Theater der Jugend rät zur neuen Saison: "Never be normal"
Birkmeir zog bei der Präsentation am Donnerstag ausufernd über den Normalitätsbegriff der "Nehammers und Mikl-Leitners dieser Welt" her. Der Kanzler wolle trennen, spalten, auseinanderdividieren und "in rechten Gefilden fischen". Es sei "schlimm, wie hier mit der extremen Rechten geliebäugelt wird", konstatierte der Theaterleiter. Aussagen, wonach eine solche Debatte präfaschistoid und brandgefährlich sei, gab er uneingeschränkt recht. Die Forderung nach mehr Normalität sei auch "eine heftige Ansage an uns Künstlerinnen und Künstler, deren Beruf es ja ist, sich für das Außergewöhnliche, das nicht Normale zu interessieren, Besonderheiten zu beleuchten und gegen Konventionen mit neuen Ideen zu verstoßen", hielt Birkmeir fest.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund will er in der Saison 2023/24 mit "innovativem, ansprechendem und von politischen Überlegungen getragenen Programm" inklusive einem aus den Tagebüchern von Franz Kafka - "einem großen Unnormalen der Weltliteratur" (Birkmeir), dessen Todestag sich 2024 zum 100. Mal jährt - destillierten Stück punkten. Im Renaissancetheater stehen fünf der acht Neuproduktionen am Spielplan: "Der geheime Garten" nach einem Roman über Kindervernachlässigung von Frances Hodgson Burnett (Regie: Nicole Claudia Weber, Premiere: 10. Oktober), "Siri und die Eismeerpiraten" von Frida Nilsson (Regie: Karin Drechsel, Premiere: 5. Dezember), eine Bearbeitung des Erich-Kästner-Klassikers "Pünktchen und Anton" (Regie: Nicole Claudia Weber, Premiere: 20. Februar 2024), "Johanna, Gotteskriegerin" über die Biografie von Jeanne d'Arc (Regie: Thomas Birkmeir, Premiere: 6. April 2024) und der Märchen-Evergreen "Die Schöne und das Biest" (Regie: Henry Mason, Premiere: 28. Mai 2024).
Im Theater im Zentrum erwarten drei neue Inszenierungen das junge Publikum: das Musical "Lizzy Carbon und der Klub der Verlierer" (Regie: Peter Lund, Premiere: 17. Oktober), der Kafka-Abend "Im Panoptikum des Franz K." (Regie: Gerald Maria Bauer, Premiere: 12. Jänner 2024) und "Parzival", eine Bearbeitung des gleichnamigen "mittelalterlichen Gassenhauers", wie es den Unterlagen heißt (Regie: Michael Schachermaier, 23. April 2024).
Mit dem neuen kaufmännischen Direktor Ronald Hora, der nach der Verabschiedung in ihre Pension am 1. Juli Sonja Fretzer im Amt abgelöst hat, präsentierte Birkmeir auch eine Reihe von Kennzahlen aus der abgelaufenen Saison. Der Sukkus: Nach den schwierigen Pandemie-Jahren geht es wieder aufwärts, vom Vor-Corona-Niveau ist man allerdings noch deutlich entfernt. So zählte das Theater der Jugend 2022/23 rund 165.000 Besucherinnen und Besucher - und damit trotz positiver Entwicklung immer noch wesentlich weniger als in der Saison 2018/19 - die letzte ohne Viruseinschränkungen - mit mehr als 252.000 Personen. In Sachen Auslastung darf man sich laut Theaterleiter über "sensationelle" 95,35 Prozent (2021/22: 81 Prozent) freuen: "Das ist wahrscheinlich einzigartig im Sprechtheater im deutschsprachigen Raum."
Die Abozahlen lagen zuletzt bei etwa 25.800, zu den besten Zeiten waren es schon einmal 40.000, wie Hora einräumte. Und auch in Sachen Eigendeckung ist man noch weit von der präpandemischen Ära entfernt. Sie konnte zwar von zuletzt 20 auf nunmehr 27 Prozent gesteigert werden, "wir sind aber immer noch rund 20 Prozentpunkte unter Vor-Corona", rechnete der kaufmännische Direktor vor. Nicht zuletzt machten steigende Personalkosten und eine hohe Inflation dem Führungsduo das Leben nicht unbedingt leichter.
Birkmeir verwies allerdings auf angesparte Reserven aus sehr guten Jahren und auf eine von der Stadt geleistete Sonderförderung von 500.000 Euro im laufenden Jahr. Überhaupt hatte der Theaterchef auch Lob für die Politik zu verteilen. Denn die Zusammenarbeit mit Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) sei nicht nur von Spaß, sondern auch von "Engagement und Sachverstand" geprägt - und das nicht nur von seiner Seite, wie Birkmeir feixte.
(S E R V I C E - www.tdj.at)
Zusammenfassung
- Mit acht Neuproduktionen, darunter fünf Uraufführungen, will der Theaterchef das "Unnormale" und Außenseiterfiguren auf die Bühne bringen.