APA/Sebastian Gollnow

Pränatales Organscreening soll in den Eltern-Kind-Pass

Weniger als 50 Prozent der Fehlbildungen bei Neugeborenen werden vor der Geburt erkannt. Dabei können Diagnosen bereits im Mutterleib Kinderleben retten und das Risiko für Folgeschäden senken, argumentiert die Österreichische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (ÖGUM). Bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien forderten die Fachleute die Aufnahme des pränatalen Organscreenings in den Eltern-Kind-Pass.

Alle Schwangeren sollten die Möglichkeit haben, ein zertifiziertes Organscreening in Anspruch zu nehmen. Dieses solle durch die öffentliche Hand finanziert und integraler Bestandteil der Eltern-Kind-Pass-Vorsorge werden, sagte Barbara Pertl, ÖGUM-Präsidentin und Leiterin des Pränatalzentrums Privatklinik Graz Ragnitz.

"Fehlbildungen betreffen circa zwei bis drei Prozent aller Schwangerschaften. In Österreich sind das etwa 2.000 pro Jahr, wovon insgesamt weniger als 50 Prozent bereits im Mutterleib erkannt werden. Etwa ein Drittel der schwerwiegenden Fehlbildungen mit unmittelbarem nachgeburtlichen Handlungsbedarf sind vor der Geburt nicht bekannt", sagte Philipp Klaritsch, Leiter der Forschungseinheit für Fetale Medizin an der Meduni Graz und Leiter des Arbeitskreises Geburtshilfe der ÖGUM.

Die geringe Früherkennungsrate hänge damit zusammen, dass nur Basisultraschalluntersuchungen im Eltern-Kind-Pass empfohlen werden. "Basisultraschall bedeutet die Überprüfung von positiver Herzaktion, altersgerechtem Wachstum, normaler Fruchtwassermenge und normaler Plazentalokalisation. Lebenswichtige Organe wie Gehirn, Herz, Lunge oder Niere werden dabei allerdings nicht systematisch auf Fehlbildungen untersucht", erläuterte Klaritsch.

Mit einem Organscreening mittels Ultraschall können Fachleute Anomalien der Organe schon im Mutterleib erkennen. Dadurch werde eine bessere Versorgung der betroffenen Kinder bereits vor oder unmittelbar nach der Geburt möglich. Derzeit muss das Organscreening in den meisten Fällen privat bezahlt werden.

Mit rund 700 bis 800 Fällen pro Jahr in Österreich sind Herzfehler die häufigsten Fehlbildungen bei Neugeborenen. Unmittelbar nach der Geburt können sie Sauerstoffmangel und Organversagen verursachen. Werden sie nicht schon im Mutterleib erkannt, steigt laut ÖGUM durch den Zeitverlust von der Diagnose bis zur Notfallverlegung an ein Herzzentrum das Sterberisiko um das Achtfache. Auch die Gefahr von Hirnschäden, Entwicklungsverzögerungen und Nierenversagen sei deutlich höher.

Eine vorgeburtliche Diagnose verbessere die Prognose deutlich, sagte Dagmar Wertaschnigg, Leiterin des Pränatalzentrums Fetalmedizin Feldkirch und ÖGUM-Vorstandsmitglied. Die Entbindung erfolge dann in einem Herzzentrum mit Spezialisten, die das Kind sofort behandeln. "Bei speziellen Herzfehlern kann sogar eine relativ einfache Operation bereits im Mutterleib durchgeführt werden, um ein Einkammerherz zu verhindern."

Eine Mutter schilderte Erfahrungen mit der Diagnose Herzfehler bei ihrem Kind. "Als bei mir drei Wochen vor der Geburt ein Organscreening durchgeführt wurde, wurde der komplexe Herzfehler meines Sohnes entdeckt. Somit wurde er nach der Geburt gleich richtig erstversorgt. Nach mittlerweile vier großen Herz-OPs kann mein Sohn nun den Umständen entsprechend ein normales Leben führen", wurde Michaela Altendorfer in der Presseunterlage zitiert. Mit "Herzkinder Österreich" hat sie eine österreichweite Anlaufstelle gegründet, die Betroffene in allen nicht-medizinischen Anliegen unterstützt.

(S E R V I C E - https://www.herzkinder.at/ - https://oegum.at/ )

ribbon Zusammenfassung
  • Weniger als 50 Prozent der Fehlbildungen bei Neugeborenen werden vor der Geburt erkannt.
  • Dabei können Diagnosen bereits im Mutterleib Kinderleben retten und das Risiko für Folgeschäden senken, argumentiert die Österreichische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (ÖGUM).
  • Bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien forderten die Fachleute die Aufnahme des pränatalen Organscreenings in den Eltern-Kind-Pass.