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Warum auch neue Embryomodelle kein Mensch werden können

Kürzlich sorgten Forscher mit der Präsentation von Strukturen aus menschlichen Stammzellen für Aufsehen, die an ein sehr frühes Embryo-Entwicklungsstadium erinnern. In Medienberichten war damals u.a. von "künstlichen Embryonen" die Rede. Jene dystopischen Bilder, die damit erzeugt wurden, entsprechen Wiener Experten zufolge aber nicht der Realität. Ein Mensch könne auch aus den neuen, richtiger als "Embryomodelle" bezeichneten Strukturen niemals werden.

Ihren Ausgang nahm die jüngste Debatte Mitte Juni auf einem Symposium der International Society for Stem Cell Research (ISSCR), der größten wissenschaftlichen Organisation für Stammzellforschung. Dort hatte eine Gruppe um Magdalena Żernicka-Goetz vom California Institute of Technology (USA) über Fortschritte auf dem Gebiet berichtet. Ihre Forschungsgruppe habe ein Embryomodell aus menschlichen pluripotenten Stammzellen entwickelt, das in etwa dem Entwicklungsstand 14 Tage nach der Befruchtung einer Eizelle entspreche.

Das habe auch bei ihm unangenehme Emotionen hervorgerufen, räumte der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Heinz Faßmann, am Montagnachmittag bei einem von der ÖAW organisierten Hintergrundgespräch vor Journalisten ein. Assoziation zu "Menschen aus dem Labor" zerstreute allerdings Jürgen Knoblich, der seit fünf Jahren das Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW interimistisch leitet, aber prompt.

Bei solchen Embryomodellen handelt es sich um einen Ansatz, der bereits seit einigen Jahren von mehreren Forschungsgruppen verfolgt wird. Ziel ist es, ganz frühe Stadien der Entwicklung von Lebewesen anhand einer Art Kugel aus Stammzellen zu erforschen. Eine solche "Blastoide" ist in etwa damit vergleichbar, wie ein Organismus wenige Tage nach der Befruchtung aussieht. Das ist auch das Metier von Nicolas Rivron, der am IMBA mit Embryomodellen arbeitet.

Mit diesen Strukturen lassen sich "manche Aspekte" in dieser frühen Phase "nachbilden", so der Wissenschafter, der auch an der Ausarbeitung der ethischen Richtlinien für derartige Forschung im Rahmen der ISSCR beteiligt war. Rivron untersucht damit, welche Faktoren dazu führen können, dass sich befruchtete Eizellen nicht in der Gebärmutterschleimhaut einnisten. Genau an dieser Stelle scheitert nämlich der Kinderwunsch bei vielen Paaren.

Über diese frühen Probleme sei der Wissenschaft auch heute noch wenig bekannt: "Wir wissen mehr über die Oberfläche des Mars als darüber", sagte Rivron. Vor zwei Jahren konnte der Forscher mit seinem Team im Fachblatt "Nature" ein Modell für die Einnistung menschlicher Embryos entwickeln.

Am IMBA arbeite man mit Embryomodellen, die in etwa dem Stand nach sieben Tagen entsprechen, erklärten die Wissenschafter. Die neuen Modelle - die Gruppe aus den USA und auch ein israelisches Team haben mittlerweile noch nicht von Fachkollegen begutachteten Arbeiten dazu publiziert - seien lediglich eine Verbesserung von solchen Ansätzen, und laut Knoblich ein "Fortschritt", aber wohl nicht nobelpreisverdächtig.

Die Aufmerksamkeit, die ihnen zu Teil wird, stößt den Wiener Experten durchaus sauer auf, da die Teams ohne einsehbare Daten an die breitere Öffentlichkeit gegangen sind. Dazu kamen Probleme in der Kommunikation. Man habe es hier nämlich nicht mit "Embryos" zu tun. "Das ist sehr irreführend", betonte Rivron.

Von einem Embryo würde er nur dann sprechen, wenn der Organismus eine Chance darauf hat, sich zu einem Fötus weiterzuentwickeln, so Knoblich. Das ist bei den Stammzell-Modellen keineswegs der Fall. Innerhalb kürzester Zeit sammeln sich dort nämlich viele Gendefekte an. Noch dazu seien sie nicht annähernd so gut organisiert wie echte Embryonen im Frühstadium.

Dass sich aus so einer Zellstruktur jemals ein Mensch entwickeln könnte, sei zwar in Science Fiction-Szenarien irgendwie denkbar, aber eben extrem unrealistisch. Selbst bei Maus-Embryomodellen, wo die Forschung schon viel weiter ist, sei "noch nie eine Maus d'raus geworden", sagte Knoblich. Bei Menschen wären die Herausforderungen - hier bräuchte es verschiedene Arten von Stammzellen - nochmals deutlich größer. Noch dazu sehe er nicht, warum jemand solche Experimente überhaupt machen sollte. Schon der Versuch würde "Ächtung" in der wissenschaftlichen Gemeinde mit sich bringen. Die Motivation für diese Forschung am IMBA sei es, die Einnistung zu erleichtern, und nicht Menschen zu züchten.

Während Forschung an befruchteten menschlichen Eizellen in den meisten Ländern nach spätestens 14 Tagen abgebrochen werden muss, gebe es auch für die Embryomodell-Forschung strenge Regeln. Diese wurden bereits formuliert, noch bevor die ersten derartigen Ansätze mit menschlichen Stammzellen umgesetzt wurden, betonte Rivron. So gibt es hier eine verpflichtende Begutachtung durch eine Ethikkommission, die Modelle dürfen nur möglichst kurz aufbewahrt und nicht in den Uterus verpflanzt werden. Nicht aber, weil man eine Weiterentwicklung sondern weil man Komplikationen für die Trägerin befürchte. Noch dazu wäre es zutiefst "unethisch", so Rivron.

Für die Vorsitzende der österreichischen Bioethikkommission, Christiane Druml, ist schon alleine durch die hohen Hürden, die im Wissenschaftssystem vor einer Publikation in einem renommierten Fachmagazin zu bewältigen sind, nicht damit zu rechnen, dass es hier zu Missbrauch kommt. Sie habe hier großes Vertrauen in das Wissenschaftssystem. Letzteres nehme die Ablehnung in weiten Teilen der Bevölkerung gegenüber Forschung an Embryonen im frühen Stadium sehr ernst, so Knoblich: Genau darum arbeite man an "ethisch besseren Alternativen".

ribbon Zusammenfassung
  • Kürzlich sorgten Forscher mit der Präsentation von Strukturen aus menschlichen Stammzellen für Aufsehen, die an ein sehr frühes Embryo-Entwicklungsstadium erinnern.
  • In Medienberichten war damals u.a. von "künstlichen Embryonen" die Rede.
  • Das ist auch das Metier von Nicolas Rivron, der am IMBA mit Embryomodellen arbeitet.
  • Die Motivation für diese Forschung am IMBA sei es, die Einnistung zu erleichtern, und nicht Menschen zu züchten.