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Aktueller Ibsen: Josefstadt zeigt "Stützen der Gesellschaft"

Die "politische Ibsen-Trilogie" von Regisseur David Bösch im Theater in der Josefstadt nimmt Fahrt auf. Ein Jahr nach "Ein Volksfeind" kam gestern zur Saisoneröffnung Henrik Ibsens 1877 veröffentlichtes Schauspiel "Die Stützen der Gesellschaft" zur Premiere. Und erneut wurde schlüssig der Beweis geführt: Die Mechanismen von Wirtschaft und Gesellschaft haben sich nicht gewandelt. Es gibt Gewinner und Verlierer, Leichen, und welche, die über Leichen gehen.

Bösch hat das Stück diesmal selbst bearbeitet und reichert das Portfolio der alten Familienwerft Bernick um ein Immobilienprojekt an, das aus dem Nachhaltigkeitslehrbuch zu stammen scheint. So suggeriert es jedenfalls der gut und suggestiv gemachte Werbeclip, der wie schon bei der verseuchten "Fjord Therme" des "Volksfeinds" auch bei der "Social City", für die Karsten Bernick "all in" gegangen ist, eine wichtige Rolle spielt.

Raphael von Bargen spielt diesen risikoreichen Unternehmer Karsten Bernick, der von sozialer Verantwortung spricht, in der Stunde der Wahrheit jedoch nur eines kennt: lügen, lügen, lügen. Sein Depot moralischer Altlasten stinkt bereits zum Himmel. Wie alle in dem umfangreichen Ensemble ist er ein wenig eindimensional geraten, denn es geht Bösch vor allem darum zu zeigen, dass der "Raubtierkapitalismus" (wie es André Pohl als gewissenhafter Werft-Vorarbeiter, der einen Schrotthaufen binnen 48 Stunden seetüchtig machen soll, nennt) nach wie vor seine scharfen Zähne zeigt. Das ist zwar nicht eben neu, funktioniert aber in diesen zwei pausenlosen Stunden gut. Denn Bösch konzentriert sich im modern-funktionalen Bühnenbild von Patrick Bannwart auf etwas, was heutzutage am Theater Mangelware geworden ist: auf Figuren und ihre Geschichten.

So bekommt man in diesem Gesellschaftsdrama durchaus Gelegenheit darüber nachzusinnen, wie dieser Raubtierkapitalist wurde, was er ist. Man sieht mit Michael König und Marcello De Nardo Mittäter, die alles daransetzen, dass ihnen Spaß und Profit nicht verdorben wird, und eine Menge Frauen (wie Silvia Meisterle, Paula Nocker und Michaela Klamminger), für die die Alternative den lieben langen Tag nur lautet: Kaffee oder Canasta? Für Ibsen galt - trotz "Nora" - noch weitgehend: It's a Man's Man's world. "Schrecklicher Autor!", schimpft Marianne Nentwich in einem prägnanten Kurzauftritt.

Weniger bleibende Eindrücke hinterlassen Oliver Rosskopf und Jakob Elsenwenger, die sich den diktierten Spielregeln auf ihre Weise widersetzen und als Verlierer vom Platz gehen. Und so kann eine vorhersehbare Schiffskatastrophe später Karsten Bernick gleichzeitig eine scheinheilige Trauerrede halten und sich bei seinen Investoren bedanken, die ihm die Stange halten: "In diesem Sinne: Auf zu neuen Ufern!" - Viel Applaus bei der Premiere, bei der es an einer Stelle einen Lacher gab: Als "Buddy Benko" von seinem Geschäftsfreund aus dem Telefonbuch gelöscht wurde: Zuviel schlechte Laune!

(S E R V I C E - Henrik Ibsen: "Die Stützen der Gesellschaft", Deutsch von Gottfried Greiffenhagen und Daniel Karasek, In einer Neufassung von David Bösch, Regie: David Bösch, Bühnenbild: Patrick Bannwart, Kostüme: Moana Stemberger, Musikalische Leitung: Karsten Riedel. Mit: Raphael von Bargen - Karsten Bernick, Silvia Meisterle - Nora, Theodor Machacek/ Paul Eilenberger - Harald, Michaela Klamminger - Solveig, Paula Nocker - Lisa, Oliver Rosskopf - Mats Tonnesen, Maria Köstlinger - Elida Hessel, Jakob Elsenwenger - Olaf, Michael König - Dr. Rummel, Marianne Nentwich - Frau Rummel, Marcello De Nardo - Dr. Schneider, André Pohl - Aune. Theater in der Josefstadt, Nächste Vorstellungen: 8.-10., 16.-18.9., Karten und Info: 01 /42 700-300, www.josefstadt.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Die "politische Ibsen-Trilogie" von Regisseur David Bösch im Theater in der Josefstadt nimmt Fahrt auf.
  • Für Ibsen galt - trotz "Nora" - noch weitgehend: It's a Man's Man's world.