Lateinamerikanischer Künstler Rubén Blades wird 75
Rubén Blades' berühmtester Song, "Pedro Navaja", ist heute nicht nur in Lateinamerika Kult. Doch als das von der Figur Mackie Messer aus Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" inspirierte Stück 1978 herauskam, wollte es kaum ein Radiosender spielen: Es klang eher wie eine gesungene Kurzgeschichte, taugte nicht wirklich zum Tanzen und sprengte mit mehr als sieben Minuten Länge das Schema der stets von Werbeblöcken unterbrochenen Hörfunk-Programme.
Auch beim berühmten Salsa-Label Fania Records kam der Song um einen Gangster, eine Prostituierte und einen Betrunkenen nicht gut an, erinnerte sich Blades vor Jahren auf einer Konferenz mit jungen Musikern. "Sie sagten mir dort, ich sei verrückt. Das Lied sei eine Katastrophe, und niemand werde die Platte kaufen", sagte der aus Panama stammende Musiker, der mit seiner Frau - der Sängerin Luba Mason - in New York lebt. Doch die Plattenbosse sollten sich irren: Das Stück wurde - auch in Clubs - ein Riesenhit, und das dazugehörige Album, "Siembra", zu der bis heute bestverkauften Salsa-Platte aus dem Hause Fania.
Es war das zweite von damals insgesamt fünf gemeinsamen Alben mit dem in der New Yorker Bronx geborenen Posaunisten und Produzenten Willie Colón, dessen Familie aus Puerto Rico stammte. Viele dieser Titel, etwa "Pablo Pueblo", "Plantación Adentro", "Plástico" oder "Tiburón", stechen durch ihre sozialkritischen Texte hervor. Die beiden kongenialen Partner zerstritten sich später über Vertragsfragen, doch ihre Platten wurden zu Klassikern. Blades, der gerade durch Lateinamerika, Spanien und die USA tourt, ist seither als "der Poet der Salsa" bekannt. Der kolumbianische Literatur-Nobelpreisträger Gabriel García Márquez (1927-2014), von dem er einige Texte vertonte, nannte ihn einen "Geschichten-Sänger" (cantador de historias).
Dass es so weit kam, hat er nicht nur seinem Talent, sondern auch etwas Glück zu verdanken. Blades stammt aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war Percussionist und Basketballspieler, seine Mutter wirkte in Hörfunkserien mit und spielte Klavier. Seine Großmutter weckte in ihm den kritischen Geist, wie er dem Magazin "Rolling Stone" erzählte. Auf seine Frage, ob sie arm seien, habe sie einst geantwortet: "Wir sind nicht arm, wir haben bloß kein Geld. Ein Idiot kann im Lotto gewinnen und ist dann reich, aber er ist trotzdem weiterhin arm, denn er hat nur Geld. Wirklich arm ist der, der keinen Verstand und kein Bewusstsein hat."
Die Musik war für Blades zunächst nur ein Hobby. Zwar spielte er Gitarre und komponierte (den Hit "Pablo Pueblo" schrieb er mit 17), doch er studierte Rechts- und Politikwissenschaft, später machte er einen Master in Jura an der Harvard-Universität. "Ich wollte Anwalt werden, weil ich eine gerechtere Gesellschaft schaffen wollte", sagte er der kolumbianischen Zeitung "El Heraldo". Unter der Diktatur von General Omar Torrijos (1968-1981) emigrierten zunächst seine Eltern und dann auch er 1973/74 aus Panama in die USA.
Dort versuchte er beim Fania-Label sein Glück als Musiker, doch er bekam nur einen Job in der Poststelle. Pro Woche gab es 125 Dollar, wie er der spanischen Zeitung "El País" sagte. Seine Chance kam, als der Sänger der Band des berühmten Perkussionisten Ray Barretto ausfiel und dieser Blades anbot, einzuspringen. Bei seinem ersten Konzert im Madison Square Garden war er so nervös, dass er Teile des Textes vergaß. Schon damals kam ihm sein Improvisationstalent zugute.
Seit 1983 spielt Blades mit eigenen Bands, seit 2010 mit Roberto Delgado & Orquesta aus Panama. Mit ihr holte er mehrere seiner bisher 22 Grammys und Latin Grammys und nahm einige seiner 25 Alben auf. Zudem arbeitete er in weiteren Projekten mit Musikern wie Sting, Lou Reed, Elvis Costello, Paul Simon oder Michael Jackson zusammen.
Darüber hinaus ist Blades als Schauspieler sehr gefragt. An der Seite von Stars wie Robert De Niro, Penélope Cruz, Brad Pitt, Denzel Washington, Harrison Ford, Whoopi Goldberg oder Robert Redford wirkte er in 45 Filmen und Serien mit. Zuletzt war er als ehemaliger Geheimagent und Killer Daniel Salazar in acht Staffeln der Horrorserie "Fear the Walking Dead" zu sehen. An der Schauspielerei gefalle ihm, dass er, anders als am Mikrofon, nicht die Kontrolle über das Projekt habe, sagte er.
Auch in der Politik war Blades aktiv. Bei der Präsidentenwahl 1994 in Panama landete er auf dem dritten Platz, von 2004 bis 2009 war er Tourismusminister. Noch heute nimmt er in sozialen Medien kritisch Stellung zu aktuellen Themen, etwa der Korruption in seiner Heimat.
Eigentlich habe er sich längst zur Ruhe setzen wollen, sagte er kürzlich der kolumbianischen Zeitung "El País". Doch die jüngsten Grammy-Preise 2022 und 2021 und die Reaktion des Publikums bei seiner gerade laufenden Tournee hätten ihn umgestimmt: "Da waren viele junge Leute und sangen die Lieder mit, die wir herausgebracht haben, als sie noch gar nicht geboren waren." So soll demnächst eine Sonder-Edition zum 45. Jubiläum von "Siembra" mit dem Hit "Pedro Navaja" erscheinen. Außerdem schreibt Blades an seinen Memoiren.
Zusammenfassung
- Rubén Blades gehört zu den ganz Großen der Salsa-Musik und des Latin Jazz, tourt auch im hohen Alter noch und heimst weiter Preise ein.
- Er zählt zu den einflussreichsten Künstlern Lateinamerikas.
- Zwar spielte er Gitarre und komponierte, doch er studierte Rechts- und Politikwissenschaft, später machte er einen Master in Jura an der Harvard-Universität.
- Seit 1983 spielt Blades mit eigenen Bands, seit 2010 mit Roberto Delgado & Orquesta aus Panama.