Theater Phönix-Leiterin Dörner will Vielfalt auf der Bühne
APA: Wie geht es Ihnen kurz vor Beginn der Spielzeit mit Ihrer neuen Rolle?
Dörner: Am Mittwoch war Probenbeginn für die neue Produktion und ich war schon sehr aufgeregt. Die Fassung, die Katja Ladynskaya geschrieben hat, ist einfach so eine tolle Antigone-Fassung und ich habe gemerkt: Da geht etwas auf. Es war jetzt Zeit, weil noch ein halbes Jahr da im dunklen Zimmer sitzen und planen, aber ohne Konkretes, das hätte ich nicht mehr durchgehalten.
APA: Was reizt Sie an der neuen Aufgabe besonders?
Dörner: Dass man einfach noch mehr Gestaltungsspielraum hat und auch schlussendlich dann die künstlerischen Entscheidungen treffen kann. Und ich sehe es auch als meine Hauptaufgabe für das Haus da zu sein und für die Menschen, die hier arbeiten. Ich werde deswegen auch nicht inszenieren oder Stücke schreiben, sondern ich möchte zusammen mit meiner Kollegin Romana Staufer-Hutter im Geschäftsführungsbereich, dass wir ein Zuhause schaffen, wo die Menschen, die hier arbeiten, sich auch wohlfühlen und wir uns um deren Belange annehmen.
APA: Was beschäftigt Sie vor Beginn der neuen Spielzeit am stärksten?
Dörner: Im Moment sind es noch die ganzen Baustellen, wenn ich ganz ehrlich bin. Wenn man die ganze Corporate Identity, den ganzen Außenauftritt ändert, also ein neues Logo, neue Drucksorten, eine neue Homepage, etc., da kommt dann schon sehr viel zusammen. Die Fassade fehlt noch, der Treppenlift wird nächste Woche eingebaut.
APA: Geht sich bis Herbst alles aus?
Dörner: Ja, es sollte sich ausgehen. Mir ist wichtig, dass alles, was der Spielbetrieb braucht, fertig sein muss. Wenn die Fassade noch nicht fertig ist, dann machen wir eine Plane hin mit der Aufschrift "Kommt bald". Das Äußere ist mir nicht so wichtig, der Inhalt muss passen.
APA: Inwiefern passt der veränderte Außenauftritt zu Ihrem Programm?
Dörner: Also zuerst einmal bin ich jemand, der auf Understatement geht. Ich mag es nicht, wenn alles grell und bunt ist, einen sofort erschlägt. Wir haben mit der "Gruppe am Park" zusammengearbeitet und die sind dann sehr schnell auf die filigrane Lösung gekommen und auch auf den Doppelpunkt nach dem Namenschriftzug. Der steht für mich dafür, dass wir etwas zu sagen haben und auch für eine gewisse Offenheit, denn er wird ja auch beim Gendern eingesetzt. Ich finde, dass es sehr zeitgenössisch und modern wirkt.
APA: Welche Produktion der kommenden Spielzeit liegt Ihnen besonders am Herzen?
Dörner: Eigentlich alle. Weil alle mit Herzblut gefunden werden wollten und entwickelt wurden mit den jeweiligen Teams. Manche Sachen habe ich schon relativ früh entworfen, etwa die "Klimazone". Ich wollte etwas machen und sehen, das Theater von einer anderen Seite zeigt und nicht so ans Sprechen gebunden ist, im Sinne von: Ich muss jedes Wort verstehen. Es hat also mit klassischem Theater gar nichts zu tun. Die Idee ist, dass man das Klima am eigenen Leib erfahren kann: Mit einem Ventilator, Regen, Hitze, Erdbeben, etc.
Und "Antigone" ist ein Stück, das ich immer schon einmal machen wollte. Es war eine bewusste Entscheidung, damit die Spielzeit zu eröffnen, denn ich habe ein Stück gesucht, wo ich nur unser Ensemble auf der Bühne habe, damit die sich präsentieren können. Mir liegen die Klassiker am Herzen, wenn sie entsprechend heutig gesehen werden. Der Stoff ist ja so, dass er leider fast punktgenau auf die Situation zutrifft, die wir jetzt haben, mit dem Russland-Ukraine-Konflikt.
APA: Sie wollen das Phönix stärker zu einem Volkstheater, einem Theater der Vielfalt machen. Wie soll das gelingen?
Dörner: Ich glaube, dass der erste Schritt ist, dass man mehr Diversität auf der Bühne haben muss. Wenn nur weiße Cis-Männer auf der Bühne stehen, dann ist es schwierig. Die Vielfalt, die ich habe, wenn ich hier auf die Straße gehe, will ich, dass sich auch auf der Bühne widerspiegelt. Ich hätte es gerne noch offener. Wieso wird Othello von einem weißen Schauspieler gespielt, der angemalt wird und fünf Stunden in der Maske sitzt? Wieso kann Romeo im Privaten nicht homosexuell sein? Das Gretchen muss schlank, blauäugig und blond sein. Das Theater hinkt in vielen Dingen hinten nach und da muss man nachjustieren.
Man muss auch bei den Formaten schauen: Wie bringe ich denn Menschen, die noch nie im Theater waren, dazu, dass sie überhaupt reinkommen? Indem ich Dinge auf die Bühne stelle, für die ich kein Vorwissen haben muss, oder so wie bei "Klimazone", wo ich auch die Sprache nicht so gut beherrschen muss. Das ist ein ganzheitliches und ein gemeinsames Erlebnis. Man muss wegkommen von diesem elitären, verstaubten Image.
APA: Es sind ja viele Erst- oder Uraufführungen im Programm. Wie kommen Sie an die Stücke?
Dörner: Da gibt es unterschiedliche Wege. Wir kriegen Zusendungen von Menschen, die ihr Stück gerne im Phönix uraufgeführt hätten. Aber das ist ein relativ geringer Prozentsatz. Man bekommt natürlich auch Angebote über die einschlägigen Theaterverlage. Und eine wirkliche Fundgrube ist das DramatikerInnenfestival, das die Leiterin des Theater am Lend, Edith Draxl, in Graz veranstaltet. Letzten Mai waren wir dort und da gab es einen Rundweg im Skulpturenpark und an jeder Station wurde eine Szene aus einem Stück von jemandem gespielt. Weil auch schon Publikum dabei war, bekam man gleich einen Eindruck, wie das Stück ankommt.
APA: Welche Sorgen beschäftigen Sie?
Dörner: Ich hoffe, dass das, was wir uns überlegt haben, gelingt, natürlich ist da jetzt eine gewisse Anspannung da: Kommen die Leute, nehmen die das an? Die letzten Entwicklungen, was Besucher im Theater angeht, sind ja auch nicht so prickelnd. Das hat auch mit Corona zu tun, hat aber schon früher angesetzt.
Jetzt in der Situation mit der steigenden Inflation habe ich auch Angst um unsere MitarbeiterInnen, weil wir in vielen Bereichen nicht so zahlen können, wie das vielleicht andere Firmen oder Landeseinrichtungen tun. Aber ich bin von Haus aus ein eher optimistischer Mensch, zur Not laufe ich über den Hauptplatz und mache Werbung.
APA: Was ist es, das sie nun schon seit fast 30 Jahren am Theater Phönix hält?
Dörner: Das Theater Phönix (lacht). Ich liebe das Haus. Ich bin 1995 hergekommen und war davor schon ein paar Jahre an deutschen Stadt- und Staatstheatern, aber mich haben dort auch viele Dinge gestört. Diese extreme Bürokratie und Hierarchie und dass man oft so unflexibel ist. Als ich hierher gekommen bin, da hat sich das für mich viel organischer, mehr wie ein Kollektiv angefühlt.
Ich mag das Haus sehr, ich mag die Bühne sehr, und ich mag die Wiener Straße. Ich genieße es, wenn ich hochspaziere und da ist an der Ecke der türkische Gemüseladen und da gehe ich einkaufen. Da fühle ich mich wohl.
(Das Gespräch führte Bianca Hainbuchner/APA)
(ZUR PERSON: Silke Dörner, geboren 1967 in Siegen (D), ist seit 1995 am Theater Phönix tätig. Ab 2001 war sie leitende Dramaturgin, mit der Spielzeit 2022/23 hat sie die künstlerische Leitung des Hauses übernommen. Sie hat Lehraufträge an der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz und an der Anton-Bruckner-Privatuniversität und ist Autorin zahlreicher Stücke und Libretti.)
(S E R V I C E - www.theater-phoenix.at)
Zusammenfassung
- Nach fast 30 Jahren am Linzer Theater Phönix, davon mehr als 20 Jahre als leitende Dramaturgin hat Silke Dörner mit der Spielzeit 2022/23 die künstlerische Leitung von Harald Gebhartl übernommen.
- Im APA-Interview schildert Dörner, was sie an der künstlerischen Leitung besonders reizt, was der neue Außenauftritt über ihr Programm aussagt und warum Theater für sie nicht an Sprache gebunden ist.