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Regisseurin Lotte de Beer übernimmt 2022 Wiener Volksoper

Meyer-Beer - klingt wie der deutsche Meister der Grand Opera, bezeichnet aber seit Dienstag die Direktorenfolge an der Wiener Volksoper: Lotte de Beer, 39-jährige Jungregisseurin, wird mit der Saison 2022/23 Robert Meyer an der Spitze des Hauses am Gürtel nachfolgen. Die niederländische Theatermacherin wurde von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) und Christian Kircher als Geschäftsführer der Bundestheater-Holding als Neo-Volksopernchefin vorgestellt.

"Einen großen Teil des jungen Publikums haben wir verloren - deshalb ist es, glaube ich, jetzt an der Zeit für mich, Verantwortung zu übernehmen", zeigte sich die energiegeladene Regisseurin bei ihrer Präsentation überzeugt von ihrer ersten großen Leitungsfunktion. Die am 11. August 1981 geborene de Beer sprach sich deshalb dezidiert gegen den vermeintlichen Widerspruch von "hoher Kunst" und Unterhaltung aus.

"In diesen dunklen Zeiten hat Kunst vielleicht eine ganz andere Aufgabe", rekurrierte de Beer auch auf die aktuelle Corona-Pandemie. Es sei an der Zeit, von der Poesie umarmt zu werden. Kunst müsse ein Ort werden, "wo man gleichzeitig berührt und entertained werden kann". Dabei gehe es ihr nicht um Zerstörung bestehender Traditionen. "Statt Dekonstruktion und Schockieren will ich künstlerisch bezaubern", gab sie die Richtschnur aus. Die große Geste bringe nichts, wenn das Publikum wegbleibe.

Dafür möchte Lotte de Beer auch weiterhin selbst den Regiesessel besteigen. Geplant sei eine eigene Regie pro Saison am Haus und eine weitere andernorts: "Regie ist mein Herz." Zugleich möchte sich de Beer auch einen Musikdirektor suchen: "Der erste Schritt, den ich unternehme, ist, nach einem starken musikalischen Partner zu suchen." Sie habe bereits Namen im Kopf, mit deren Trägern sie nun in Gespräche treten werde.

Bedenken wegen pandemiebedingt dräuender Sparvorgaben habe sie dabei nicht, betonte die 39-Jährige: "In Österreich ist es so toll, dass alle der Meinung sind, dass Kunst genau jetzt wichtig ist und es dafür auch Geld geben muss. Und dafür werde ich kämpfen."

"Oper für das Volk zu machen - das ist mir als der richtige Ansatz erschienen", begründete Staatssekretärin Andrea Mayer ihre Entscheidung für de Beers Konzept: "Ich bin überzeugt, dass in sieben Jahren - am Ende ihrer ersten Amtszeit - die Wiener Lotte de Beer in ihr Herz geschlossen haben werden. [..] Ihre Ausstrahlung und ihre Überzeugungskraft sind sehr, sehr ansteckend." Die Niederländerin sei dabei eine Theatermacherin, die frischen Wind und Traditionen miteinander in Einklang bringe: "Sie wird neue Akzente behutsam mit Bestehendem verbinden."

Zugleich zollte Mayer dem amtierenden Volksopernchef Robert Meyer, der dem Haus seit 2007 vorsteht und der sich um eine Vertragsverlängerung beworben hatte, ihren Respekt. "Mein großer Dank und meine Hochachtung für seine Verdienste", verwies die Staatssekretärin auf die prägenden Jahre seiner Direktion: "Er wird das Haus bis zum Jahr 2022 sicher hervorragend weiterführen."

Dass mit dem Auswahlprozess letztlich auch eine "Weichenstellung" für die Volksoper verbunden gewesen sei, habe diesen besonders spannend und bedeutend gemacht, erinnerte auch Holding-Geschäftsführer Christian Kircher an das Bewerbungsverfahren, bei dem sich über 30 Interessentinnen und Interessenten eingebracht hatten. Lotte de Beer habe dabei alle Beteiligten nicht zuletzt mit ihrer großen Empathie und ihrem grundlegenden Konzept überzeugt: "Es geht nicht um Dekonstruktion, es geht um Kontinuität im Sinne eines Aufbaus auf Vorhandenem."

Amtsinhaber Robert Meyer streute unterdessen seiner designierten Nachfolgerin an der Spitze der Wiener Volksoper Rosen. "Ich freue mich über die Wahl meiner Nachfolgerin Lotte de Beer", heißt es in einem Statement gegenüber der APA in Bezug auf die 39-Jährige: "Es ist eine hervorragende Entscheidung. Wir haben uns bereits kennengelernt und wunderbar verstanden." Man werde nun gut zusammenarbeiten, um eine optimale Übergabe für die Volksoper zu ermöglichen.

Mehrheitlich äußerst positiv fielen die ersten Reaktionen auf die Entscheidung aus, Lotte de Beer mit der künstlerischen Leitung der Volksoper zu betrauen. "Ich freue mich sehr über diesen Karriereschritt von Lotte Beer, denn er basiert auf ihrem Können und Fachwissen im Bereich des künstlerischen Musiktheater-Managements und auf ihrer jugendlichen Energie, die für die Volksoper ab 2022 genau richtig sind", hielt Roland Geyer, Theater an der Wien-Intendant, auf APA-Anfrage fest. "Natürlich bin ich stolz darauf, dass das Theater an der Wien wieder ein wichtiger Katalysator für eine Künstlerin ist, um an die Spitze im Operngenre zu gelangen." Beer zeichnete am Haus für die Inszenierungen von George Bizets "Die Perlenfischer" (2014), "Traviata remixed" in der Kammeroper (2016) und Tschaikowskis "Die Jungfrau von Orleans" (2019) verantwortlich.

"Die Entscheidung für Lotte de Beer, eine Regisseurin von europäischem Format, ist eine gute Entscheidung; ich kenne und schätze sie aus der Zusammenarbeit u.a am Theater an der Wien", gab SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda in einer Aussendung bekannt. Es sei auch ein Vorteil, dass mit Lotte de Beer eine regieerprobte junge Frau die Direktion übernimmt. "Sie kann damit eine spannende Positionierung der Volksoper im Kontrapunkt zu Theater an der Wien und Staatsoper vornehmen", so Drozda.

Für die Kultursprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, wird mit dieser Entscheidung ein "dringend notwendiger Generationswechsel vollzogen". "Als Operettenliebhaberin freue ich mich besonders, dass die Volksoper mit Lotte de Beer eine ausgewiesene Operettenspezialistin als Direktorin bekommen wird. Sie ist ein Garant dafür, dass es gelingen wird, sowohl die langjährigen Volksopernbesucher*innen zu begeistern als auch jene anzusprechen, die mit Operette nur die Vorlieben ihrer Großeltern verbinden", meinte sie und sprach dem scheidenden Direktor Robert Meyer großen Dank aus: Er habe "die Volksoper in ein ruhiges Fahrwasser gebracht und ein vielfältiges Repertoire angeboten".

Für FPÖ-Kultursprecher Volker Reifenberger haftet der Bestellung "allerdings ein fahler Beigeschmack an, da der seit dem Jahr 2007 amtierende Direktor der Volksoper Robert Meyer von der grünen Kulturstaatssekretärin Mayer unschön abserviert wurde", kritisierte er in einer Aussendung. "Direktor Meyer kann auf eine überaus erfolgreiche Zeit zurückblicken. (...) Es ist schade und ein Zeichen schlechten Stils, wie man sich vom amtierenden Volksoperndirektor trennt. Dieser hätte jedenfalls mehr Wertschätzung und zumindest die faire Chance auf eine erfolgreiche Wiederbewerbung verdient gehabt", so Reifenberger.

ribbon Zusammenfassung
  • Es sei an der Zeit, von der Poesie umarmt zu werden.
  • Amtsinhaber Robert Meyer streute unterdessen seiner designierten Nachfolgerin an der Spitze der Wiener Volksoper Rosen.