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Erfolgsregisseur Radu Jude: "Jeder Film ist ein Kampf"

Radu Jude ist einer der spannendsten Regisseure der Stunde. Nach einem Goldenen Bären bei der Berlinale für "Bad Luck Banging or Loony Porn" heimste der rumänische Regisseur für sein neues Werk "Nu astepta prea mult de la sfarsitul lumii" in Locarno den Jury-Spezialpreis ein. Im Rahmen der 61. Viennale fand er sich am Sonntagabend in der Festivalzentrale im Museumsquartier für ein Gespräch über seinen "Bukarester Baustil" und das Schreiben von Drehbüchern ein.

Normalerweise sei bei derartigen Gesprächen lediglich ein überschaubares Grüppchen anwesend, zeigte sich Jude über die rund 100 anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörern erfreut - auch wenn es ihn etwas nervös mache. Nervös mache ihn auch die Finanzierung von Filmen, die viel Zeit in Anspruch nehme. Der Moment, wenn diese schließlich für ein Projekt gesichert ist, sei "sehr erfreulich, aber auch schrecklich", so Jude. Denn das Drehbuch sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig, aber gleichzeitig die Gewissheit da, den Film nun auch über die Bühne bringen zu müssen.

"Ich habe keine klare Vision von dem, was ich tue. Jedes Projekt ist ein bisschen ein Kampf. Ich weiß nie im Voraus, dass ich es schaffen werde", sagte Jude. Da er vom Filmemachen lebe, müsse er aber regelmäßig liefern. "Ich kann nicht einfach auf Inspiration warten", schmunzelte er. Wenn ihm jemand ein Angebot für einen Film mache, nehme er dieses auch an - solange er einen gewissen kreativen Spielraum bei der Realisierung habe. In der Vergangenheit habe er daher auch viele Werbefilme oder auch Filme für Unternehmen gedreht, so der Mittvierziger.

Sein Stil werde von Texten, Bildern oder auch Trends beeinflusst, die ihm im Alltag unterkommen. Oft seien es kleine, lächerliche, kitschige oder sehr skurrile Dinge, die normalerweise wieder schnell vergessen wären - etwa ein erboster, öffentlich ausgehängter Brief an einen Mann, der zwar in seiner Wohnung, aber gut sichtbar für andere masturbiert, oder der Trend, den eigenen Hintern in den sozialen Netzwerken herzuzeigen. All das sammelt der gebürtige Bukarester und sichtet es immer wieder im Zuge seiner Arbeit.

In "Nu astepta prea mult de la sfarsitul lumii" (Do not expect too much from the end of the world) nahm er aber nicht nur kleine Alltagssichtungen, sondern auch mehrere Sequenzen des Films "Angela merge mai departe" aus 1981 von Lucian Bratu auf. Der Streifen zeigt wie auch sein Film eine Frau, die beruflich viel mit dem Auto unterwegs ist. Die mittlerweile gealterte Hauptfigur aus Bratus Film hebt Jude gar in seinen Film. Er mochte "Angela merge mai departe", weil das Werk sehr "subversiv" sei und die Zensur der damaligen kommunistischen Regierung in Details umging, erklärte der Regisseur. Manche dieser subversiven Elemente inkludierte Jude in Zeitlupe in seinen Film, um sie für das Publikum besser analysierbar zu machen.

Aber damit nicht genug, zog Jude eine dritte Ebene ein, indem er seine Hauptfigur in "Nu astepta prea mult de la sfarsitul lumii" äußerst obszöne Kurzvideos anfertigen lässt, in denen sie sich als Mann ausgibt und über sexuelle Errungenschaften oft gepaart mit der Erniedrigung von Frauen spricht. Für die meisten sei das klar als Überspitzung zu erkennen, um die Lächerlichkeit eines solchen Verhaltens aufzuzeigen. "Aber klar ist das auch gefährlich", so Jude. Schließlich würden neben manchen Zuschauern auch so manche Investoren das für bare Münze nehmen und deshalb abspringen. Womit man wieder beim Problem, einen Film zu finanzieren, angelangt sei.

(S E R V I C E - www.viennale.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Nach einem Goldenen Bären bei der Berlinale für "Bad Luck Banging or Loony Porn" heimste der rumänische Regisseur für sein neues Werk "Nu astepta prea mult de la sfarsitul lumii" in Locarno den Jury-Spezialpreis ein.
  • Im Rahmen der 61. Viennale fand er sich am Sonntagabend in der Festivalzentrale im Museumsquartier für ein Gespräch über seinen "Bukarester Baustil" und das Schreiben von Drehbüchern ein.
  • "Aber klar ist das auch gefährlich", so Jude.