Das Serapions Ensemble schlägt im Odeon einen "Salto Vitale"
Das Serapions Theater wurde 1973 von Ulrike Kaufmann (1953-2014) und Erwin Piplits gegründet. Der 83-jährige ehemalige Prinzipal trat gestern nur noch als Blumenverteiler zum Schlussapplaus auf. Sein Sohn Max Kaufmann hat die künstlerische Leitung übernommen und zeichnet gemeinsam mit Mario Mattiazzo auch für die "Spielleitung" des gestrigen Abends, der den Geist der legendären Aufbruchsjahre heraufbeschwören sollte, verantwortlich.
Schon die Vorgeschichte von "Salto vitale" klingt ziemlich theatral: "Dem oft geäußerten Wunsch nach einer Wiederaufnahme einer vergangenen Serapions Theater Produktion ging das Ensemble nun nach. Auf die Frage, welche Aufführung besonders wünschenswert sei, erzählten Personen aus dem Publikum von ihren Erinnerungen. Doch diese Erinnerungen hatten ihnen einen Streich gespielt. Sie waren meist Mischungen von Szenen unterschiedlichster Stücke, die nie in direktem Zusammenhang standen. Das Wahrhaftigste davon waren die euphorischen Eindrücke von damals." Also habe man "anhand subjektiver Erinnerungen der Mitglieder" eine "szenische Umsetzung wie die Rekonstruktion eines Traumes" erarbeitet, "der bildnerisch auf die Bühne gebracht etwas völlig Neues ergibt."
Bloß: Die Versatzstücke - von Streiflicht, Fließband und Schneefall bis zu Wellen und Wogen, eine Bewegungschoreografie von Tanzen bis zu über die Bühne Laufen und Schlittern - sind alle bekannt. Immer schon waren die Serapions-Abende mehr von Bildern und Tableaus als von Geschichten geprägt. Doch während Erwin Piplits den Produktionen früher wenigstens ein meist ziemlich verstiegen wirkendes dramaturgisches Konzept mitgab (das sich freilich nicht immer einlöste), wird diesmal kein Roter Faden sichtbar. Zehn Spieler repräsentieren Typen wie den Dandy, den Boxer, den Kraftmeier, die Tänzerin oder die Aufreizende, doch gelingt ihnen keine gemeinsame Erzählung. Den Eindruck der Beliebigkeit verstärken noch ständige Musikwechsel, die für Wurlitzer-artige Brüche sorgen.
Schon hat man sich damit abgefunden, dass "die euphorischen Eindrücke von damals" eben nicht künstlich wiederzubeleben sind, wird man doch noch überrascht. Unter den Gipfeln eines wogenden Stoffgebirges werden Stangen sichtbar, auf denen vogelscheuchenartig Kleiderbündel hängen. Aus diesen schälen sich Menschen, die als Mischung aus Vögel im Nest und Akrobaten an der Pole Dance Stange erst allmählich wieder Boden unter den Füßen gewinnen. Doch von dort aus geht es bald erneut in die Luft: Wie das Ensemble zum Schluss aus einer Flughafen-Wartehallen-Szene einen gemeinsamen Flugpionier-Start entwickelt, ist ebenso witzig wie zauberhaft. Nach holprigem Anlauf sorgt dieser Abflug dafür, dass aus dem "Salto vitale" doch keine Bruchlandung wird.
(S E R V I C E - "Salto Vitale", Bühne und Szenario: Max Kaufmann, Spielleitung: Max Kaufmann und Mario Mattiazzo, Serapions Ensemble: Elvis Alieva, Julio Cesar Manfugás Foster, JoséAntonio Rey Garcia, Ana Grigalashvili, Mercedes Miriam Vargas Iribar, Miriam Mercedes Vargas Iribar, Zsuzsanna EniköIszlay, Mario Mattiazzo, Gerwich Rozmyslowski, Sandra Rato da Trindade. Weitere Vorstellungen: 14., 15., 18.-22., 25.-29. April, 1.-3., 6., 8., 9. Mai, Odeon Theater, Wien 2, Taborstraße 10, www.odeon-theater.at)
Zusammenfassung
- Als "Wiederaufnahme einer Inszenierung, die es so nie gab" wurde die neue Produktion des Serapions Theaters angekündigt.
- "Salto vitale" entpuppte sich bei der gestrigen Premiere im Wiener Odeon über weite Strecken des 100-minütigen Abends als Reigen bekannter Bilder - und konnte am Ende doch noch mit Witz und Poesie verzaubern.
- Nach holprigem Anlauf sorgt dieser Abflug dafür, dass aus dem "Salto vitale" doch keine Bruchlandung wird.