Frankfurter Buchmesse feiert Jubiläum mit Sorgen und Rushdie
Bei den Themen, die die Branche in diesem Jahr besonders umtreibt, steht KI (Künstliche Intelligenz) ganz oben. Stereotype Liebesromane könne eine Maschine genauso gut schreiben wie ein Mensch, sagt Buchmessen-Direktor Juergen Boos. Schon heute würden dafür Schreibprogramme eingesetzt. "Früher war das Science Fiction, jetzt ist es wirklich da." Problematischer findet Boos mögliche Folgen für Übersetzer. Bisher werde KI vor allem bei Sachtexten wie Gebrauchsanleitungen eingesetzt. Für Literaturübersetzungen glaubt Boos noch an die Überlegenheit des Menschen. "Die Maschine ist nicht originär. Sie guckt nach hinten, nimmt das, was da ist, stellt es vielleicht in einen neuen Zusammenhang, aber sie kann nichts Neues kreieren." Ungeklärt ist die "Grauzone" im Urheberrecht. Wem gehören die Rechte an einem maschinell entstandenen Text? Und wie steht es um die Rechte an den Texten, auf die die KI zurückgegriffen hat? "Da haben wie ein Riesenthema - und da geht es um richtig viel Geld", sagt Boos.
Auch Generationenfragen stehen an: "Die alten weißen Männer und Frauen unserer Branche sind verunsichert", sagt Boos. Sie fühlten sich herausgefordert von einer jungen, lauten Generation, die einen anderen Blick auf gesellschaftliche Themen hätte. In den Fachforen könnte viel gestritten werden, zum Beispiel über die Frage, ob Verlage sogenannte Sensitivity Reader brauchen, um kritische Stellen in Texten zu entschärfen. Die Buchmesse sei der richtige Ort, um darüber zu verhandeln, so Boos. "Wir müssen voneinander lernen. Wir wollen miteinander ins Geschäft kommen."
Bekanntester Gast auf der Buchmesse ist der britisch-indische Autor Salman Rushdie, der nach jahrelanger Verfolgung durch islamische Extremisten 2022 bei einem Attentat schwer verletzt wurde. Er erhält zum Abschluss der Messe am 22. Oktober den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Gastland ist das kleine, literarisch weitgehend unentdeckte Slowenien. Für den Eröffnungsfestakt am 17. Oktober hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt.
Die Ticketverkäufe lagen nach Angaben der Messeverantwortlichen schon zwei Wochen vor dem Start über denen von 2019. Damals waren mehr als 300.000 Besucher nach Frankfurt gekommen. Auch die Zahl der Aussteller hat erneut um zehn Prozent zugelegt. Im vergangenen Jahr waren es rund 4.000 aus knapp 100 Ländern gewesen. Es werde "rappelvoll", versichert Boos. "Die internationalen Gäste sind zurück." Indien und China seien so stark vertreten wie noch nie. Rechte Verlage - die in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand erbitterter Debatten waren - bleiben laut Messe weitgehend fern.
Neu ist unter anderem ein "Meet the Author"-Areal, in dem man vorab einen Termin buchen kann für Autogramme oder Selfies, und ein spezielles Angebot für Familien unter dem Namen "Frankfurt Kids Festival". Ein Aussteller, der im vergangenen Jahr zum ersten Mal nach Frankfurt gekommen war, bekommt 2023 eine noch größere Bühne: das Videoportal Tiktok und seine "Booktok"-Community. "Tiktok ist ein wichtiges Absatzinstrument für die gesamte Buchbranche geworden", sagt der Buchmesse-Direktor. Der Kanal ziele nicht nur auf die Leser, sondern biete sich der Buchbranche auch als Dienstleister an.
(S E R V I C E - https://www.buchmesse.de)
Zusammenfassung
- Es ist die 75. Ausgabe in der Nachkriegszeit, eigentlich reicht die Tradition aber zurück bis ins Mittelalter.
- Er erhält zum Abschluss der Messe am 22. Oktober den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
- Im vergangenen Jahr waren es rund 4.000 aus knapp 100 Ländern gewesen.
- Ein Aussteller, der im vergangenen Jahr zum ersten Mal nach Frankfurt gekommen war, bekommt 2023 eine noch größere Bühne: das Videoportal Tiktok und seine "Booktok"-Community.