Umstrittene Polizei-Ermittlungsstelle beschlossen
Die SPÖ und die NEOS, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, aber auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) hatten sich im Vorfeld vor allem daran gestoßen, dass die Stelle im Bundesamt für Korruptionsprävention und -bekämpfung (BAK) und damit im Weisungsbereich des Innenministeriums angesiedelt werden soll. Davon rückten die Regierungsparteien nicht ab. Die EBS soll dem vom Ministerrat nun abgesegneten Entwurf zufolge einem auf zehn Jahre bestellten stellvertretenden Direktor des BAK unterstellt werden. Was die Berichtspflichten betrifft, hat die EBS "den unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufenen Vorgesetzten (Dienstvorgesetzter) über die Einleitung ihrer Ermittlungen zu informieren und über deren Ergebnisse zu berichten".
Gegenüber der APA bekräftigte Stephanie Krisper, NEOS-Sprecherin für Inneres, am Donnerstag ihre Kritik: "Obwohl äußerst kritische Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf eingegangen sind, hat sich die türkis-grüne Bundesregierung dazu entschlossen, die Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt im personell ausgebluteten BAK und somit unter der Weisungsbefugnis des Innenministers anzusiedeln." Krisper will das nicht einfach hinnehmen: "Eine unabhängige und transparente Aufklärung kann nur gewährleistet werden, wenn die Beschwerdestelle außerhalb des Innenministeriums angesiedelt wird. Dadurch würde auch das Vertrauen insbesondere jener, die von Polizeigewalt betroffen sind, in die Aufklärungsarbeit gestärkt werden." Krisper kündigte an, die NEOS würden dazu "im Innenausschuss nächste Woche einen Antrag einbringen".
Amnesty International räumte auf APA-Anfrage ein, dass der Ministerratsbeschluss gegenüber dem ursprünglichen Entwurf "punktuelle Verbesserungen" enthält. Dass die EBS im BAK angesiedelt bleibt, sei allerdings aus menschenrechtlicher Sicht "höchst problematisch, da eben keine ausreichende institutionelle, hierarchische und praktische Unabhängigkeit - wie vom EGMR und anderen internationalen Institutionen gefordert - gewährleistet ist". Dass Weisungen an die Ermittlungs- und Beschwerdestelle für Misshandlungsvorwürfe schriftlich zu erteilen sind, überzeugt Amnesty nicht davon, dass damit in der Praxis "einer mangelhaften Unabhängigkeit der Stelle entgegenzuwirken ist", wie gegenüber der APA betont wurde.
Als "massiv bedenklich" bezeichnet die Menschenrechtsorganisation, dass die Leitung der EBS vom jeweiligen Innenminister und nicht von einem Gremium außerhalb bestellt wird. Dabei sei es "essenziell, dass die Leiterin oder der Leiter keinerlei Naheverhältnis zu Politik oder Polizei hat, um Interessenskonflikte möglichst auszuschließen", hält Amnesty fest: "Wenn keine unabhängigen und damit wirksamen Untersuchungen sichergestellt sind, besteht die Gefahr, dass weiterhin das Vertrauen der Betroffenen fehlt und sie sich bei Misshandlungsvorwürfen nicht an die Stelle wenden."
Für ÖVP-Generalsekretär Stocker, zugleich Sicherheitssprecher seiner Partei, ist demgegenüber "durch die geplante Gesetzesnovelle sichergestellt, dass eine eigene, speziell dafür ausgebildete Einheit Misshandlungsvorwürfen nachgeht und damit das Vertrauen in unsere Polizei noch weiter gestärkt wird". In einer Aussendung hielt Stocker fest: "Wir schaffen den Rahmen, dass Vorwürfe ermittelt und aufgeklärt werden. Dadurch, dass die Einrichtung im BAK erfolgt, gelingt es, den Aufbau von Parallelstrukturen zu verhindern."
Der Grüne Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr betonte, man habe "viele Vorschläge, die im Begutachtungsverfahren gemacht wurden, aufgegriffen und weitest möglich umgesetzt". Bürstmayr verwies in einer Aussendung auf "verbesserte Regelungen für den Datenschutz", außerdem sei "die Rolle der Zivilgesellschaft im Beirat der neu zu schaffenden Ermittlungsstelle gestärkt" worden.
Dass die vorgesehenen 15 Beiratsmitglieder - entgegen dem ursprünglichen Entwurf - nun nicht mehr von Ministerien vorgeschlagen werden, vermerkt Amnesty International positiv. Erfreulich sei auch, dass bereits ein "hinreichender Grund für die Annahme von unverhältnismäßiger Gewaltausübung" ausreichend für ein Tätigwerden der EBS ist. Allerdings sei nach wie vor gesetzlich nicht sichergestellt, dass nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen bei der Ermittlungs- und Beschwerdestelle in derselben Sache fristwahrend eine Maßnahmenbeschwerde oder auch Richtlinienbeschwerde eingebracht werden kann. "Dadurch könnte das Recht auf Erhebung einer wirksamen Beschwerde untergraben werden", befürchten die Expertinnen und Experten von Amnesty.
"Nicht nachvollziehbar" bleibt für die Menschenrechtsorganisation, dass die EBS nicht für die in vielen Gemeinden etablierten Sicherheitswachen bzw. Gemeindewachkörper sowie die Justizwachebeamtinnen und -beamte zuständig ist und dass keine so genannte Kennzeichnungspflicht der Polizistinnen und Polizisten - etwa durch das Tragen von anonymisierten, aber individualisierbaren Dienstnummern auf der Uniform eingeführt wird. "Dies wäre aber eine Grundvoraussetzung für wirksame Ermittlungen. Ohne eine Kennzeichnungspflicht droht die Effektivität der geplanten Ermittlungsstelle ins Leere zu laufen, da die handelnden Beamtinnen und Beamten in entscheidenden Situationen nicht identifizierbar sind, aber eine strafrechtliche Verurteilung die Feststellung der individuellen Schuld voraussetzt", bemerkte die Menschenrechtsorganisation gegenüber der APA.
Zusammenfassung
- Im jüngsten Ministerrat ist die überfällige, im Herbst 2020 von der türkis-grünen Regierung angekündigte Ermittlungs- und Beschwerdestelle (EBS) für Fälle von Polizeigewalt beschlossen worden.
- Die neue Polizei-Ermittlungsstelle ist umstritten, vor allem ihre vorgebliche Unabhängigkeit wird bezweifelt.
- Krisper kündigte an, die NEOS würden dazu "im Innenausschuss nächste Woche einen Antrag einbringen".