Vorarlberg will Bodenseewasser zum Heizen verwenden
Das Konzept ist an sich einfach: Dem Bodensee wird in 25 Meter Tiefe Wasser entnommen, diesem wird in sogenannten See-Energiezentralen Wärme - bzw. im Sommer Kälte - über Wärmetauscher entzogen, danach wird das Wasser in 30 Meter Tiefe zurückgeleitet. Das Land Vorarlberg gab im Frühjahr 2023 mit den Gemeinden eine Untersuchung in Auftrag, ob und wie Bregenz, Hard und Lochau ihre Wärmeversorgung mit Energie aus dem Bodensee bewerkstelligen könnten. Das Energieinstitut Vorarlberg sowie Fachleute aus Deutschland und der Schweiz, die bereits mit einem ähnlichen Projekt am Vierwaldstättersee Erfahrung sammelten, gossen den Wärmebedarf der einzelnen Gebäude der Kommunen in ein detailliertes Wärmedichtenetz und identifizierten sieben geeignete Wasserentnahmestellen: zwei in Lochau, vier in Bregenz und eine in Hard. Sie erhoben zudem mögliche Trassenverläufe für die Leitungen des Fernnetzes und errechneten für die Wärmepreise ein Preisband von 17 bis 21 Cent pro Kilowattstunde. Um Bedarfsspitzen abzudecken, wäre weiter eine Ergänzung um - im Idealfall erneuerbares - Gas nötig, so der Schweizer Projektleiter und Studienautor Markus Frei. Laut der Studie seien keine negativen Auswirkungen auf Natur und Umwelt zu erwarten, ebenso wenig auf das Trinkwasser oder auf Badestellen.
Es handle sich also nicht um Science-Fiction, sondern um ein realisierbares Projekt, hieß es am Montag bei der Pressekonferenz im Landhaus. Zadra verwies auf das Schweizer Vorbild, wo über den Vierwaldstättersee rund 6.800 Haushalte versorgt werden können. Das dort 2020 begonnene Projekt wird in 15 Jahren im Endausbau stehen. Auch in Vorarlberg muss langfristig gedacht werden. Hier könnte man 3.400 Gebäude mit tausenden Wohneinheiten über das Seewasser beheizen und in kleinerer Dimension auch kühlen, so die Berechnungen der Fachleute. Bei Fragen nach dem Finanzierungsbedarf und dem Zeithorizont gab es daher noch wenig konkrete Antworten: Ein Ausbau des auf "mehrere hundert Millionen Euro" geschätzten "Generationenprojekts" erfolgt laut Zadra in Etappen, habe aber bereits begonnen: In Lochau gebe es ein Kleinprojekt, auch in Hard liefen konkrete Planungen für eine See-Energiezentrale und in Bregenz sei sie schon in Bau. Laut dem zuständigen Bregenzer Stadtrat Heribert Hehle (Grüne) werden derzeit 15 Mio. Euro in eine See-Energiezentrale investiert, über die das Hallenbad und das Festspielhaus versorgt werden, weitere interessierte Abnehmer in der Stadt gebe es. Parallel liefen Planungen für weitere See-Energiezentralen.
Es bleibe Ziel, Vorarlberg zu hundert Prozent mit erneuerbaren Energien zu beheizen, betonte Zadra. Gerade Bregenz habe viel Potenzial, habe die Stadt doch mit einem fossilen Heizanteil von rund 90 Prozent den höchsten aller Landeshauptstädte. Die hohen Investitionskosten für die Nutzung des "Energie-Schatzes, der vor unserer Haustür liegt" werden sich laut Zadra amortisieren. Projektleiter Frei führte Aufträge für die lokale Wirtschaft für den Bau der Anlagen sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen ins Feld. Zudem könnten über das Projekt 60.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden, es entstünde Heizenergie im Gegenwert von rund 35 Mio. Euro. Auch ökologisch hätte die Seewassernutzung Vorteile. Mit dem Wärmeentzug würde man den wegen des Klimawandels immer wärmer werdenden Bodensee im Winter kühlen, wenn auch nur in geringem Ausmaß. Zadra sah nun die Gemeinden am Zug, die mit den Empfehlungen der Studie in konkrete Umsetzungs- und Finanzierungsplanungen gehen könnten.
Zusammenfassung
- Vorarlberg plant, Bodenseewasser zum Heizen und Kühlen zu nutzen, mit einer See-Energiezentrale in Bregenz als Pilotprojekt.
- Langfristig könnten 3.400 Gebäude versorgt werden; die Studie sieht keine negativen Umwelteinflüsse und rechnet mit 60.000 Tonnen CO2-Ersparnis pro Jahr.
- Die Investitionskosten für das 'Generationenprojekt' werden auf 'mehrere hundert Millionen Euro' geschätzt, mit hohem Potenzial für lokale Wirtschaft und erneuerbare Energieversorgung.