Ein braves "Echtzeitalter" in Graz
In seinem Roman begleitet Schachinger den heranwachsenden Till Kokorda auf seiner Reise durch die Schulzeit in einem Wiener Elite-Gymnasium. In einer klassischen Coming-of-Age-Geschichte begegnet er dabei sämtlichen pubertätsspezifischen Herausforderungen vom bösartigen Lehrer über die überforderte Mutter, einem vorzeitig verstorbenen Vater bis hin zur ersten Liebe. Die Jury überzeugte an dem Buch die gelungene Mischung aus klassischem Schulroman und feinsinniger Gesellschaftsschilderung, die im fanatischen Computerspielhobby des Romanhelden ihre zeittypische Verankerung erhält.
Im Vorankündigungstext war eine "medienübergreifende Inszenierung von Puppenspiel bis Computergame" versprochen worden. Wer sich daraufhin ein Feuerwerk an hybriden Präsentationsformen im Stil des Theatermachers Franz von Strolchen erwartet hat, wurde allerdings enttäuscht. Ja: die Bühne ist ein dreidimensionaler Bildschirm, die sowohl vorne als auch im Hintergrund immer wieder zur Projektionsfläche für das in der Handlung zentrale Computerspiel "Age of Empire 2" wird. Und Ja: das Puppenspiel kommt auch nicht zu kurz. Die Lehrer, allen voran Bösewicht Dolinar, werden ausschließlich von Klappmaulpuppen, beziehungsweise -köpfen dargestellt. Alle Szenen, die zuhause bei Tills Familie spielen, finden in einem Miniaturkinderzimmer im vorderen Bühnenteil statt, in dem ebenfalls von den Schauspielern gesteuerte und gesprochene Puppen die Rollen übernehmen.
Insgesamt bleibt die Inszenierung aber konventionell und brav. Dicht am - nicht umsonst hochgelobten - Text und an der Dramaturgie der Romanvorlage ergibt sich eine flüssige Revue aus Schlüsselmomenten des Romans. Dominik Puhl verleiht der Hauptrolle stilechten Blockbuster-Teenie-Charme, Otiti Engelhardt macht aus der selbstbewussten Feli weit mehr als nur Tills Love Interest. Extrapunkte gibt es für Paul Graf, der die Puppe des Erzfeind-Lehrers Dolinar gekonnt und voll trockener Dämonie zum Leben erweckt.
Bühne, Technik und Licht sind, wie es sich für eine hoch subventionierte Institution schließlich auch gehört, vom Feinsten. Der Applaus des Premierenpublikums fiel nach fast zwei Stunden Bühnenerlebnis nachdrücklich, aber relativ kurz aus. Es ging sich aber immerhin aus, am Ende auch Autor Schachinger nach einigem Zögern auf die Bühne zu holen.
Unter dem Strich muss man sich die Frage stellen, ob man einerseits aus dem Roman im Theater nicht doch etwas mehr hätte machen können. Das Grazer Theater Quadrat exerzierte im Herbst mit dem zur fulminanten One-Woman-Show umgebauten "Blutbuch" von Kim de l'Horizon" vor, was man - im übrigen mit einfachsten Mitteln - aus einem Deutscher-Buchpreis-Gewinnertext auf der Bühne machen kann. Andererseits kann man sich fragen, ob sich wirklich jeder gelungene Gegenwartsroman auch tatsächlich für die Bühne eignet. Insofern darf man gespannt sein, was das Wiener Theater im Zentrum ab Mitte Jänner aus "Echtzeitalter" machen wird.
(Von Andreas Stangl/APA)
(S E R V I C E - "Echtzeitalter" nach dem Roman von Tonio Schachinger. Regie: Timon Jansen, F. Wiesel (Jost von Harleßem, Hanke Wilsmann), Bühne: Hannah von Eiff, Jost von Harleßem, Kostüme: Hannah von Eiff. Besetzung: Till - Dominik Puhl, Feli - Otiti Engelhardt, Fina - Anna Klimovitskaya, Amir - Mervan Ürkmez, Palffy & Dolinar - Paul Graf, Schulwart - Oliver Chomik. Schauspielhaus Graz. Nächste Vorstellungen am 10.,11.,12.,18. und 20. Dezember sowie am 18.,23. und 29. Jänner 2025. https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com/produktion/echtzeitalter/ )
Zusammenfassung
- Die Bühnenadaption von Tonio Schachingers Roman 'Echtzeitalter' feierte am Freitag in Graz Premiere und wurde mit Spannung erwartet.
- Trotz der Ankündigung einer medienübergreifenden Inszenierung blieb die Aufführung konventionell, mit Puppenspiel und Projektionen des Computerspiels 'Age of Empire 2'.
- Der Applaus nach fast zwei Stunden war verhalten, und es wurde die Frage aufgeworfen, ob man mehr aus der Romanvorlage hätte machen können.