Palästina-Protestcamp: Weltrevolution zwischen 10 und 12
Der Campus der Universität Wien im alten AKH hat einen schönen, grünen Rasen. Der Regen der vergangenen Tage hat diesem sichtlich gutgetan. Ein Mitarbeiter ist bereits fleißig im Einsatz und rollt mit seinem Rasenmäher an den Gehwegen vorbei.
Die Geräuschkulisse des Rasenmäher-Motors sorgt dafür, dass man als Beobachter kaum versteht, worum es im sogenannten "Palestine Solidarity Encampment Vienna" eigentlich geht. Den Teilnehmer:innen könnte das aber durchaus recht sein, denn mit Medien spricht man ohnehin nicht gerne. Fotos im Camp sind nicht erlaubt, das habe man so entschieden.
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Kaum einer der Anwesenden möchte erzählen, warum er eigentlich hier ist. Tun sie es doch, bleiben sie meist vage. Man wolle die Menschen in Palästina unterstützen, mit Antisemitismus habe das nichts zu tun, betont man.
Die österreichische Version
Wie so oft ist in Österreich alles etwas kleiner. Rund 15 Zelte zählt das Camp. Geschätzt sind am Dienstagnachmittag rund 40 Personen anwesend. Mit den großen Protesten an US-Eliteuniversitäten hat das wenig zu tun.
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Der Kollegin einer internationalen Presseagentur wird erlaubt, kurz einen Eindruck vom Zeltlager zu gewinnen, ein Interview möchte man auch ihr nicht geben. "Press Time" sei von 10 bis 12 Uhr, heißt es gegenüber PULS 24. Man habe heute schon genug gesprochen, wir sollen morgen wieder kommen. Ein bisschen erinnert das an das Klischee eines Behördengangs.
Die wenigen konkreten Forderungen
Die Forderungen findet man aber auf einem Flyer. Da wird unter anderem ein Boykott israelischer Universitäten gefordert. Diese würde die israelische Politik unterstützen, die, der Einschätzung der Demonstranten nach, einen Völkermord begehe.
Die wenigen Teilnehmer:innen vor Ort, die mit uns sprechen wollen, können keine spezifischen Universitäten nennen. Eine Austauschstudentin aus Italien vergleicht es mit den Sanktionen gegenüber Russland aufgrund des Krieges in der Ukraine.
Protestcamp: "Bleiben bis unsere Forderungen erfüllt sind"
Vorerst keine Polizei-Probleme
Die Stimmung im Camp bleibt während unseres Aufenthalts ruhig. Ein Mann geht vorbei und schießt mit dem Handy einige Fotos. Das sei ein Zivilpolizist, sagt ein Camp-Bewohner. Man lasse sich aber nicht stören und habe bislang keine Probleme mit der Exekutive gehabt.
Einige Teilnehmer:innen haben einen Sitzkreis gebildet, zwei Frauen schreiben mit bunten Kreiden "Stop the Genocide" auf den Gehweg. Auf den selbstgebastelten Fahnen sind Parolen wie "Finger weg von Rafah" oder "Widerstand ist international" zu lesen, aber auch eine Fahne mit der Aufschrift "Student Intifada Camp" entdeckt ein Kamerateam von PULS 24.
Studentische Intifada?
Die erste und zweite Intifada werden die beiden Aufstände gegen Israel im Westjordanland und dem Gazastreifen genannt. Die erste Intifada brach 1987 aus, die zweite Intifada im Jahr 2000. Beide Aufstände starteten zunächst als Proteste bzw. ziviler Ungehorsam, der sich durch Gewalt-Eskalation zusehends radikalisierte und immer gewalttätiger und blutiger wurde.
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"Das hat sich inzwischen zu einem Synonym für 'Aufstand' entwickelt", meint Gudrun Harrer, Nahostexpertin und Außenpolitik-Journalistin beim "Standard". "Mein Eindruck ist, dass einige Teilnehmer solcher Proteste oft selbst nicht genau wissen, was sie da eigentlich fordern. Das konnte man auch schon beim Slogan 'From the river to the sea' beobachten", sagt Harrer.
"Intifada kann für einen zivilen, friedlichen Protest stehen, aber durchaus auch für einen gewalttätigen", so die Nahostexpertin.
Ende nicht abzusehen
Zurück im "Solidarity Encampment Vienna". Immer wieder kommen und gehen einige Teilnehmer:innen. Eine Studentin bringt eine Kanne mit heißem Wasser, eine andere meint zu ihrer Begleitung, sie könne sich gar nicht ausmalen, was ihrer Mutter sagen würde, falls sie sie hier sehen würde.
Wie lange die Studierenden vor Ort bleiben möchten und können, lässt sich derzeit nicht sagen. Die Polizei hätte bislang nicht vor, das Camp zu räumen, heißt es gegenüber PULS 24. Das kann sich aber ändern, sollte es einen Grund geben. Etwa wenn es zu Gewalt kommen sollte, oder hasserfüllte Parolen verbreitet werden oder aber auch, wenn der universitäre Betrieb gestört werden sollte.
Uni distanziert sich
Die Universität Wien antwortete auf die Frage, wie lange man die Studierenden dulden wolle, bisher nicht. In einem allgemeinen Statement heißt es allerdings, dass man sich von den Anliegen der Protestierenden distanzieren würde: "Für sachliche Diskussionen auch zu kontroversiellen Themen bieten Universitäten ein kritisches Forum. Einseitige Darstellungen, Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus dagegen verurteilen wir in aller Schärfe."
Zusammenfassung
- Nach dem Vorbild von US-Eliteuniversitäten gibt es auch auf dem Campus-Gelände der Uni Wien im alten AKH seit Montag ein pro-palästinensisches Protestcamp.
- Die Forderungen stehen auf Flyern, mit Journalisten spricht man weniger gerne.
- Pressefragen nur von 10 bis 12 Uhr, heißt es. man fühlt sich etwas an das Klischee eines Beamtengangs erinnert.
- Ein PULS 24 Lokalaugenschein.