Waffenverbot in Favoriten: Was bringt's?
Nach mehreren Messerattacken von meist jugendlichen Verdächtigen wird am Wiener Reumannplatz nun eine Waffenverbotszone verhängt. Laut ÖVP-Innenminister Gerhard Karner handelt es sich um einen "ersten Schritt" gegen Jugendkriminalität.
Der Minister ist außerdem für die umstrittene Senkung der Strafmündigkeit und sein Ministerium arbeitet an einem Gesetzesentwurf für ein Waffenverbot in ganz Österreich. Unterstützung dafür bekam er sogar von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).
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Aber warum wird so eine Waffenverbotszone derweil nur am Reumannplatz verhängt, gibt es solche Zonen schon an anderen Orten und was bringen sie überhaupt? PULS 24 mit den wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum gerade der Reumannplatz?
Der Platz in Wien-Favoriten geriet zuletzt vermehrt wegen Jugendkriminalität und mehreren Schwerverletzten nach Messerattacken in den Fokus. Am vergangenen Donnerstag wurde einem Mann im Zuge einer Schlägerei mit einem Messer in den Oberschenkel gestochen.
Drei Tage davor - nach einem Besuch des Innenministers in Favoriten - wurde ein 20-jähriger mit einem Messer attackiert, ein 18-jähirger Syrer festgenommen. Am 17. März traf es einen Grundwehrdiener - er wollte einer Gruppe von Frauen helfen, die belästigt wurden - und wurde schwer verletzt.
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Die Debatte über Jugendkriminalität in Österreich brachte aber vor allem der Fall einer damals 12-Jährigen ins Rollen, die von einer Gruppe junger Burschen mehrfach missbraucht worden sein soll. Auch dieses Verbrechen ereignete sich in Favoriten.
Was bedeutet ein Waffenverbot?
Nun soll eine Waffenverbotszone am Reumannplatz für Sicherheit sorgen. Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) ermöglicht derzeit, dass die Landespolizeidirektionen zeitlich und örtlich beschränkte Waffenverbotszonen verordnen. Sie sind immer für drei Monate gültig und können dann verlängert werden.
In diesen Zonen ist das Tragen von Waffen und gefährlicher Gegenstände - wie etwa zerbrochener Flaschen - verboten. Ausgenommen sind Personen, die Waffen beruflich tragen oder eine entsprechende Bewilligung haben.
In der Verbotszone darf die Polizei bei "dringendem Verdacht" Personen, ihre Kleidung, Taschen und Gefährte auf Waffen durchsuchen, diese beschlagnahmen und bei Verstößen Verwaltungsstrafen verhängen.
Was ist in Österreich eine Waffe?
Das Waffengesetz regelt primär den Umgang mit Schusswaffen. Schusswaffen der Kategorie C - Büchsen mit gezogenem Lauf und Flinten mit glattem Lauf - dürfen ab 18 Jahren gekauft werden. Hier ist keine Waffenbesitzkarte nötig, es gibt nur eine Abkühlphase von drei Tagen zwischen Kauf und Abgabe. Das Mitführen ist in der Regel aber nur Jägern oder Sportschützen erlaubt.
Mit Waffenbesitzkarte und Psychotest sind auch Waffen der Kategorie B erlaubt - etwa Revolver, Pistolen und halbautomatische Schusswaffen. Getragen werden dürfen sie nur mit Waffenpass, den etwa Taxifahrer:innen oder Personenschützer bekommen.
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Bei Messern ist das Recht in Österreich liberaler - ob sie als Waffe zählen, kommt auf den Zweck der Nutzung an. "Waffen sind Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen", heißt es im Gesetz.
Generell verboten sind Hieb- und Stichwaffen, die als andere Gegenstände getarnt sind - etwa in einer Scheckkarte oder einem Gehstock.
Personen unter 18 Jahren, Asylwerber, Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung und Personen, gegen die etwa nach häuslicher Gewalt ein Waffenverbot verhängt wurde, dürfen generell nirgends Waffen tragen.
Wo gibt es bereits Waffenverbotszonen?
In Wien gibt es derzeit nur eine - und zwar seit Februar 2019 am Praterstern und in der angrenzenden Venediger Au. Am Donaukanal galt ein solches Waffenverbot von Februar 2019 bis Februar 2021 an Teilen des Franz-Josefs-Kais, es wurde nicht mehr verlängert - und soll auch nicht mehr kommen: "Für den Donaukanal ist aktuell keine angedacht", so die Wiener Landespolizeidirektion gegenüber PULS 24.
Auch in Innsbruck wurden zwei solche Zonen geschaffen: Die sogenannte Zone Bögen und jene am Südtiroler Platz/Brunecker Straße, die das Bahnhofsviertel umfasst.
Welche anderen Zonen gibt es?
Nicht zu verwechseln ist eine Waffenverbotszone mit der sogenannten Schutzzone, wie es sie etwa am Keplerplatz gibt. Diese ermöglicht es der Polizei, verdächtige Personen des Platzes zu verweisen.
Zudem gilt am Praterstern zusätzlich zum Waffenverbot noch ein Alkoholverbot.
Wie viele Waffen wurden am Praterstern beschlagnahmt?
Wie die Wiener Polizei auf PULS 24 Anfrage mitteilte, wurden zwischen Jänner und November des vergangenen Jahres am Wiener Praterstern 101 Waffen sichergestellt - 85 davon waren Messer. Zahlen für Dezember gibt es noch nicht.
In den Jahren davor waren es deutlich weniger: 2022 waren es etwa 61, 2019 waren es 87 Waffen. Man müsse dabei die Pandemie berücksichtigen, so die Polizei. Die Mehrzahl der sichergestellten Waffen waren immer Messer.
Was bringt eine Waffenverbotszone?
Ob eine Waffenverbotszone den gewünschten Effekt - mehr Sicherheit - bringt, darüber scheiden sich die Geister.
Laut Hannah Reiter vom Wiener Zentrum für sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung (Vicesse) seien Personenkontrollen auch ohne Verbotszonen möglich. Es sei aber davon auszugehen, dass die Polizei in Waffenverbotszonen stärker kontrolliere - und Jugendliche und migrantisch gelesene Menschen noch mehr in den Fokus geraten. "Durch Kriminalisierung wird man sie kaum erreichen", zeigt sie sich skeptisch.
Die Verbotszonen seien in Österreich noch ein recht neues Phänomen - für ihren Nutzen gebe es "keine Evidenz". Es sei aber davon auszugehen, dass sie zu einer "Verdrängung" führen - das habe man auch am Praterstern gesehen. Betroffene Gruppierungen würden sich dann halt woanders treffen, so Reiter.
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Spricht das für ein landesweites Verbot? Ein generelles Waffenverbot sei auch "überzogen", so die Expertin. Die derzeitige Gesetzeslage mit einem Verbot bei häuslicher Gewalt, für Unter-18-Jährige, Asylwerber (siehe oben) sei ausreichend. Ein generelles Verbot sei schwer zu kontrollieren und die Frage sei auch, ob sich jemand, der mit Waffe aus dem Haus geht, um jemanden zu verletzten, von einer Verwaltungsstrafe abhalten lässt.
Hannah Reiter plädiert für Ursachenforschung: Man müsse sich ansehen, warum es an bestimmten Orten Probleme gebe und dann präventive Arbeit leisten. Auch die sogenannte Grätzlpolizei könne dabei ein Ansprechpartner sein.
Was sagt die Politik?
Karner sieht in der Zone hingegen einen "ersten Schritt" - und will ein österreichweites Waffenverbot und die Strafmündigkeit senken. Nur bei Ersterem bekommt er Rückhalt von SPÖ und Grünen, die FPÖ unterstützt nur Zweiteres.
Für den Reumannplatz forderte Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp, dort einen Polizei-Container aufzustellen. Die permanente Präsenz von Polizisten würde einerseits abschreckende Wirkung zeigen und andererseits wären die Beamten mitten im Geschehen und könnten sofort einschreiten.
"Jugendliche, die nichts mit ihrem Leben anfangen können"
Bezirksvorsteher Marcus Franz (SPÖ) im Interview.
Der Bezirksvorsteher von Favoriten, Marcus Franz (SPÖ), meint im PULS 24 Interview, dass er sich wünsche, dass es immer so eine hohe Polizeipräsenz gebe wie beim Besuch des Innenministers vergangene Woche. Er sei über die Waffenverbotszone vorab nicht informiert worden, kritisiert er. Er fürchtet, dass die verstärkte Bestreifung bald wieder weniger wird.
Grundsätzlich sei er aber für die Waffenverbotszone, "wenn es hilfreich ist" - hätte sie aber lieber bis zum Hauptbahnhof oder auf ganz Wien ausgedehnt. Präventiv wären aber mehr Polizist:innen besser, so Franz.
Zusammenfassung
- Nun ist es also fix - auch am Reumannplatz in Wien-Favoriten kommt in wenigen Tagen eine Waffenverbotszone. Solche Zonen gibt es auch schon am Praterstern und in Innsbruck.
- Aber warum sind Waffen nicht einfach überall verboten und was bringen Verbotszonen überhaupt?
- Expertin Hannah Reiter zweifelt im PULS 24 Gespräch am Nutzen.
- Es sei davon auszugehen, dass sie zu einer "Verdrängung" führen - das habe man auch am Praterstern oder beim Karlsplatz gesehen. Betroffene Gruppierungen würden sich dann halt woanders treffen, so Reiter.
- Bezirksvorsteher von Favoriten, Marcus Franz (SPÖ) ist für die Waffenverbotszone, "wenn es hilfreich ist" - und hätte sie bis zum Hauptbahnhof oder auf ganz Wien ausgedehnt. Präventiv wären aber mehr Polizist:innen besser.