad Ischls Stadtschreiberin Mieze Medusa
Dass sich die Jury unter allen Bewerbungen ausgerechnet für sie entschieden hat, ist für die in Gallneukirchen bei Linz aufgewachsene Autorin und Slammerin ein außergewöhnlich glücklicher Umstand. In den fünf Monaten ihres Stipendiums kann sie in aller Ruhe jenes Salzkammergut-Städtchen näher kennenlernen, das sie früher an der Seite ihrer Eltern hauptsächlich im Sommer besucht hat, und an ihrem Romanprojekt weiterschreiben. Außerdem versucht sie in Workshops bei Jugendlichen literarische Berührungsängste abzubauen und bekommt obendrein mit, wie sich die Ischlerinnen und Ischler so als Bewohner von "Europas Kulturhauptstadt 2024" fühlen. Und da gibt es bereits einiges zu erzählen.
Die Stimmung sei generell sehr positiv, aber "es wird natürlich sehr unterschiedlich geredet", berichtet die Autorin, die ihre Erfahrungen der ersten Wochen auch schon in einem Spoken Word Text verarbeitet und am Eröffnungsabend bei einem Auftritt mit Yasmo & die Klangkantine in der Trinkhalle zum Besten gegeben hat. Mehrere solcher Texte sollen im Lauf ihres Aufenthaltes entstehen. Der nächste könnte sich am 6. März, wenn sie zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag wieder in Bad Ischl liest, etwa um die Position der Frau in der Gesellschaft drehen. "Solong ois bleibt, / weils oiwei / scho so woa, / bin i Feminist:in." heißt es schließlich auf einem großen Banner von Katharina Cibulka, das auf dem ehemaligen Postgebäude in Bad Ischl entrollt wurde. Aber auch eine pointierte Nachschau des Eröffnungswochenendes böte sich für den neuen Text an.
"Es war cool und knallvoll. Ich fand es richtig schön", erinnert sie sich im Gespräch mit der APA an den eisigkalten Samstagabend, als sich Tausende im Kurpark drängten und bis spät in der Nacht Bühnen in der ganzen Stadt bespielt wurden. Auch, dass sich bei verschiedenen Veranstaltungen die halbe freie Szene des weiten Umkreises trifft, begeistert Mitterbacher. Dass vor Ort allerdings Doris Uhlichs freizügiger "Pudertanz" für viel Aufregung sorgte, "beschäftigt mich sehr", sagt sie. "Ich habe nicht damit gerechnet. Er hat offenbar etwas sichtbar gemacht, was sonst nicht besprochen wird." Themen wie Inklusion, Nacktheit, Frauen- und Körperbilder oder Freiheit des künstlerischen Ausdrucks seien in diesem Programmpunkt konzentriert angesprochen worden. "Mir hätte er sehr gefehlt, wenn es ihn nicht gegeben hätte."
Doch ihrer positivem Grundstimmung gegenüber einem Städtchen, das Ländliches wie Städtisches in sich vereint, in dem man vom Glöcklerlauf direkt zum Punkkonzert wechseln kann, Begegnungen generationenübergreifend stattfinden und auch Fremden "extrem freundlich" begegnet wird, tun die aktuellen Debatten freilich keinen Abbruch. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich ihre Erfahrungen auch in dem gerade in Arbeit befindlichen Roman niederschlagen werden. "In meinem Konzept kommt das Salzkammergut eigentlich nicht vor. Ich bin mittlerweile aber nicht sicher, ob ich das durchhalten kann", lacht die Autorin, deren letzter Roman "Was über Frauen geredet wird" vor zwei Jahren im Residenz Verlag erschienen ist. Einen Titel des neuen Buches gibt es noch nicht, aber das Thema verrät sie: "Geld und wie wir darüber reden, wird eine große Rolle spielen."
Wer Mieze Medusa heute, Donnerstag, bei ihrem nächsten Auftritt als Slammerin sehen möchte, muss sich übrigens nicht in die Kulturhauptstadt Europas, sondern in Österreichs Hauptstadt begeben: Um 20 Uhr ist sie bei "Sinn und Seife", der Poetry Slam Lesebühne des Wiener Ateliertheaters, zu erleben.
(S E R V I C E - http://www.miezemedusa.com)
Zusammenfassung
- Doris Mitterbacher, besser bekannt als Mieze Medusa, ist seit Dezember die erste Stadtschreiberin von Bad Ischl und nutzt ihre Zeit dort, um das Salzkammergut-Städtchen näher kennenzulernen und an ihrem Romanprojekt weiterzuschreiben.
- Ihr nächster Roman, dessen Thema 'Geld und wie wir darüber reden' ist, könnte ihre Erfahrungen in Bad Ischl reflektieren, obwohl das Salzkammergut ursprünglich nicht in ihrem Konzept vorgesehen war.