Mahler-Mix an der Staatsoper als szenischer Flop
Regiestar Calixto Bieito hat für den Abend zwei zentrale Stücke aus Mahlers Œuvre zusammengespannt - das Jugendwerk "Das klagende Lied" und die weit später verfassten "Kindertotenlieder". Das erstere ein noch nah an Wagner gelagerter Hybrid aus Lied, symphonischer Musik und Chorstück, das andere einer der tragischsten Liederzyklen der Welt. Beiden gemeinsam: sie sind keine theatralen Werke.
Nun hat das Theater an der Wien wiederholt demonstriert, dass sich etwa Händels Oratorien in magischer Weise als szenische Abende gestalten lassen. "Das klagende Lied" nach Bechstein jedoch kommt ohne zugeteilte Rollen und letztlich auch Narration aus - und Bieito hat nichts parat, das daran etwas ändern könnte.
Wenn Figuren auf einer Bühne ganz in Weiß gewandet sind, dann weiß der geschulte Theatergeher: es wird dreckig und wahrscheinlich blutig. Und dies Erwartung wird nicht enttäuscht. Dazu ein Maibaum aus Internetkabeln, um den die Choreuten tanzen. Kabelsalat - ein Wort, das sich hier aufdrängt und ebenso aus den 80ern stammt wie die Ästhetik der Inszenierung.
Es sind Bilder, denen man den Willen zum Effekt ansieht und der just dadurch verpufft - ungeachtet einer guten Lichtregie von Michael Bauer. Als Epilog auf diesen kühlen Auftakt folgen dann die "Kindertotenlieder", die in Purpur ausgeleuchtet sind, als stünde ein heimischer Mobilfunker als Sponsor hinter dem Bühnenbild.
Auf der Habenseite findet sich hingegen die musikalische Gestaltung, schafft der 32-jährige Schweizer Pultshootingstar Lorenzo Viotti bei seinem Hausdebüt doch einen zupackenden, unpathetischen Mahler. Das macht es den Sängern allerdings immer wieder schwer, über das Orchester zu kommen - sind die Stücke doch eigentlich dafür konzipiert, dass der Klangkörper hinter diesen positioniert ist.
Während hier Sopranistin Vera-Lotte Boecker, Altistin Tanja Ariane Baumgartner und Tenor Daniel Jenz immer wieder zu kämpfen haben, erweist Bühnenurviech Florian Boesch bei seinem Staatsoperndebüt erneut nicht nur seine vokalen, sondern auch seine Qualitäten als Darsteller, nicht zuletzt beim Epilog der "Kindertotenlieder". Am Ende polarisierte "Von der Liebe Tod" das Publikum, lieferten sich Buhrufer und Bravojubler doch die Waage. Vielleicht hätte ja zumindest das Mahler gefallen.
(S E R V I C E - "Von der Liebe Tod. Das klagende Lied. Kindertotenlieder" an der Staatsoper, Opernring 2, 1010 Wien. Musikalische Leitung: Lorenzo Viotti, Inszenierung: Calixto Bieito, Bühne: Rebecca Ringst, Kostüme: Ingo Krügler, Licht: Michael Bauer. Mit Sopran - Vera-Lotte Boecker, Alt - Tanja Ariane Baumgartner, Tenor - Daniel Jenz, Bariton - Florian Boesch. Weitere Aufführungen am 2., 5., 7., 10. und 13. Oktober sowie am 6., 8., 11. und 16. Mai 2023. www.wiener-staatsoper.at)
Zusammenfassung
- Staatsoperndirektor Bogdan Roščić hat schon früh seine Ehrfurcht vor dem berühmten Amtsvorgänger Gustav Mahler betont, dem Opernerneuerer, der selbst nie eine Oper verfasst hat.
- Am Ende der Premiere des Mahler-Mixes "Von der Liebe Tod" am Donnerstag steht jedoch die Bilanz: Keine gute Entscheidung.
- Am Ende polarisierte "Von der Liebe Tod" das Publikum, lieferten sich Buhrufer und Bravojubler doch die Waage.