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Motherwell monumental: Retrospektive des US-Malers in Wien

Große Geste auf großer Leinwand: Robert Motherwell (1915-1991) zählt mit seinem reduzierten Ausdrucksvokabular im Monumentalformat zu den bedeutendsten Vertretern des Abstrakten Expressionismus. Beeinflusst von europäischer Literatur und Malerei, gilt der US-Amerikaner als intellektuelles Pendant zu Jackson Pollock. Unter dem Titel "Pure Painting" widmet das Kunstforum Wien dem Künstler ab Donnerstag nun eine Retrospektive - die erste in Österreich seit 1976.

Rund 40 Werke werden in dieser Überblicksschau, die laut Kunstforum zugleich die erste seit 25 Jahren in ganz Europa ist und sich allein dem malerischen Schaffen des Künstlers, der auch Collagen und Drucke angefertigt hat, präsentiert. "In den USA ist Motherwell ein Säulenheiliger", versichert Kuratorin Evelyn Benesch, neben Susan Davidson vom Kooperationspartner Modern Art Museum of Fort Worth eine Hälfte des Kuratorinnenduos, im Gespräch mit der APA. Immer prägte er mit dem Abstrakten Expressionismus jene Spielart der Malerei wesentlich mit, die Anfang der 1940er-Jahre ihren Anfang nahm, eine "neue Ästhetik in die Kunstlandschaft" brachte und überhaupt als die erste originär amerikanische Kunst der Nachkriegszeit angesehen wird. Bis Motherwell seine eigene Formensprache entwickelte, dauerte es jedoch noch rund ein Jahrzehnt.

Seine figurativen Anfänge waren noch eng im französischen Surrealismus verwurzelt. Im Austausch mit André Breton oder Marcel Duchamp, die infolge des Zweiten Weltkriegs nach New York immigriert waren, machte sich Motherwell mit der Technik des Automatismus vertraut. Bald begann der im Bundesstaat Washington und in Kalifornien aufgewachsene, studierte Kunsthistoriker, Philosoph, Literaturwissenschafter, der Peggy Guggenheim seine erste Einzelausstellung zu verdanken hatte, nicht nur seine eigenen Ausdrucksformen zu entwickeln, sondern auch in Serien und Zyklen zu arbeiten.

Eine der wichtigsten ist die Werkgruppe "Elegies to the Spanish Republic", die er schon 1948 beginnt und bis zu seinem Tod 1991 mit mehr als 150 Gemälden fortführt. "Kraftvoll, impulsiv, vielleicht mit ein bisschen Gewalt drin" beschreibt Benesch die stellvertretend in der Schau gezeigten Exemplare. Schwarze archaische Formen auf weißem Hintergrund - vor allem Ovoide, also eiförmige dreidimensionale Körper, und mächtige senkrechte Balken - mit reduzierten Farbeinsprengseln prägen Motherwells expressive Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des Spanischen Bürgerkriegs von 1936 bis 1939.

Ungleich minimalistischer, zarter und auch verspielter gestaltet sich indes die sogar mehr als 200 Arbeiten umfassende Serie "Opens", die von 1967 bis 1981 entstand. Inspirationsquelle waren zwei aneinandergelehnte Gemälde im Atelier Motherwells. Der Künstler zog den Umriss des kleineren mit Kohle auf der Leinwand des größeren nach, drehte letzteres um 180 Grad und sah am oberen Bildrand eine Art schwebendes Fenster. In der Folge variierte er das Motiv zigfach und kombinierte unterschiedliche Farben. Unter den für "Pure Painting" ausgewählten Beispielen findet sich auch ein sehr berührendes, das sich in der Farbgebung auf die "Elegies" bezieht: ein kleines weißes Rechteck auf riesigem rabenschwarzen Hintergrund. Dieses "Open" widmete Motherwell seinem engen Malerfreund Mark Rothko, der am 25. Februar 1970 Selbstmord beging.

Motherwell gilt insofern als Intellektueller unter den Abstrakten Expressionisten, weil seine Werke oft auf literarische oder philosophische Einflüsse referenzieren. "Daran waren Leute wie Pollock oder Rothko nicht wirklich interessiert", meint Benesch. Darüber hinaus unterrichtete er an Kunstschulen und war als Kritiker und Herausgeber tätig. Dass viel Kopfarbeit sein malerisches Schaffen grundiert, beweist nicht zuletzt der Umstand, dass Motherwell seine Sachen immer wieder überarbeitete bzw. teils radikal veränderte. So schuf er etwa "Face of the Night (for Octavio Paz)" in den späten 70ern zuerst als monsterartiges Motiv auf ockerfarbenen Grund - inspiriert durch die prähistorische Wandmalereien in Altamira -, ergänzte es nach dem Besuch einer Matisse-Ausstellung u.a. um gelbe, rote und grüne Streifen, überdenkt die Komposition anschließend zwei Jahre lang und übermalt die meisten bunten Bereiche wieder mit Schwarz. So hängt dieses mehrere Meter lange Ungetüm nun im Kunstforum. Fotografien aus den früheren Stadien des Werks machen die Veränderung nachvollziehbar.

Robert Motherwell, der in seiner Karriere auch Collagen und Drucke anfertigte, malte bis zu seinem Lebensende. Aus der Spätphase des Künstlers zeigt das Kunstforum u.a. "A Rose for James Joyce" und "Stephen's Iron Crown" - beide sind eine Verneigung vor dem irischen Dichter Joyce, der ihn zeitlebens begleitete und inspirierte. Damit schließt die Ausstellung gewissermaßen den Kreis zu den Anfangsjahren des Malers. Denn ausgestellt ist auch jene "Ulysses"-Ausgabe, die der gerade erst dem Teenageralter entwachsene Motherwell 1935 auf seiner ersten Europareise erstand.

(S E R V I C E - "Robert Motherwell - Pure Painting" im Kunstforum Wien, ab Donnerstag und bis 14. Jänner 2024, Ausstellungskatalog in Deutsch und Englisch, 208. S., 37 Euro, www.kunstforumwien.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Große Geste auf großer Leinwand: Robert Motherwell zählt mit seinem reduzierten Ausdrucksvokabular im Monumentalformat zu den bedeutendsten Vertretern des Abstrakten Expressionismus.
  • Beeinflusst von europäischer Literatur und Malerei, gilt der US-Amerikaner als intellektuelles Pendant zu Jackson Pollock.
  • Unter dem Titel "Pure Painting" widmet das Kunstforum Wien dem Künstler ab Donnerstag nun eine Retrospektive - die erste in Österreich seit 1976.