RSF und Opposition warnen am Tag der Pressefreiheit
Derzeit befindet sich Österreich im Mittelfeld der Länder mit "zufriedenstellender" Bewertung. Lediglich acht Länder performen in Sachen Pressefreiheit weltweit "gut". "Eine liberale Demokratie wie Österreich sollte auch wieder in den grünen Bereich kommen. Von dort sind wir derzeit allerdings weit entfernt", sagte Hausjell. Verbessert hat sich Österreich im Vergleich zum Vorjahr im Bereich der Sicherheit, gingen doch Attacken von Corona-Maßnahmengegner auf Journalisten im Rahmen von Demonstrationen zurück. "Dafür hat die Politik aber genau nichts getan", so Hausjell.
Leicht bergauf ging es für Österreich bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Pressefreiheit, was etwa auf eine im Vorjahr erstmals ausgeschüttete Digitalisierungsförderung zurückgeht. Insgesamt schnitt man hier aber wie viele andere demokratische Staaten schlecht ab. "Die klassische Teilfinanzierung vieler Medien über Werbeeinahmen erodiert", sagte der RSF-Österreich-Präsident. Gelder fließen zusehends zu digitalen Riesen ab. "Wir bräuchten eine wesentlich stärkere Medienförderung und nicht Steuerung privatwirtschaftlicher Medien durch eine im Wesentlichen nicht kontrollierte Form der Inseratenvergabe", so Hausjell und verwies auf skandinavische Länder, die traditionell weit oben im Pressefreiheitsranking zu finden sind und weit voluminösere Medienförderungen etabliert hätten.
Bergab ging es im Bereich der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Österreich sei weiterhin das einzige EU-Land ohne Informationsfreiheitsgesetz. "Es würde wahnsinnig viel verändern, wenn Bürger ein Recht auf Information hätten und begründet werden müsste, warum Informationen im Fall des Falles nicht herausgegeben werden", so die Vizepräsidentin von RSF-Österreich, Julia Herrnböck. Auch müsse stärker gegen Einschüchterungsklagen - sogenannte SLAPP-Klagen - vorgegangen werden. Das Vorjahr war auch durch diverse Rücktritte renommierter Chefredakteure geprägt, die ein zu enges Naheverhältnis von einzelnen Politikern zu einzelnen Journalisten aufzeigten. Diese schwerwiegenden Vorwürfen hätten ein Bild verkommener Verhältnisse offengelegt, das dem Journalismus im Land ungemein schade, befand Hausjell.
Insgesamt betrachtet stehe es weltweit schlecht um die Pressefreiheit, so Corinna Milborn, ebenso Vizepräsidentin von RSF Österreich. Sieben von zehn Länder weisen eine problematische Lage auf. Hauptbedrohungen für die Pressefreiheit seien autoritäre Regime, Desinformation und Kriege, so Milborn.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hielt zum Tag der Pressefreiheit auf Twitter fest, dass der Respekt vor den Medien "außer Frage stehen muss". "Ohne Journalistinnen und Journalisten, die sich täglich um 'die beste verfügbare Version der Wahrheit' bemühen, wie es Carl Bernstein, einer der Aufdecker der Watergate-Affäre, formuliert hat, ist unsere Demokratie nicht intakt", schrieb er. Denn man brauche ein gemeinsames Verständnis "über die Beschaffenheit der Probleme, der Fakten und damit der Wirklichkeit".
Regierungsvertreter sehen Österreichs noch immer recht mäßiges Abschneiden beim Pressefreiheitsindex recht gelassen. Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bildet das Ranking die "Situation der Vergangenheit ab", sagte er vor dem Ministerrat am Mittwoch. Mit eingeflossen seien nämlich auch diverse Chatnachrichten von Spitzenjournalisten an Politiker. Kogler glaubt nicht, dass nach Bekanntwerden der Affären dies noch immer im gleichen Ausmaß passiert. Kogler verwies auch auf Maßnahmen der aktuellen Regierung, wie das Medientransparenzpaket. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) meinte wiederum, dass sich jede Generation um die Pressefreiheit ständig bemühen müsse und man sich nicht "zurücklehnen dürfe". Das Ranking zur Pressefreiheit dürfe man "nicht überbewerten", so Schallenberg.
Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) meinte, dass Pressefreiheit "eines der höchsten Güter unserer Demokratie" sei. Seit ihrem Amtsantritt seien viele große Reformen im Medienbereich umgesetzt worden, "die nach und nach ihre Wirkung zeigen werden". Einige von RSF geäußerte Kritikpunkte bezeichnete sie als nicht nachvollziehbar.
Die SPÖ stufte das Abschneiden im Ranking als "beschämend schlecht" und als "Armutszeugnis" für die Regierung ein. Als eine Hauptursache identifizierte SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried das fehlende Informationsfreiheitsgesetz. Die FPÖ bezeichnete Platz 29 für Österreich als "desaströs". "Verantwortlich dafür ist die vor allem von der ÖVP betriebene Medienkaufstrategie, die grassierende Inseratenkorruption auf Steuerzahlerkosten und damit verbunden die unzähligen Versuche von Regierungsseite, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen", so FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker.
"Österreich darf nicht Ungarn werden. Aber das, was die schwarz-grüne Regierung gerade veranstaltet, ist ein weiterer großer Schritt dort hin", so NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger. Die Partei richtete sich mit einem offenen Brief an die Regierung, die jetzt noch die Stopptaste drücken könne. "Eine ORF-Reform ohne Entpolitisierung darf es nicht geben. Eine Journalistenausbildung unter Obhut des Bundeskanzleramtes darf es nicht geben. Inseratenkorruption darf es nicht geben, stattdessen braucht Österreich endlich eine ordentliche Medienförderung", so Meinl-Reisinger.
Ein Bündnis unabhängiger Magazine rund um "an.schläge", "Ballesterer" oder auch das "Südwind-Magazin" forderte von der Bundesregierung ein Ende der bisherigen Inseratenpolitik und ein Bekenntnis zu Medienvielfalt und Pressefreiheit ein. Sie solle gezielt Qualitätsmedien - klein wie groß - stützen.
Zusammenfassung
- Zwei Plätze hat Österreich im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen (RSF) gut gemacht und landet damit nach einem Absturz im Vorjahresranking auf Rang 29. Die Punktebewertung hat sich aber kaum verbessert.
- "Wir haben uns auf einem schlechten Platz verfestigt", sagte RSF-Österreich-Präsident Fritz Hausjell bei einer Pressekonferenz und forderte die Politik zum Handeln auf.