APA/APA / Salzburger Festspiele/Marco Borrelli

Konzertante "Indianerkönigin" als Sinnesreise in Salzburg

Bei den Salzburger Festspielen gibt es in diesem Jahr drei konzertante Opern. Mit der ersten, Henry Purcells "The Indian Queen", zeigten Regisseur Peter Sellars und Dirigent Teodor Currentzis am Montagabend eine gemeinsame Bearbeitung, die keine Szene brauchte, um in der Felsenreitschule nachhaltig eindrucksvoll zu sein und das Publikum von den Stühlen zu reißen.

Die Bearbeitung der letzten, unvollendeten Oper des Komponisten entstand bereits 2013. Sellars und Currentzis haben das 50-minütigen Fragment zu einer über dreistündigen Sinnesreise ausgebaut, für die sie geistliche und weltliche Vokalwerke von Purcell ergänzt sowie einen modernen Text der nicaraguanischen Autorin Rosario Aguilar zugrunde gelegt haben.

Purcells Oper handelt eigentlich von einem Fantasie-Krieg zwischen Azteken und Inkas, was Sellars laut Programmheft allerdings eine zu "banale Handlung" war, weshalb er sich entschied, Aguilars 1992 erschienenes Buch "Das weiße Mädchen und die Vögel ohne Füße" heranzuziehen, das vom Aufeinandertreffen zwischen spanischen Eroberern und Mayas handelt und zwei Frauenfiguren ins Zentrum des Geschehens stellt. Diesen Frauen, die titelgebende "Indianerkönigin" und die Ehefrau des Gouverneurs, dem die Häuptlingstochter gegeben wird, lieh Schauspielerin Amira Casar mit unglaublicher Vielseitigkeit und Eindrücklichkeit ihre Sprechstimme und spürte abwechselnd zwei Persönlichkeiten hinterher, die zwischen Stolz und Zerbrechlichkeit wandelten.

Gesungen wurden diese beiden Rollen von Rachel Redmond und Jeanine De Bique. Vor allem De Bique berührte dabei treffsicher, warm und auch im Leisen. Ganz im Gegenteil und nur so strotzend vor Gewaltbereitschaft zeigten sich im intensiven Duett Jarrett Ott und Julian Pregardien als Spanier, die nichts als die Eroberung der Eingeborenen zu kümmern schien. Auch die Nebenrollen, allen voran Sopranist Dennis Orellana mit seiner unglaublich präzise geführten Leichtigkeit, waren nicht weniger ausdrucksstark besetzt.

Hier nur von einer konzertanten Aufführung zu sprechen, würde dem Sinnesspektakel nicht gerecht werden. Anstelle von Bühnenbildern ließ Sellars Licht und Formation der Handelnden sprechen, tauchte die Naturkulisse der Felsenreitschule mal in bedrohliches Rot, mal in warme Gelbtöne, die stets den angedeuteten Handlungen der Sänger folgten. Eine treffende Umsetzung des erzählerischen Fokus auf die weibliche Sichtweise des Erzählten. Mit ebenso großem Einfühlvermögen führte Teodor Currentzis seine Musiker und den dynamisch exzellent präzisierenden Utopia Choir, der wie das Utopia Orchestra fast überwiegend im Stehen musizierte. Auch wenn Currentzis' sehr körperlich zugewandtes Dirigat im ersten Moment fordernd erschien, so nahm er doch durchgehend die Position des aufmerksam musizierenden Unterstützers ein. Am Ende dieser intensiven Sinnesreise saß das Publikum nicht lange applaudierend auf den Stühlen, ehe es sich zu geschlossenen stehenden Ovationen erhob und nicht nur dem sichtlich ergriffenen Peter Sellars minutenlang zujubelte.

(S E R V I C E - Henry Purcell: "The Indian Queen", Semi-Oper in einem Prolog und fünf Akten in einer Fassung von Peter Sellars. Felsenreitschule Salzburg. Musikalische Leitung: Teodor Currentzis. Jeanine De Bique: Teculihuatzin/Dona Luisa, Julian Pregardien: Don Pedrarias Davila, Rachel Redmond: Dona Isabel, Jarrett Ott: Don Pedro de Alvarado, Dennis Orellana: Hunahpu, Andrey Nemzer: Ixbalanque, Nicholas Newton: Maya-Schamane. Utopia Orchestra, Utopia Choir. Eine weitere Aufführung am 2. August. www.salzburgerfestspiele.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Bei den Salzburger Festspielen gibt es in diesem Jahr drei konzertante Opern.
  • Die Bearbeitung der letzten, unvollendeten Oper des Komponisten entstand bereits 2013.