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Salzburger Festspiele: Einblicke in Weinbergs "Der Idiot"

Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski hat am Montag Einblicke in die Neuinszenierung von Mieczyslaw Weinbergs Oper "Der Idiot" bei den Salzburger Festspielen gewährt. Aus Dostojewskis 1.000 Seiten umfassenden Roman "Der Idiot" (1869) hat der polnisch-sowjetische Komponist Mitte der 1980er-Jahre seine siebente und letzte Oper geschaffen. Der Idiot sei jemand, den man als einen Außenstehenden bezeichnen könnte, der das Gefühl der Liebe hervorruft, sagte der Regisseur.

Gleich zu Beginn des Pressegesprächs erwähnte Festspielintendant Markus Hinterhäuser, dass "Der Idiot" nicht zu den Blockbustern unter den Opern zählt. Es sei ein großes, wichtiges Opernwerk, das bei den Salzburger Festspielen zum ersten Mal in dieser Dimension aufgeführt wird. Dem Komponisten solle der Platz ermöglicht werden, der ihm in der Musikgeschichte zusteht. Der polnische Jude ist nach den Einmarsch der Nazis nach Moskau in die nächste Diktatur, in jene von Stalin, geflohen. Weinberg hat Dmitri Schostakowitsch kennengelernt, der ihn unterstützt und sich für dessen Werke eingesetzt hat.

"Weinbergs 'Idiot' ist lange verkannt worden, doch seine Bedeutung innerhalb der Operngeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist mittlerweile unbestritten", heißt es im Programmheft der Salzburger Festspiele. Bisher wurde "Der Idiot" dreimal aufgeführt. Erstmals vollständig auf der Bühne zu sehen war diese Oper im Jahr 2013 in Mannheim, das war 17 Jahre nach Weinbergs Tod. Im Vorjahr wurde "Der Idiot" im Theater an der Wien unter der Regie von Vasily Barkhatov gespielt, dirigiert vom Weinberg-Experten Thomas Sanderling.

In Dostojewskis Roman kehrt Fürst Lew Myschkin nach einem fünfjährigen Aufenthalt in einem Schweizer Sanatorium an einem Novembermorgen nach Russland zurück, um in Sankt Petersburg nach dem Tod eines Verwandten eine Erbschaftsangelegenheit zu klären. Obwohl seine Epilepsie erfolgreich behandelt wurde, haben sich durch seine Isolation kindlich-naive Verhaltensweisen erhalten, und er wird von der Gesellschaft als "Idiot", in der Bedeutung eines weltfremden Sonderlings, belächelt.

Das Wort "Idiot" habe in Russland eine unterschiedliche Bedeutung, es beinhalte eine provozierende Kommunikation, es gehe um den Aspekt des Erniedrigt-Seins, erläuterte Warlikowski, der nach Henzes "The Bassarids", Strauss' "Elektra" und Verdis "Macbeth" nun seine vierte Festspielinszenierung präsentiert. "Dostojewski hat eine komplexe Figur kreiert. Es ist jemand, den man als Propheten bezeichnen kann, der die Wahrheit spricht, der andere Fähigkeiten hat als andere Menschen." Der Idiot sei jemand, den man als einen Außenstehenden bezeichnen könnte, ein mythologischer Charakter, jemand, der das Gefühl der Liebe hervorruft, so dass man sich in ihn verliebt. Dies könne auch Unheil verkünden, habe aber auch christliche Anklänge - jemand, der auf die Menschen zugehen möchte.

Der ukrainische Opernsänger Bogdan Volkov, der Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin verkörpert, sagte, er habe in dieser gesangstechnisch nicht leicht zu performenden Oper jetzt eine Katharsis erreicht, die ihm das Gefühl gebe, dies mit dem Publikum teilen zu können. Es handle sich um eine sehr relevante Oper, es gehe um Begriffe der Schönheit und des Mitgefühls in dieser Welt mit ihren Kriegen, Krisen und Epidemien. In dem Stück gehe es auch um unterschiedliche Arten von Liebe, Liebe bedeute auch, "dass man Gefühle und Freude austauscht und bereit ist, mit jemanden mitzufühlen".

Warlikowski meinte, große Begrifflichkeiten wie Mitgefühl können die Menschen bewegen und eine Veränderung, eine Katharsis bewirken. Nach einem Krieg sei der Mensch bestrebt, die Welt für eine bessere Welt zu reinigen. Es sei aber eine Verdammnis, wenn man keine Fortschritte erzielen konnte und "wir uns im Rückschritt bewegen. Wir befinden uns in der Mitte. Das Mitgefühl ist etwas, das in uns lebt". Mitgefühl könne uns verändern und verbessern. Die Welt zu retten sei ein erstrebenswertes Ziel. Im Gegensatz zu Weinbergs Oper "Die Passagierin", die für Weinberg eine Vergangenheitsbewältigung gewesen sei, gehe es ihm bei "Der Idiot" um die Suche nach Perspektiven und nach dem Sinn des Lebens, und um den Frieden, den er in seinem Leben schließt.

Was Weinberg dazu veranlasst hat, aus Dostojewskis Roman eine Oper zu komponieren, darauf wisse sie keine definitive Antwort, sagte Mirga Gražinytė-Tyla, die für die musikalische Leitung der Neuinszenierung in Salzburg verantwortlich ist. Er habe womöglich die Absicht gehabt, die komplexe Welt Dostojewskis in einen noch komplexeren Kosmos zu manövrieren. Dass diese Oper bisher so selten aufgeführt worden ist, empfindet die litauische Dirigentin offenbar nicht als ein Erschwernis. Es könne sein, dass ein Nichtvorhandensein von vielen Traditionen eine Erleichterung ist, erklärte sie. "Wir haben uns in den vergangenen Monaten mit diesem Stück so tief beschäftigt." Einerseits gebe es ein Erfülltsein, anderseits aber noch so viel mehr. Der Fürst sei ein Sympathieträger. Er schaffe es aber nicht wie Christus, Wunder zu bringen.

(S E R V I C E - "Der Idiot" von Mieczyslaw Weinberg, Libretto von Alexander Medwedew, musikalische Leitung Mirga Grazinyte-Tyla, Regie Krzysztof Warlikowski, Bühne und Kostüme Malgorzata Szczesniak, Choreografie Claude Bardouil, Dramaturgie Christian Longchamp, Herren der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Wiener Philharmoniker. Mit Bogdan Volkov - Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin, Ausrine Stundyte - Nastassja Filippowna Baraschkowa, Vladislav Sulimsky - Parfjon Semjonowitsch Rogoschin, Xenia Puskarz Thomas - Aglaja Iwanowna Jepantschina, u.a. Neuinszenierung, Felsenreitschule, Premiere 2. August, weitere Aufführungen: 11., 15., 18 und 23. August,in russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln, www.salzburgerfestspiele.at )

ribbon Zusammenfassung
  • Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski hat am Montag Einblicke in die Neuinszenierung von Mieczyslaw Weinbergs Oper "Der Idiot" bei den Salzburger Festspielen gewährt. Aus Dostojewskis 1.000 Seiten umfassenden Roman "Der Idiot" (1869) hat der polnisch-sowjetische Komponist Mitte der 1980er-Jahre seine siebente und letzte Oper geschaffen. Der Idiot sei jemand, den man als einen Außenstehenden bezeichnen könnte, der das Gefühl der Liebe hervorruft, sagte der Regisseur.