APA/Wolfgang Huber-Lang

Radioaktives Anthropozän: Neue Ausstellung in der Secession

Beim Aushub für das neue Wien Museum am Karlsplatz wurde in einer Erdschicht Plutonium nachgewiesen, dass sich infolge der oberirdischen Atomwaffentests auf der ganzen Welt abgelagert hatte. Katrin Hornek war dabei. "Diese geologische Einschreibung des Menschen markiert den Beginn des Anthropozäns", sagt sie. Die Künstlerin war Teil eines Forscherteams, das die Proben dokumentierte - und hat aus ihren Erfahrungen zusammen mit Kolleginnen eine Secessions-Installation gemacht.

"testing grounds" eröffnet heute, Donnerstag, um 19 Uhr mit der Kurzversion einer von Karin Pauer entwickelten Performance, deren dreistündige Variante zweimal wöchentlich Teil der bis 2. Juni laufenden Ausstellung ist. Hornek, die 1983 in Niederösterreich geboren wurde, performative Kunst und Skulptur in Wien und Kopenhagen studierte, 2021 den Otto Mauer Preis erhielt und Mitglied der interdisziplinären Forschungsgruppe The Anthropocene Surge ist, hat für die Ausstellung auch mit der Klangkünstlerin Zosia Hołubowska und der Choreografin und Autorin Sabina Holzer gearbeitet. "Ihre kollaborative Arbeitsweise ist einer der Gründe, warum wir sie eingeladen haben", erläuterte Secessions-Präsidentin Ramesh Daha im Gespräch mit der APA. "Sie hat ihre eigene künstlerische Sprache und arbeitet eng mit der Wissenschaft zusammen." Die Befassung mit dem Anthropozän und den Auswirkungen des Menschen auf den Planeten sei zudem dem Secessions-Vorstand ein großes Anliegen. "Außerdem kommt man um dieses Thema in der Kunst derzeit ohnedies nicht herum."

Der Hauptraum der Secession ist mit schwarzen Gummimatten ausgelegt, die aus Reifenabrieb hergestellt sind. Für Hornek ist es ein auch eingearbeiteter Verweis, dass das berühmte Bauwerk nach dem Krieg als Reifenlager verwendet wurde, für den Besucher ein olfaktorischer Teil der Schau: So riecht das Anthropozän. Unangenehm. Nach Erdöl. In schwarzen Lacken in Umrissen jener Chromosomen, die mit der Knocheneinlagerung des Plutoniums (Halbwertszeit: 24.000 Jahre) verbunden sind, schwappt jedoch nicht Erdöl, sondern schwarze Tinte. An der Raumdecke ist ein aktueller Scan des "Baker"-Kraters am Meeresboden des ehemaligen US-Atombombentestgeländes im Bikini Atoll zu sehen.

Informationen über das US-Atomtestgelände von Los Alamos, derzeit durch den Film "Oppenheimer" wieder zurück im öffentlichen Bewusstsein, und vieles andere mehr an Texten und Bildern gibt es auf 24 im Raum ausgelegten schildkrötenförmigen Handhelds, sogenannten "Messengers". Auf rund drei Stunden schätzt Honek das hier gebotene Infopaket über die vom Menschen freigesetzte Radioaktivität, verbunden mit dem vierstündigen Soundmaterial von Zosia Hołubowska und den dreistündigen Tanzperformances eine geballte Ladung an Zusatzangebot, mit dem die Installation zu einer immersiven "sinnlich umfassenden Erfahrung", einer "Versuchsanordnung einer Verkörperung des Unaussprechlichen" (Pressetext) werden soll. Das Buch zur Ausstellung wird am 25. April um 18 Uhr präsentiert.

In der Galerie im Untergeschoß präsentiert Imran Perretta, 1988 geborener Londoner Künstler mit familiären Wurzeln in Italien und Bangladesch, unter dem Titel "tears of the fatherland" Arbeiten, mit denen er sich mit Fragen von Macht, staatlicher Überwachung, Vorurteilen und Identitätsbildung beschäftigt. Dass er dabei auch auf eigene Erfahrungen zurückgreift, daran ließ er beim Presserundgang am Donnerstag keinen Zweifel. Es habe ihn sehr betroffen, wie nach 9/11 "mein Körper im öffentlichen Raum gelesen wurde". Und sogar beim Ausgangspunkt seiner künstlerischen Arbeit, dem Text, sei er immer wieder auf seine vermeintliche Andersartigkeit hingewiesen worden: "Jedes Mal, wenn ich in einem Textverarbeitungsprogramm meinen Namen eingab, wurde er rot unterwellt", erzählte er schmunzelnd. Sein Gedicht "trying to dissappear" ist in einem Mittelraum zu sehen, zwischen einer neuen Soundinstallation, in der er mit Kinoklangeffekten wie dem "Wilhelmsschrei" arbeitet, und seinem 23-minütigen Videofilm "the destructors" (2019).

Das glatte Kontrastprogramm dazu bietet der 1981 geborene, in Toronto lebende US-Künstler Zach Blas, der unterm Dach eine Art Sci-Fi-Kapelle eingerichtet hat. "CULTUS" (lateinisch für "Anbetung") ist eine neu entwickelte Installation von KI-generierten Bildern, Texten und Klängen sowie Computergrafiken. In dem Pantheon der KI-Gottheiten wird künstliche Intelligenz gottähnlich verehrt. Das sieht zwar retro aus, ist aber dennoch ziemlich spooky und macht aus dem Grafischen Kabinett ein Gruselkabinett.

(S E R V I C E - Ausstellungen in der Wiener Secession: "Katrin Hornek. testing grounds", 8.3. - 2.6. www.katrinhornek.net ; "Imran Perretta. tears of the fatherland" und "Zach Blas. CULTUS", 8.3. - 9.6., www.secession.at)

ribbon Zusammenfassung
  • 'testing grounds' von Katrin Hornek, eröffnet am 8. März in der Wiener Secession, beleuchtet das Anthropozän und den menschlichen Einfluss auf den Planeten durch Kunst und Wissenschaft.
  • Neben Horneks Arbeiten werden 'tears of the fatherland' von Imran Perretta und 'CULTUS' von Zach Blas bis zum 9. Juni gezeigt.
  • Die Ausstellung umfasst eine immersiv-sinnliche Erfahrung mit Informationen über Radioaktivität, Soundmaterial und Tanzperformances.