Dem Verfall zum Trotz: Rainald Grebes "Foreveryoungkonzert"
Gleich zu Beginn spricht Grebe, mit schwarzem T-Shirt, weißer Trainingsjacke und fetter Goldkette ausgestattet, Klartext. Die letzten Jahre waren für den gebürtigen Kölner, der mit seiner Kapelle der Versöhnung kleine Hits wie "Brandenburg" schuf, kein Honiglecken. Er leide an einer unheilbaren Gefäßkrankheit, die Schlaganfälle am laufenden Band auslösten. Auf einer Videowand zeigt er Fotos eines Rollators - "Kassenmodell". Man sieht, wie er sich Löcher in den Kopf bohren lässt. Über dem Herzen trage er einen "Stromkasten", die Berliner Charité sei inzwischen sein Kiez, als Sexualpartner sei er abgeschrieben. Und dann lässt der 53-Jährige auch noch seine eigene Parte einblenden. Der Tod ist an diesem Abend immer ein wenig als stummer Schatten neben dem Scheinwerferkegel spürbar. Oder doch nicht? Denn nie kann man sich richtig sicher sein, was auf der Bühne gerade Grebe ist und was seine Figur.
Was jedenfalls folgt, ist ein fast trotziges Aufbäumen gegen die Zumutungen des eigenen Körpers. Grebe, der vor einigen Jahren tatsächlich erst wieder gehen, sprechen und Klavierspielen lernen musste, will zurückkommen ins Leben - jünger, frischer, gesünder. In teils wild-vitalem Furor dekliniert er - mal am Flügel singend, mal im Gespräch mit seinem nur im Off hörbaren Techniker Franz - die Versprechungen und Diktate der Forever-Young-Industrie durch: Kältekammer, Schneckenschleim, Abnehmen im Liegen, Achtsamkeit und immer brav Wasser trinken.
Und da ist gleichzeitig der herablassende Grant eines Mittfünfzigers, der immer noch Auto fährt und Fleisch isst - "Gewohnheit ist stärker als Erkenntnis" -, auf die wahre Jugend. "Meine Sprache ist geprägt von Martin Luther / und meiner Mutter / und von Brecht. / Deine eher necht (sic!).", echauffiert sich Grebe in die Tasten hauend über ein Vokabular, das außer "mega" und "gringe" vermeintlich nicht viel aufzubieten hat. Der eigene Slang damals - "knorke", "krass", "geil" - war da schon um Klassen besser. Sowieso. "Marvin, don't forget. / Ich bin X und du bist Z." So schaut's aus.
Das alles ist teils bitterböse, teils melancholisch, fast immer komisch bis irrwitzig. Grebe singt über das "Bermudadreieck des Lebens" zwischen 40 und 60 und trauert einem Deutschland vor der "rechten Welle" nach - und lässt wie nebenbei Sätze fallen, die ob ihrer Treffsicherheit weh tun: "Die Rechten hatten Hunger, die Linken waren satt." Und dann ist da gegen Ende auch ein Song, der ganz ohne Ironie, ohne Bissigkeit auskommt: die Vorstellung des Künstlers von seinem letzten Tag.
Wenn ein Programm "Das Foreveryoungkonzert" heißt, dann ist der Klassiker von Alphaville freilich um die Ecke. Grebe, schon abgegangen von der Bühne, lässt ihn als Abspann aus der Konserve einspielen. Dazu laufen auf der Videowand Privatfotos aus besseren Tagen ab. Ein Rausschmeißer voller Wehmut über eine längst vergangene Zeit der Unbeschwertheit.
(Von Thomas Rieder/APA)
(S E R V I C E - https://rainald-grebe.de/)
Zusammenfassung
- Der 53-jährige Musiker Rainald Grebe trotzt seinen durch eine Gefäßkrankheit verursachten Schlaganfällen mit dem 'Foreveryoungkonzert' in Wien.
- Mit Humor und Selbstironie setzt Grebe sich mit der Forever-Young-Industrie und dem Altern auseinander, thematisiert seine Krankheit und kritisiert gesellschaftliche Entwicklungen.
- Der Abend endet emotional mit dem Alphaville-Hit 'Forever Young' und einer Diashow privater Fotos, die Wehmut über vergangene unbeschwerte Zeiten aufkommen lassen.