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Teil 1 des Wiener "Norma"-Doppels umjubelt

17. Feb. 2025 · Lesedauer 4 min

Vor 27 Jahren gab es letztmals mit Niels-Peter Rudolphs Deutung an der Volksoper eine Neuinszenierung von Vincenzo Bellinis "Norma" in Wien. Und heuer gleich zwei am Stück. Manchmal treibt der Opern-Gott eben seinen Schabernack, und so verschob sich coronabedingt die für 2020 angesetzte "Norma" des Musiktheaters an der Wien auf heuer - wo die Staatsoper ihrerseits bereits eine Premiere angesetzt hatte, die am Samstag stattfindet. Zunächst legte aber erst einmal das MaW vor.

Und wie. Schließlich hatte man mit Superstar Asmik Grigorian als Rollendebütantin einen klingenden Namen engagiert. Die widmete ihren Auftritt Mutter Irena Milkevičiūtė, die einst in Litauen mit der Belcanto-Partie reüssiert hatte. Die perfekte Story also. Und die erzählt sich tatsächlich über weite Strecken spannend und wurde am Ende vehement umjubelt.

Der russische Regisseur Vasily Barkhatov, der am Haus zuletzt Weinbergs "Der Idiot" inszenierte, transponiert das Geschehen um die titelgebende, gallische Druidenpriesterin, die als heimliche Geliebte zwei Kinder mit dem Feind in Person des römischen Feldherrn Pollione hat, der sie nun für eine Jüngere verlassen will. Statt in den Wäldern Galliens rund um Christi Geburt spielt sich das Drama nun in einem autokratischen Regime des 20. Jahrhunderts ab.

Im Faschismus - oder zumindest dessen Sepia-Ästhetik - angesiedelt, sieht Freddie De Tommasos Pollione wie ein Blockwart aus, während Grigorians Norma die Vorarbeiterin einer Tonbrennerei ist, in der einst Engel gefertigt wurden, die nun aber durch Diktatorenbüsten abgelöst sind.

"Casta Diva" im Blaumann

Entsprechend findet die durch Maria Callas zur unsterblichen Opernmelodie gewordene Ritualarie "Casta Diva" hier im Blaumann statt. Die Norma ist nicht ätherische Priesterin, sondern eine toughe Frau zwischen Liebe und Politik, die im Angesicht des Betruges medea-artig auch nicht vor der Idee des Kindsmords aus Rache zurückschreckt.

Asmik Grigorian hat dabei eine ungewöhnlich schwere Stimme für die Norma. Mit begrenzten Koloraturen und profunder Tiefe, siedelt sie ihren Charakter eher im Verismo denn dem Belcanto an. Was der 43-Jährigen an stimmlicher Höhenleichtigkeit fehlt, was sie bisweilen durch leichte Abschattungen kaschiert, macht sie durch ihr Spiel wett. Die Grigorian-Norma ist eine starke Frau des Neorealismus, keine glamouröse Diva.

Akhmetshina ragt heraus

Grigorian ist zweifelsohne gut als Norma. Doch Aigul Akhmetshina ist als Adalgisa großartig. Die erst 28-jährige Mezzosopranistin hat eine schimmernde Wucht in ihrer Stimme, die gesanglich die Konkurrentin überstrahlt. Die Russin verleiht als junge Geliebte ihrer eigentlichen Nebenfigur eine Dominanz, die für eine Regie schwer einzufangen ist. Als Mann zwischen diesen beiden Frauen überzeugt Freddie De Tommaso letztlich ungeachtet einer gewissen Neigung zum Forcieren.

Die Folge ist eine ungewöhnliche klangliche Ausgangslage für den Abend. Wie oft erlebt man nicht, dass Sängerinnen und Sänger vom Orchester zugedeckt werden? Aber wie selten ist es der Fall, dass diese die Klänge aus dem Graben überdecken, wie hier? Die Wiener Symphoniker unter Francesco Lanzillotta schallen wie abgedämpft aus dem neuen Orchestergraben. Der Fokus wird zudem eher auf die martialischen Rhythmen der Partitur gelegt. Keine Spur von Italianitá. Und damit in gewissem Sinne zur Interpretation der Regie passend.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - "Norma" von Vincenzo Bellini im MusikTheater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien. Musikalische Leitung der Wiener Symphoniker: Francesco Lanzillotta, Regie: Vasily Barkhatov, Bühne: Zinovy Margolin, Kostüme: Olga Shaishmelashvili, Licht: Alexander Sivaev. Mit Norma - Asmik Grigorian, Adalgisa - Aigul Akhmetshina, Pollione - Freddie De Tommaso, Oroveso - Tareq Nazmi, Clotilde - Victoria Leshkevich, Flavio - Gustavo Quaresma. Weitere Aufführungen am 19., 23. und 26. Februar sowie am 1., 4. und 7. März. www.theater-wien.at/de/spielplan/saison2024-25/1303/Norma)

Zusammenfassung
  • Nach 27 Jahren erlebt Wien eine Neuinszenierung von Vincenzo Bellinis 'Norma', die ursprünglich für 2020 geplant war, aber wegen der Pandemie auf heuer verschoben wurde.
  • Die litauische Sopranistin Asmik Grigorian debütierte in der Hauptrolle und widmete ihren Auftritt ihrer Mutter, während die Regie von Vasily Barkhatov das Setting in ein autokratisches Regime des 20. Jahrhunderts verlegte.
  • Aigul Akhmetshina beeindruckte als Adalgisa, und die Wiener Symphoniker unter Francesco Lanzillotta begleiteten die Aufführung, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.