APA/APA/Landestheater NÖ/Luiza Puiu

"Maria Stuart" in St. Pölten als zwiespältige Paraphrase

Die iranische Autorin Mahin Sadri hat Friedrich Schillers Klassiker "Maria Stuart" zu einer kammerspielartigen Paraphrase reduziert. Als Koproduktion mit dem Tangente St. Pölten Festival für Gegenwartskultur ist das Stück am Freitagabend im Landestheater NÖ zur Premiere gelangt und hat durchaus zwiespältigen Eindruck hinterlassen.

Dass der Albtraum nun zu Ende sei, repetiert Elisabeth am Ende des Stücks wie in einer Endlosschleife. So schlimm war es zwar nicht, aber so richtig überzeugend war es auch nicht. Obwohl Regisseur Amir Reza Koohestani alles "richtig" gemacht hat im Sinne dessen, was heute gemeinhin en vogue erscheint: Er hat die Rolle des Leicester mit einer Frau besetzt (Clara Liepsch meistert die Aufgabe des ehrgeizig-eleganten Emporkömmlings brillant), ebenso Paulet (Bettina Kerl bringt das androgyne Element ein), den Mortimer mit dem aus Südafrika stammenden Schauspieler Lukhanyo Bele und die Protagonistinnen Elisabeth und Maria praktischerweise beide mit Julia Kreusch.

Ein "heutiges Szenario, in dem kämpferische Frauen wie Maria und Elisabeth als Bedrohung für die Mächtigen angesehen werden", war angekündigt worden. Eine sehr missverständliche Formulierung, denn gerade die beiden Königinnen verkörpern ja eben die Macht ("O Sklaverei des Volksdiensts!"), mit der sie sichtlich selbst nicht zurande kommen.

Kreusch spielt eine hysterisch irrlichternde, missmutige und in mimischen Entgleisungen eigenartig psychotisch wirkende Frau, von körperlicher Unruhe getrieben. Dass sie auch die Maria gleichsam als Spiegelbild Elisabeths darstellt, geht letztlich als scheinbarer Kunstgriff ins Leere, schlimmer noch: lässt die Differenz zwischen Täterin und Opfer verschwimmen. Das kann ja wohl nicht die Absicht gewesen sein.

Die beiden geschwisterlichen Kammerfrauen Kennedy (Marthe Lola Deutschmann) und Hanna (Caroline Baas) wirken ebenfalls zwillingshaft, verdoppeln gleichsam die Spiegelung der Königinnen. Die Charaktere im Stück bleiben leider insgesamt hölzern, wenig Interaktion ist sichtbar, aber viel Deklamation hörbar.

Die avisierten Bezugnahmen auf die Situation im Iran hätte man gerne wahrgenommen, doch ohne Studium des Programmhefts wäre die Intention erst gar nicht erkennbar gewesen. Somit bleibt ein seltsam uneingelöster Abend, der sich in düsteren Szenenfolgen ergeht, optisch durch ein effektvolles Bühnenbild (Mitra Nadjmabadi) mit Video und Live-Kamera - darf natürlich auch nicht fehlen - aufgemotzt und von dezent-spannungsvoller Musik (Matthias Peyker) begleitet.

(Von Ewald Baringer/APA)

(S E R V I C E - St. Pölten, Landestheater Niederösterreich: Friedrich Schiller, "Maria Stuart", Fassung von Mahin Sadri, Regie: Amir Reza Koohestani. Mit Julia Kreusch, Marthe Lola Deutschmann, Caroline Baas, Bettina Kerl, Lukhanyo Bele, Clara Liepsch. Weitere Aufführungen bis 10. Jänner 2025. Tickets und Information: www.landestheater.net)

ribbon Zusammenfassung
  • Die iranische Autorin Mahin Sadri hat Friedrich Schillers 'Maria Stuart' zu einer kammerspielartigen Paraphrase reduziert. Das Stück wurde am Freitagabend im Landestheater Niederösterreich uraufgeführt.
  • Regisseur Amir Reza Koohestani besetzte die Rolle des Leicester mit einer Frau und die Protagonistinnen Elisabeth und Maria beide mit Julia Kreusch. Die Charaktere wirken hölzern mit wenig Interaktion und viel Deklamation.
  • Die avisierten Bezugnahmen auf die Situation im Iran sind ohne Studium des Programmhefts nicht erkennbar. Weitere Aufführungen sind bis zum 10. Januar 2025 geplant.