Monolog "Ich, Galileo" im Wiener TAG uraufgeführt
Er habe "einen postdramatischen Diskurs" bestellt und nur einen weiteren Aufguss des epischen Theaters bekommen - bekanntlich schrieb ja auch Bert Brecht ein Stück mit dem Titel "Leben des Galilei" -, mosert die Figur G. am Ende des fast 85-minütigen Monologs herum und macht sich auf die Suche nach dem Urheber. Auch abseits dieser kokett eingebauten Selbstkritik fragt man sich, warum das durch die Corona-Zeit wieder hoch aktuelle Thema der Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnis und des Bestreitens anerkannter Fakten im gesellschaftlichen und politischen Diskurs nicht mehr Raum einnimmt in dieser Variation über Herrn G., der das von der Kirche dekretierte Weltbild zum Einsturz brachte.
Es bleibt bei ein paar Anspielungen, etwa auf das "schwedische Modell" des Gustav Adolf. Galileo gelobt in seinem Widerruf, auch seinen "Wissenschafts-Kanal auf YouTube" vom Netz zu nehmen, und die Kirche setzt all' ihre Macht ein, um "eine lange, flache Kurve" der Erkenntnis zu erhalten, statt eines jähen Umsturzes des Wissens. Es geht um Gehorsam, nicht um Wahrheit. Aber es geht auch um die Macht der Kirche und nicht um die Macht der Dummheit. Statt um das aktuelle Zurückdrehen des Rads der Geschichte durch das Propagieren von "alternativen Fakten" geht es um das Vorzeigen der Instrumente, trotz des Wissens, dass diese heute stumpf und rostig geworden sind.
"Ich, Galileo" ist eine vertane Chance, da mag sich Georg Schubert noch so ins Zeug legen und eine weiße Kühlbox, die hier als Büchse der Pandora fungiert, doch kein Geheimnis birgt, über die Bühne schleppen und als Podest benützen. Auf den vier hochkant gehängten Screens, die auch als überdimensionale Smartphone-Displays funktionieren, erscheint Schubert in mancherlei Gestalt. Als Moderator der Show "Scharfer Toback" lässt er sich als G. gegen sich selbst als "Bruder Kreutel" antreten, der einfach um ein paar Jahrzehnte Geduld bittet - bis alle Beteiligten unter der Erde sind und die neuen Erkenntnisse niemanden mehr aufregen.
Der Abend ist ambitioniert gemacht - und wirkt dennoch als rein theoretischer, weltabgehobener Diskurs. Ein einziger Blick in den Zuschauerraum bietet deutlich mehr Brisanz als der ganze Ausflug in die Geschichte der Verblendung: Ein Saal, halb voll mit Menschen, die getestet, geimpft oder genesen sind und dennoch eine Schutzmaske tragen gegen ein Virus, dessen Existenz oder dessen Gefährlichkeit von Teilen der Bevölkerung vehement bestritten werden. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
(S E R V I C E - "Ich, Galileo" von Gernot Plass, Text und Regie: Gernot Plass, Ausstattung: Alexandra Burgstaller. Mit Georg Schubert. Tag, Wien 6, Gumpendorfer Straße 67, Weiter Vorstellungen: 1., 2., 4., 5., 19., 21. und 22. Juni, 19.30 Uhr. Karten: 01 / 5865222, www.dastag.at)
Zusammenfassung
- Gernot Plass mag vielleicht Gott sein, allmächtig ist er nicht.
- Es geht um Gehorsam, nicht um Wahrheit.
- Aber es geht auch um die Macht der Kirche und nicht um die Macht der Dummheit.