APA/APA / Festspielhaus St. Pölten/Gerd Schneider

Exzessive "Sonne": Doris Uhlich im Festspielhaus St. Pölten

Tanzprojekte von und mit Doris Uhlich zeitigen meistens außergewöhnliche Ergebnisse durch die Besonderheit der Mitwirkenden und der Inhalte. Die Uraufführung der Produktion "Sonne" im Festspielhaus St. Pölten kam als exzessive, bisweilen exhibitionistisch anmutende Performance, die in einem ekstatischen Finale gipfelte, über die Rampe. Teils Jubel, teils Irritation.

Zu Beginn ist die Bühne fast finster, ein Clusterklang dröhnt monoton, da löst sich vom Schnürboden eine schemenhafte Gestalt und schwebt herab. Es dauert eine Weile, bis sie sich personalisiert, wie überhaupt an diesem knapp eineinhalbstündigen Abend längerer Atem gefragt ist, um nicht einem Anflug von Langatmigkeit zu erliegen.

Dabei setzt Uhlich eine Reihe von mehr oder weniger spektakulären Aktionen, stakst nabelfrei in orange-gelben Moonboots über die Bühne, die sie später in dichte Nebelschwaden hüllt, persifliert Sonnengott-Gehabe mit einer blonden Bartperücke, schreit sich die Seele aus dem Leib und verblüfft das Publikum schließlich mit einem splitternackten Furioso. Und dann gibt es noch das Mädchen (Romy Nagl), das als ballspielendes Kind auftritt und zunächst naive Kinderlieder und später Zitate von Uhlich rezitiert, darunter: "Als Kind habe ich die Wolken, die aus den Fabriken kamen, zum Teil schöner empfunden als echte Wolken."

Spätestens dann wird klar: Es geht um die Klimakrise, aber nicht nur. In einem im Programmheft abgedruckten Interview erklärt Uhlich, mit welchen Quellen sie gearbeitet hat. Und da reicht das Repertoire von Science-Fiction über Lars von Trier bis zu Sonnendarstellungen in Physik, Kulturgeschichte, Mythologie und bildender Kunst. Musikalisch erklingen popkulturelle Referenzen von Madonnas "Lucky Star" bis zu "Letztes Biest am Himmel" von Blixa Bargeld. Nicht alle Anspielungen und Querverweise sind direkt nachvollziehbar. Aber es bleiben auch ganz unmittelbare Passagen in Erinnerung, etwa wenn Frau und Kind einander lange gegenüber sitzen, einander wortlos betrachten.

"Sonne" ist eine Koproduktion von Festspielhaus, Volkstheater Wien und Theater Rampe Stuttgart. Für 2024 wird zudem eine Extended Version am Tiroler Landestheater angekündigt. Die Uraufführung in St. Pölten fand im Rahmen einer dreitägigen Präsentation der Choreographic Platform Austria (CPA) statt, in der sich brut Wien, Tanzquartier Wien, Festspielhaus St. Pölten, ImPulsTanz, Osterfestival Tirol und SZENE Salzburg zusammengeschlossen haben.

(S E R V I C E - www.festspielhaus.at, www.dorisuhlich.at, choreographic-platform.at)


ribbon Zusammenfassung
  • Tanzprojekte von und mit Doris Uhlich zeitigen meistens außergewöhnliche Ergebnisse durch die Besonderheit der Mitwirkenden und der Inhalte.
  • Die Uraufführung der Produktion "Sonne" im Festspielhaus St. Pölten kam als exzessive, bisweilen exhibitionistisch anmutende Performance, die in einem ekstatischen Finale gipfelte, über die Rampe.
  • "Sonne" ist eine Koproduktion von Festspielhaus, Volkstheater Wien und Theater Rampe Stuttgart.