Linzer Lentos setzt sich mit Nationalismus auseinander
Genau den bietet beispielsweise ein eingangs positioniertes Porträtdoppel: Zeigt das Gemälde den Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer, fördert die daneben platzierte Röntgenaufnahme des Werks zutage, dass sich darunter eigentlich Adolf Hitler befindet. "Das Bild wurde nach 1945 unter dieser Verkleidung versteckt", erläuterte Kurator Markus Proschek am Dienstag bei der Presseführung. "Dieses Artefakt steht für mich symbolisch für einen gewissen Umgang in Österreich: Es wurde kaschiert, aber nicht entfernt."
Diese Artefakte oder Fußnoten, wie es Lentos-Direktorin und Co-Kuratorin Hemma Schmutz beschrieb, sollen "ins Thema einführen", die gezeigten Kunstwerke also ergänzen. So finden sich beispielsweise neben Plakaten zu Filmen, denen eine erotische Aufladung des Faschismus eigen ist, beispielsweise Coverartworks der slowenischen Gruppe Laibach, die mit einer totalitären Ästhetik kokettieren und sie mittels popkulturellen Zuschnitts unterwandern. Henrike Naumann wiederum spielt mit einem zur Waffe umfunktionierten Marcel-Breuer-Stuhl auf die Prepper-Szene, die sich auf den Zusammenbruch der Gesellschaft vorbereitet, an.
Gleich mehrere Anknüpfungspunkte bietet Franz Kapfers Arbeit "Idealisten-Heim": Die im Ausstellungsraum aufgestellte Holzhütte erinnert laut Proschek an jene des US-Terroristen Ted Kaczynski, evoziert aber auch die Vorstellung, dass "etwas im Geheimen passiert". In dem kleinen Holzverschlag finden sich dann Objekte, Waffen und Devotionalien der türkischen Grauen Wölfe. Dennis Rudolphs altmeisterlich gestalteter Bildzyklus veranschaulicht in strenger Schwarz-weiß-Optik wiederum den Zusammenbruch eines fiktiven totalitären Reiches. "Ein kultureller Hybrid", so Proschek.
Weitere Positionen setzen sich mit dem NS-Körperkult auseinander (Erez Israeli) oder fördern ungekannte Seiten von Wehrmachtssoldaten, die sich in Privataufnahmen als Crossdresser zeigen, zutage (Martin Dammann). Die verschiedenen aktuellen Strömungen von rechten Gruppierungen in Europa greift hingegen Christina Werner in ihrer Arbeit "Neues Europa" auf. Indirekt sind auch die vielfach von rechten Gruppen unterwanderten Corona-Demonstrationen Thema, obwohl diese aufgrund der Vorbereitungszeit für die Schau nicht mehr mit konkreten Arbeiten oder Positionen berücksichtigt werden konnten, wie Schmutz auf Nachfrage erläuterte.
Die Direktorin zeigte sich außerdem mit dem Besuch ihres Hauses seit der Wiedereröffnung vor einigen Wochen durchaus zufrieden. "Was fehlt, sind natürlich die Veranstaltungen", unterstrich Schmutz. "Da fällt dann auch ein bestimmter Prozentsatz an Besuchern weg, die in Gruppen kommen, was uns extrem leidtut." Einen Ausgleich versuche man mit digitalen Formaten, in dem das Lentos "die Vermittlungsebene ins Netz" transportiert. So auch für "Transformation und Wiederkehr", das mittels Podcast oder Webinar aufbereitet wird.
Zudem gestalten Lentos und Nordico seit November federführend das EU-Projekt MemAct! (Memory, Agency and the Act of Civic Responsibility), bei dem "neue Methoden für die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Museen, Gedenkstätten und Schulen" erarbeitet werden sollen, wie es in der Beschreibung heißt. Die Auftaktkonferenz dazu soll am 20. und 21. April als Online-Veranstaltung stattfinden.
(S E R V I C E - Ausstellung "Transformation und Wiederkehr. Radikale Nationalismen im Spiegel der zeitgenössischen Kunst" von 24. März bis 6. Juni im Lentos Kunstmuseum, Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz. Di-So von 10-18 Uhr, Do von 10-19 Uhr, www.lentos.at; weitere Infos zum Projekt MemAct!: http://memact.at/blog/)
Zusammenfassung
- Mit dem Wiedererstarken von radikalen nationalistischen Tendenzen setzt sich das Linzer Lentos in der neuen Schau "Transformation und Wiederkehr" auseinander.
- Neben ganz offensichtlichen Bezügen zu Identitären oder Grauen Wölfen bieten die Arbeiten der insgesamt 14 Künstlerinnen und Künstler aber auch um die Ecke gedachte Ansätze, die zur persönlichen Reflexion einladen.
- "Ein kultureller Hybrid", so Proschek.