Vermutlich mehr Drogentote als Folge der Pandemie

In der Pandemie ist die Zahl der Drogentoten stark angestiegen. Während 2020 noch 191 Menschen an einer Überdosierung gestorben sind, waren es 2021 bereits 235 Todesfälle. Ob die Zahl auch in den Jahren 2022 bzw. 2023 weiter ansteigt, ist noch unklar, aber ein Zusammenhang mit der Pandemie, den damit verbundenen Ängsten und der fehlenden Therapie wird vermutet, zeigt der "Epidemiologiebericht Sucht 2022" der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG).

Denn eigentlich kann noch von einer stabilen Drogensituation in Österreich gesprochen werden, sagte Martin Busch, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht an der GÖG am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Ende der 1990er-Jahre bis 2005 gab es noch einen starken Anstieg bei den Drogenkonsumenten. "Da hat es sich fast verdoppelt", so Busch. Doch seit 2017 gab es ein niedriges Niveau. Im Vergleich zur Mitte der 2000er-Jahre steigen auch wesentlich weniger Jugendliche in einen Opioidkonsum ein.

Daher passt der Anstieg der drogenbezogenen Todesfälle und insbesondere auch der Anstieg des Anteils von Personen unter 25 Jahren nicht zu den anderen Indikatoren. Busch sah zwei mögliche Ursachen, entweder habe sich die Drogensituation verschärft und das wären die ersten Anzeichen oder die Todesfälle wären eine Folge der Covid-19-Pandemie. "Die durch die Pandemie zusätzlich entstandenen Belastungen - wie Ängste oder Vereinsamung - dürften zu einer Erhöhung der psychiatrischen Komorbidität bei Suchtkranken führen, die in manchen Einrichtungen bereits beobachtet wird", sagte Busch. Versäumte Chancen, eine Suchtbehandlung zu beginnen, und der Ausfall vieler suchtpräventiver Maßnahmen sind weitere Faktoren, die eine Verschärfung der Situation im Bereich Drogensucht und eine gesteigerte Behandlungsnachfrage nach der Pandemie plausibel machen.

Derzeit sind 0,5 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher opioidabhängig. Opioidkonsum - meist als Mischkonsum mit anderen Substanzen - dominiert den risikoreichen Drogenkonsum in Österreich. Zwar befinden sich mehr als die Hälfte der Abhängigen in einer Therapie, aber 2021 war der Großteil der drogenbezogenen Todesfälle noch nie in einer Substitutionstherapie (133 Personen). Ein Teil der tödlich verlaufender Überdosierungen betrifft Personen in Opioidsubstitutionsbehandlung (58 Personen), da es auch bei Personen, die schon lang behandelt werden zu Rückfällen in den illegalen Drogenkonsum kommen kann. 44 der Gestorbenen waren früher einmal in einer Substitutionstherapie. Eine psychosoziale Unterstützung zur Milderung der Pandemiefolgen und Reaktion auf den erhöhten Behandlungsbedarf nach der Pandemie wäre wünschenswert, so Busch.

Im Bereich Alkoholkonsum und Rauchen hat sich die Lage stark verbessert, wie der GÖG-Bericht zeigt. "Insgesamt ist im Bereich Tabak und Alkohol von einer sich verbessernden Situation auszugehen. Das tägliche Rauchen ist speziell bei Jugendlichen weiterhin rückläufig und der in Österreich pro Kopf konsumierte Alkohol geht im langfristigen Vergleich ebenfalls zurück", sagte Busch. 21 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher rauchen täglich. Allerdings hat sich bei den 15-Jährigen der Anteil der Raucher seit 2003 mehr als halbiert - von 30 Prozent 2003 auf zwölf Prozent 2019.

Tabakrauchen (inklusive Passivrauchen) ist in Österreich gemäß aktuellen Schätzungen für 16 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. Frauen rauchen nach wie vor etwas seltener und im Durchschnitt weniger Zigaretten pro Tag als Männer, ihr Rauchverhalten hat sich jedoch jenem von Männern über die Jahrzehnte angeglichen. Gerade in der Pandemie haben Frauen aufgrund der Belastung durch Kinderbetreuung oder Home-Schooling mehr zur Zigarette gegriffen.

Ein gutes Drittel der täglich Rauchenden - das ist über eine halbe Million Österreicherinnen und Österreicher - hat vor Kurzem erfolglos versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. "Hier liegt ein großes Potenzial zu Verbesserung der Situation, wenn diese Menschen adäquat unterstützt werden ihr selbst gesetztes Ziel zu erreichen", meinte Busch. Produkte wie Shisha, E-Zigaretten oder sogenannte "neue" Produkte wie Nikotinbeutel oder Tabak über Tabakerhitzer werden eher probiert oder gelegentlich als täglich konsumiert.

Etwa 15 Prozent der Bevölkerung in Österreich trinken in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß, wobei ein solches Verhalten bei Männern doppelt so häufig feststellbar ist wie bei Frauen. Ein gesundheitsgefährdetes Ausmaß bedeutet bei Männern 60 Gramm Alkohol pro Tag und bei Frauen 40 Gramm Alkohol pro Tag. Alkohol ist jene psychoaktive Substanz, mit der in Österreich die meisten Menschen Erfahrungen machen. Im Jahr 2020 wurden 1,4 Prozent aller Todesfälle explizit mit Alkoholkonsum in Verbindung gebracht.

Aber auch hier lässt sich eine positive Entwicklung feststellen. "Der pro Kopf in Österreich konsumierte Alkohol, alkoholassoziierte Erkrankungen und Todesfälle sind seit Jahren rückläufig. Auch bei den Jugendlichen zeigt sich insgesamt im Einklang mit der Entwicklung in vielen anderen EU-Ländern ein Rückgang des Alkoholkonsums", sagte Busch, was auf mehr Gesundheitsbewusstsein bei den Jungen schließen lässt. Aber dennoch ist Österreich im europäischen Vergleich "Hochkonsumland". Hauptproblemgruppe sind die 50- bis 54-Jährigen.

Aber auch hier hat die Pandemie zwar den Alkoholkonsum allgemein um drei bis sechs Prozent reduziert, da die Lokale geschlossen hatten. Allerdings hat sich der Konsum ins Private verlegt und bei manchen Subgruppen - etwa jene, die schon ein Alkoholproblem hatten und Menschen mit niedrigem Bildungsniveau - die Konsumrate erhöht. Grund waren der Stress und psychosoziale Probleme durch die Pandemie.

ribbon Zusammenfassung
  • In der Pandemie ist die Zahl der Drogentoten stark angestiegen.
  • Während 2020 noch 191 Menschen an einer Überdosierung gestorben sind, waren es 2021 bereits 235 Todesfälle.
  • Gerade in der Pandemie haben Frauen aufgrund der Belastung durch Kinderbetreuung oder Home-Schooling mehr zur Zigarette gegriffen.
  • Alkohol ist jene psychoaktive Substanz, mit der in Österreich die meisten Menschen Erfahrungen machen.
  • Hauptproblemgruppe sind die 50- bis 54-Jährigen.