"Nah an der Hölle": Anonyme Berichte aus Krankenhäusern
Die Krankenhausmitarbeiter berichten von völlig überlastetem Personal, fehlenden Intensivbetten für Operationen, zunehmender Triage nach Alter und Vorerkrankungen, fehlendem Schutzmaterial, fehlenden Tests. Sie beschreiben, wie Personal aus fremden Abteilungen ohne Einschulung an Intensivbetten von Covid-19-Patienten eingesetzt wird und welche Belastung das darstellt.
Hinweis: PULS 24 hat sich entschieden, die Berichte weder zu redigieren noch sonst wie zu bearbeiten. Es sind die Worte der Betroffenen, die 1:1 so gehört und gelesen werden sollen.
"Die Wahrheit ist: Wir sind seit Wochen in der vollen Triage"
Danke für Ihr Interesse an der Situation in den Krankenhäusern. Ich bin Chirurg an einem großen Krankenhaus, und ich schreibe Ihnen, weil ich den Eindruck habe, dass da draußen niemand mitbekommt, was in den Krankenhäusern los ist. Das, was von der Politik und den Leitungen vermittelt wird, hat immer weniger mit der Realität zu tun. Die Realität ist nahe an der Hölle.
Ich höre immer noch Politiker im Fernsehen sagen, dass wir zu Hause bleiben sollen, um Triage zu vermeiden. Die Wahrheit ist: Wir sind seit Wochen in der vollen Triage, und es wird jeden Tag enger. Jeder kann sich das selbst ausrechnen: Ein Drittel der Intensivbetten im Land sind nun mit Covid-Patienten belegt. Intensivbetten sind auch sonst zu bis zu 80 Prozent ausgelastet. Jeder kann erkennen, dass sich das nicht ausgeht. Trotzdem wird da draußen gesprochen, als wären wir gerade erst am Limit, und nicht schon lange darüber hinaus.
Die Wahrheit ist: Ich versuche jeden Tag, ein Intensivbett für Patienten zu bekommen, die operiert werden müssten, und ich scheitere jeden Tag. Die Betten sind voll, die Operationen werden verschoben, und das trifft längst nicht mehr OPs, die leicht aufzuschieben sind. Das bedeutet, dass Menschen sterben werden, die nicht sterben müssten. Auch die Normalstationen sind fast geräumt, es liegen überall Covid-Patienten. Die Pflege ist am Limit. Auf den Intensivstationen arbeiten Kollegen, die seit Jahren an keinem Krankenbett gestanden sind, und müssen ohne Einschulung die Geräte bedienen. Es ist physisch und psychisch kaum zumutbar, für die Patienten ebenso wie für uns.
Triage ist für uns nicht außergewöhnlich. Auch im Normalbetrieb würde man einen 90jährigen Krebskranken im Endstadium nicht ins Intensivbett legen, wenn es von einem jungen Motorradunfall mit guten Überlebenschancen gebraucht wird. Aber nun treffen wir diese Entscheidungen täglich, und es geht längst nicht mehr nur um Patienten, die ohnehin gestorben wären. Covid-Patienten über 80 bekamen vor kurzem noch die Wahl, ob sie Intensivbetreuung möchten. Nun bekommen sie hier kein Intensivbett mehr, selbst 70jährige mit Vorerkrankung mussten schon abgewiesen werden. Das sind Entscheidungen, die man als Arzt nicht treffen will.
Es hat sich nun, nach anfänglichem Aufschrei, eine Augen-zu-und-durch-Mentalität ausgebreitet. Weil es ja eh nichts nützt, spricht man nicht viel darüber, schon gar nicht nach außen, sondern arbeitet Tag für Tag weit über das Limit hinaus, um die zu retten, die noch zu retten sind, und schweigt über die, die man nicht mehr behandeln kann. Aber ich frage mich, ob wir nicht zu leise sind. Wenn ich aus dem Dienst komme und vor Erschöpfung die Kaffeetasse kaum mehr halten kann, bin ich fassungslos über die Sorglosigkeit da draußen. Über die Diskussionen über das Schifahren und die Weihnachtseinkäufe. Ich vermute, diesen Leuten ist nicht bewusst, dass sie bald nicht einmal ein Intensivbett bekommen, wenn sie einen Autounfall haben - oder dass dafür ein Mensch, der noch gesund werden könnte, von der Beatmung abgehängt werden muss.
"Nie war mir die 2-Klassenmedizin so bewusst wie jetzt"
Ich bin Arzt in einem Krankenhaus in Wien. Die Situation ist katastrophal. Patienten welche noch vor einem Jahr sofort auf eine Intensivstation verlegt worden wären, liegen nun einfach auf der Normalstation weil es einfach keine freien Intensivbetten gibt. Es wird versucht den Normalbetrieb durchzupeitschen, obwohl es schon lange nicht mehr möglich ist. Nie war mir die 2-Klassenmedizin so bewusst wie jetzt.
Die Arbeit in einem Krankenhaus ist IMMER grenzwertig und anstrengend. Personal wird schon lange eingespart und auf die Minute genau berechnet. Das fällt uns nun auf den Kopf. Einen einzigen Krankheits- oder Quarantänefall hält das System nicht aus. Auch im Sommer wurde nicht aufgestockt sondern immer noch mehr gespart.
Ausbildungsärzte, egal welcher Fachrichtung, MÜSSEN nun auf Covid-Stationen arbeiten und werden zwangsrekrutiert. Bei Widerstand droht die Kündigung. Selbiges betrifft auch die Pflege, so oft habe ich mir bei älterem Pflegepersonal gedacht (mit offensichtlichen gesundheitlichen Vorbelastungen) dass das sicher nicht der richtige Arbeitsort für sie ist. Meine Radiologie-Kollegen, welche schon lange keine Patienten mehr behandelt haben, waren natürlich besonders erfreut. Auch ich bin Ausbildungsarzt in einem Fach fern von Pulmologie, Innere Medizin oder Infektiologie.
Meinen 1.(!!) Covid-Test erhielt ich vor 3 Wochen als die Verordnung österreichweit herauskam - davor wurde unser Personal NIE getestet - es könnte ja einer positiv sein und zuhause bleiben müssen. Direkte Kontaktpersonen unter dem Krankenhauspersonal werden automatisch zu „K2“ um trotzdem arbeiten zu können. Absonderungsbescheide zurückgezogen. Es geht nur um Geld - die Pandemie schupft man halt so nebenbei mit.
Es ärgert uns Ärzte maßlos wenn sich jemand über Homeoffice und Ausgangssperre beschwert - wie gerne hätten wir ein paar Tage zuhause, einfach nur zum durchschnaufen! Oder wenn sich jemand über das Tragen einer Maske beschwert - bitte seid doch mal 12 Stunden mit FFP2, Taucherbrille, Haube und Schutzkittel unterwegs!
Für uns ändert sich gar nichts im Lockdown - wir arbeiten 24 Stunden durch und gehen nachhause. Dann beginnt das Spiel von vorne. Mittlerweile sind an meiner Abteilung 17 von 30 Patienten positiv. Alle im Krankenhaus angesteckt. Alle Patienten älter, schon lange stationär und vorerkrankt. Personal muss weiterarbeiten - "Anordnung von oben". Wir sind psychisch und physisch am Limit.
"NEIN, man kann da jetzt nicht einfach Personal von den Normalstationen einsetzen"
Ich arbeite auf einer Intensivstation. Wir haben derzeit noch "genug" Schutzausrüstung, wobei wir unsere Maske 12,5 Stunden tragen müssen
Der Zustand ist äußerst Kritisch da wir VIEL zu WENIG AUSGEBILDETES Personal haben. Wir haben extrem viele Überstunden und uns wird gesagt, dass das Arbeitszeitgesetz nicht mehr gilt - daher müssen wir arbeiten kommen und man tut es um seine Kollegen nicht im Stich zu lassen und den Patienten noch etwas Qualität zu geben.
Die Krankenstände häufen sich, da wir ausgebrannt werden.
Nicht nur, dass es generell zu wenig Pflegepersonal gibt, dadurch das wir von unserem Arbeitgeber und der Politik so im Stich gelassen werden, möchte kaum ein Mitarbeiter bis zur seiner Pension in diesem Beruf bleiben - durch die derzeitige Situation kenne ich Viele die einfac kündigen wollen oder sich nach der Krise etwas Neues suchen wollen.
Gerade jetzt merkt man wie das ausgebildete Personal auf den Intensivstationen fehlt und NEIN man kann da jetzt nicht einfach Personal von den Normalstationen einsetzen weil:
- Es die Sonderausbildungen für Spezialbereiche nicht umsonst gibt
- Wir mit hoch sensiblen Medikamenten und Geräten arbeiten
- Wir geschult auf Notfallsituationen sind
- Es in Diensten wo man eh schon unterbesetzt ist keine Zeit gibt auch noch Personal anzulernen
- Auch Normalstationen ihr Personal braucht
Den Personalmangel gab es schon vor Corona und jetzt merkt man ihn besonders und er wird nach Corona anhalten da viele sich einen anderen Beruf suchen werden.
"Habt ihr niemanden um den ihr euch sorgt???"
Ich komme aus dem Nachtdienst.
Seit April ist unser Station quasi offiziell inoffiziell eine IMC - eine Vorstufe von Intensiv - mit Covid-Betten, da es zu wenige Überwachungsbetten gibt. Am Anfang hatten wir Unterstützung von Pflegepersonen, die schon mal auf einer Intensivstation gearbeitet haben. Die Zahl der Betten hat sich nun verdreifacht. Wie wir das schaffen sollen, weiß ich nicht. Es geht eigentlich nicht.
Aber eigentlich will ich gar nicht über mich oder die Pflege schreiben, das haben andere schon getan. Eigentlich will ich über die Menschen schreibe – diese armen Menschen die wir täglich betreuen, die diese Krankheit haben und wie es ihnen geht. Von der Hilflosigkeit die absolut selbstständige und im Leben stehende Menschen trifft, - von der Atemlosigkeit bei der geringsten Bewegung, vom Blutdruck und Pulswerten die in enorme Höhen schnellen nur weil sich die Menschen zum Harn lassen aufsetzten, von der enormen Anstrengung die jede Tätigkeit für diese Menschen bedeutet, von der Appetitlosigkeit durch den Verlust des Geschmacksinnes….
Ganz zu schweigen von der Sauerstofftherapie die zwar enorm hilfreich ist, aber auch sehr belastend da der Sauerstoff mit Druckluft in den Körper gepresst wird um die Lungen zu entfalten und die kleinsten Alveolen zu belüften. Und trotzdem werden viele Lungen nie wieder die volle Kapazität erreichen da sie auf Dauer geschädigt sind. Ich habe Röntgenbilder von Lungen gesehen das hätte ich mir nie erwartet …
Und da denke ich mir: Leute!!! -Ihr da draußen! !!
Es mag je sein dass es EUCH nicht trifft…
ABER… das sind Väter, Mütter, Brüder, Schwestern…EURE NÄCHSTEN ANGEHÖRIGEN …
oder HABT IHR NIEMANDEN UM DEN IHR EUCH SORGT???
Das Gesundheitswesen ist dazu da um EUCH aufzufangen wenn IHR fallt
Wenn IHR uns explodieren lasst können wir das nicht dann heißt es: wir fallen und IHR müsst uns auffangen!
"Gestern bin ich nach 12,5 Stunden Dienst in der Garderobe gesessen und musste weinen"
Ich arbeite mit dementen Personen zusammen, die es nicht verstehen, dass sie die Station nicht verlassen dürfen oder gar isoliert sind. Das heißt, dass sie entweder aggressiv werden, weil die in ihrem Zimmer bleiben müssen, oder einfach herum spazieren, denn 4-5 Pflegepersonen können 36 demente Menschen nicht permanent unter Kontrolle haben. So ist es nun dazu gekommen, dass auf der Nachbarstation 6 Pflegepersonen in häuslicher Quarantäne sind und 2/3 aller BewohnerInnen positiv getestet sind. Das bedeutet, das ich als dipl. Pflegeperson die letzten 2 Tage für 62 Personen verantwortlich war. Eine Teamleitung für 3 Stationen zuständig war. Um 15:00 konnte ich erstmals eine Pause machen, hatte gemerkt das ich das letzte mal um 5:00 etwas getrunken und gegessen hatte und seit Stunden nicht auf der Toilette war.
So zieht sich das ganze bis 19:00. Gestern bin ich nach 12,5 Std Dienst in der Garderobe gesessen und musste weinen. Dann musste ich mich beeilen, nach Hause zu fahren, denn dort wartet ja mein Kind auf mich.
Ich glaube ich kann Kollektiv für alle sprechen, dass dies derzeit unerträglich ist. Und wenn ich höre, dass noch „alles im grünen Bereich“ im Gesundheitswesen ist, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
"Ich fand den Satz damals 'Jeder wird bald jemanden kennen, der an Covid gestorben ist' nicht so verwerflich"
Wir haben derzeit sechs Covid-Stationen. Im März waren es zwei. Die Katastrophe, die wir im März alle erwartet haben und die wir zu Recht gefürchtet haben, ist jetzt eingetreten. Nur jetzt scheint dies die Menschen "draußen" nicht mehr zu berühren. Nicht mehr zu ängstigen.
Ich bin wirklich keine Freundin von Panikmache. Aber ich fand den Satz damals "Jeder wird bald jemanden kennen, der an Covid gestorben ist" nicht so verwerflich wie viele. Der Satz hat sich eingeprägt und die Menschen geschreckt. Das hat eine Änderung in ihrem Verhalten bewirkt.
Blöd, dass er zu früh abgefeuert wurde. Denn jetzt wäre er berechtigt.
"Ich sehe immer eine Zahl freier Intensivbetten - doch das ist eine Lüge"
Es beginnt mit der Schutzkleidung, man fühlt sich wie ein Astronaut, man ist irgendwo verängstigt ob die Schutzkleidung auch ihre Funktion erfüllt - ich wurde schon von Patienten frontal angehustet. Man befindet sich bis zu 3 Stunden durchgehend in der Kleidung in der Koje beim Patienten, wenn wir uns ausziehen sehen wir im Gesicht tlw. entstellt aus und sind komplett durchnässt. Unsere Hände desinfizieren wir kaputt und im Gesicht sehen wir aus wie Streuselkuchen.
Medizinisch und auch pflegerisch gesehen sind diese Patienten sehr arbeits und zeitaufwendig. Man versucht sie nicht zu intubieren, aber letztendlich werden sie alle intubiert, bauchgelagert, erhalten Maximaltherapien, dies hilft alles nur sehr begrenzt. Bei klassischen u schweren Intensivpatienten kann man meist nach 4-5 Tagen eine klassische Verbesserung/Verschlechterung wahrnehmen, nicht bei den Covid Patienten. Zudem neigen sie sehr zu ernsthaften Komplikationen und Notfällen. Man muss mit minimum 3 Wochen Aufenthalt rechnen. Ich sehe immer eine Zahl freier Intensivbetten - doch das ist eine Lüge. Das sind keine freien Betten, sondern Betten, die für andere Patienten gebraucht werden, und nun für Corona-Patienten freigemacht werden. Was das bedeutet, kann sich jeder ausrechnen.
Wir sprechen von wirklicher Schwerstarbeit am Limit. Wir sind wirklich fix und fertig nach einem Dienst. Es ist ein funktionieren, nicht leben. Vorige Woche war ich nach einer Serie an Diensten am Limit und wollte nur mehr weinen.... Intensivschwestern haben eine gewisse 'Elefantenhaut', wir neigen zu trockenem Humor, sind recht stressresistent und sind klassische 'Hackler'. Aber jetzt geht es nicht mehr. Ich glaube es ist eine Frage der Zeit bis die ersten das Handtuch werfen und entweder im Burn Out landen oder anders das Limit erreicht haben....
"Betten auf der Intensivstation bekommen nur mehr Menschen unter einem bestimmten Alter"
Ich schreibe das, weil ich mir nichts mehr wünsche, als dass die Menschen, die noch immer fröhlich shoppen gehen und einfach nicht SPÜREN was los ist, mehr Informationen bekommen. Ich mache niemanden einen Vorwurf, ich glaube, es wird viel zu abstrakt kommuniziert. Die Zahlen erreichen die Menschen nicht mehr, gegen die sind sie schon abgestumpft. Wenn ich aus dem Krankenhaus komme und das fröhliche Treiben draußen sehe, weiß ich nicht, ob ich verrückt bin, oder die anderen.
Auf den Covid-Normal-Stationen werden die Menschen von Dermatologen, Orthopäden, Gynäkologen und Kieferchirurgen betreut. Es gibt einen Lungenfacharzt, den sie anrufen können, wenn sie nicht weiterwissen.
Betten auf der Intensivstation bekommen nur mehr Menschen unter einem bestimmten Alter.
Die Covid-Normal-Stationen sind überfüllt mit alten Menschen, die zu Hause niemanden haben, der sie betreuen kann, obwohl dies teilweise zu Hause durchaus noch möglich wäre.
Intern kursieren Mails mit der Bitte um Mithilfe an Pflegekräfte aus allen Abteilungen, deren Ton nur mehr als flehentlich zu bezeichnen sind. ("Jede Stunde, jeder Tag den ihr bei uns mitarbeitet, würde uns entlasten. Überlegt bitte, ob ihr den nächsten Urlaub wirklich braucht.")
"Schon seit längerem überkommt mich ein beklemmendes Gefühl"
Schon seit längerem überkommt mich ein beklemmendes Gefühl. Ein Gefühl der Hilflosigkeit, ein Gefühl nicht gesehen und gehört zu werden und ein Gefühl 120 Prozent geben zu müssen ohne zu Wissen wie lange meine persönlichen Kapazitäten noch dafür ausreichen.
Hinzu kommen die täglichen Berichte in den Medien, die über die Situation in den Krankenhäusern berichten. Hauptsächlich reduziert auf Bettenkapazitäten und deren Auslastung. Natürlich in der jetzigen Situation nicht unwichtig. Jedoch werden essenzielle Probleme nicht erwähnt.
Seit knapp vier Jahren arbeite ich als diplomierte Krankenpflegerin auf Intensivstationen. Schon immer war der Personalmangel spürbar und ein Teil unseres Berufsalltages. Vieles wird durch permanente Zusatzdienste durch das Pflegepersonal gut verschleiert. Die Patientinnen und Patienten müssen versorgt werden und das hat für uns oberste Priorität. Das bedeutet, dass wir vor der Covid-Krise schon des Öfteren an unsere Grenzen gestoßen sind. Nun hat sich die Lage drastisch verändert. Seit März gehen wir täglich in die Arbeit und wissen nicht welche neuen Arbeitsbedingungen uns erwarten. Der Personalmangel wird langsam nicht mehr tragbar.
Gerade durch den erhöhten Bedarf an Intensivbetten für Patientinnen und Patienten die an Covid erkrankt sind, finden nun dramatische Umstrukturierungen in den Krankenhäusern statt. Durch Mangel an Intensivpflegerinnen und Intensivpflegern, werden nun Kolleginnen und Kollegen von Normalstationen dazu aufgefordert auf den Intensivstationen Dienste zu machen. Dazu muss gesagt werden, dass nicht umsonst eine Sonderausbildung zur Intensivpflege innerhalb von 5 Jahren der Berufstätigkeit auf einer Intensivstation zu absolvieren ist. Zusätzlich wird normalerweise neues Personal auf einer Intensivstation drei bis sechs Monate eingeschult. Somit ist klar ersichtlich, dass hier Kolleginnen und Kollegen von den Normalstationen einer totalen Überforderung ausgesetzt sind. Auf der Intensivstation arbeiten wir mit hoch sensiblen Medikamenten, Geräten uvm. Dafür fehlt aber unseren Kolleginnen und Kollegen auf der Normalstation das dafür benötigte Knowhow. Obwohl wir sehr dankbar sind, dass diese dazu bereit sind uns auszuhelfen, sehen wir das dennoch auf vielen Ebenen als sehr kritisch an. Nicht zu vergessen, dass die Normalstationen teilweise auf mehr Betten aufstocken, um auch Covid Patientinnen und Patienten versorgen zu können. Somit wird dort ebenfalls dringend Personal benötigt. Durch diese Personalaufteilung ist niemandem geholfen. Der Pflegemangel wird dadurch nicht behoben, sondern eigentlich auf den wichtigen Stationen immer größer.
"Eine Patientin lag im Sterben und kam leider viel zu kurz"
Ich arbeite auf einer Corona-Intensivstation. Wir hatten vor Corona sechs Betten. Nun haben wir 10, und zwei weitere werden im Lagerraum eingerichtet.
Ein Beispiel für einen Dienst: Gestartet sind wir mit "nur" 8 PatientInnen, die natürlich alle versorgt gehören, und das in voller Schutzmontur. Eh super dass wir sie haben, aber man schwitzt sich komplett nass und das macht das Ganze noch anstrengender. 3 PatientInnen brauchen zusätzlich Dialyse, 3 PatientInnen gehörten von der Bauchlage zurück auf den Rücken gedreht. Dafür braucht man jedesmal 3 bis 4 Leute. Eine Patientin lag im Sterben und kam leider viel zu kurz. Die anderen waren auch alle beatmet und waren ebenso anständig zu pflegen.
Kaum waren alle halbwegs versorgt, kam die erste Aufnahme. Diese bekam diverse notwendige Zugänge gestochen wurde intubiert und beatmet und danach ebenfalls in Bauchlage gebracht. Ziemlich zeitgleich kam eine zweite Aufnahme, bei der dasselbe zu tun war. Das Prozedere dauert ca 2 Stunden, im Zimmer stehen 2 Pflegepersonen und 1 Arzt. Als die erste Aufnahme halbwegs abgearbeitet war, verfiel plötzlich ein anderer Patient.
Irgendwann war da nur mehr Chaos, jeder hat irgendwem geholfen und wir haben die ganze Zeit durchgearbeitet ohne Pause und ohne etwas zu trinken - geschweige denn zu essen. Von den 12,5h Dienst bin ich ca 30 min gesamt gesessen - aber auch nur um ganz schnell mein Mittagessen in mich zu stopfen und gleichzeitig zu dokumentieren, hab viel zu wenig getrunken und kann mich jetzt kaum mehr rühren weil ich so fertig und müde bin. Ich bin Mitte 20 und eigentlich fit). Morgen darf ich wieder in den Dienst weil ein anderer Kollege ausgefallen ist und ich einspringen muss.
"Wir Pflegepersonen sitzen zwischen zwei Stühlen"
Für die gesamte Station seitens der Ärzte und dem Pflegepersonal ist es eine große Herausforderung körperlich aber größtenteils psychisch, dies wird meines Erachtens viel zu selten erwähnt. Es ist eine große Belastung Covid Patienten zu betreuen, da sie komplett isoliert alleine/ zu zweit in einem Zimmer liegen. Sie können sich kaum verständigen, da es schon nach nicht mal einer Minute an Luft mangelt. Wir Pflegepersonen sitzen zwischen zwei Stühlen. Wie lange kann ich im Covid Zimmer bleiben um mich nicht nur um die Therapie und die Körperpflege zu kümmern um auch auf die psychische Situation der NOCH wachen Patienten/innen zu kümmern? Um mich trotz Schutzkleidung nicht zu infizieren? Aufgrund des Personalmangels ist es bei uns nicht möglich (so wie es teilweise in dem Medien erwähnt wird) bei Covid Patienten/innen 1:1 Pflege wie es eigentlich notwendig wäre durchzuführen. Wir haben Standardmäßig 2-3 Covid Patienten/innen gleichzeitig zu betreuen. Manchmal ist es auch der Fall gleichzeitig normale Internistische Patienten/innen und Covid Patienten/innen zu betreuen oder in dem Fall 3-4 Intensivpatienten/innen gleichzeitig zu betreuen damit zwischen Covid und nicht Covid nicht gemischt wird. Durch diesen Arbeitsaufwand kommen wir in den meisten Fällen weder zum Trinken, noch weniger zum Essen, WC Gänge etc. Es wird im Gesundheitssystem weder auf unsere körperliche, noch weniger psychische Gesundheit geachtet. Das Krankenhauspersonal ist ausgebrannt! Vom Reiningungspersonal bis zu Pflegepersonen/Ärzte!
"Wir fühlen uns verunsichert und alleine gelassen"
Nun wurde im Aufwachraum, in dem Personal mit normaler Basisausbildung arbeitet, eine Intermediate Care etabliert. Das wurde aufgrund der steigenden Fallzahlen im Spital bzw aufgrund von mangelnden Intensivbetten an einem Freitag beschlossen und am Montag etabliert. Was bedeutet das für uns?
Wir bekommen intensivpflichtige Patienten mit verschiedenen Bypässen und sehr aufwendiger Pflegezuwendung ohne jemals dafür geschult worden zu sein, noch die personellen Voraussetzungen zu haben. Es wurde weder Personal aufgestockt, oder sich die ärztliche Betreuung überlegt. Diese Patienten werden neben dem nicht reduzierten OP Programm betreut. Somit ist keine 1zu2 Betreuung möglich wie es auf einer Intensivstation üblich ist. Weiters gibt es für diese Patienten auch keinerlei Privatsphäre, da diese sich mit bis zu 9 Patienten im selben Raum befinden. Alles basiert auf dem "learning by doing" Prinzip
Wir fühlen uns verunsichert und alleine gelassen. Vor Corona bekommen wir wichtige Fortbildungen nicht bewilligt, weil diese zuviel Geld kosten, während Corona wird gleichzeitig von uns verlangt plötzlich Intensivstation zu spielen. Weiters wird trotzdem Personal für die Intensivstationen abgezogen und massenhaft Überstunden produziert. Falls man auf die Intensivstationen versetzt wird, bekommt man eine 4 Tage crash Einschulung und führt dann selbstständig Patienten, die man nie zuvor betreut hat, mit einem Dokuprogramm, das man nie zuvor gesehen hat. Bei allem Respekt, es gibt Gründe für Einschulungen, Sonderausbildungen und Weiterbildungen. Mir ist klar, dass man während dieser Pandemie nicht dem normalen Procedere nachgehen kann, aber ich erwarte mir als Basismitarbeiterin in diese Prozesse (wie die Etablierung einer IMCU) eingebunden zu werden. Ich erwarte mir keine Zwangsversetzungen, wenn wir alle schon psychisch an der Grenze des Machbaren sind. Ich erwarte mir adäquate Schutzausrüstung. FFP3 Masken stehen uns nicht zur Verfügung. Diese sollen nur bei starker Aerosolbildung angewendet werden. Dazu muss ich sagen, dass wir durchaus absaugen, vernebeln und im Notfall Intubieren und den Patienten beatmen. Wenn ich mir in dieser Notsituation eine sowieso nicht vorhandene FFP3 Maske holen soll, bevor ich den Patienten versorge, ist dies für mich fahrlässig und auf keinen Fall zum Patientenwohl.
"Es spitzt sich immer mehr und mehr zu"
Ich arbeite in einem Krankenhaus auf einer Intensivstation und es ist eine Katastrophe. Seit Wochen sind wir überfüllt mit Patienten und Patientinnen die Corona haben. Unsere kardiologischen PatientInnen können wir schon lange nicht mehr versorgen. Wir sind chronisch unterbesetzt. Viele von der Pflege haben gekündigt oder sich umorientiert. Zusätzlich müssen wir alle viele Zusatzdienste machen - auf unserer Station und auch auf anderen Stationen. Es wird sogar verlangt dass wenn man Kontakt mit einem positiven Patienten hatte und nicht ausreichend geschützt war trotzdem in den Dienst zu gehen. Jeder müsste in Quarantäne aber Pfleger und Ärzte die mit kritisch kranken Menschen arbeiten dürfen weiter arbeiten! Der Zugang zu Schutzausrüstung ist auch erschwert. Corona Bonus bekommen nur manche. Alles insgesamt sehr unfair. Also es spitzt sich immer mehr und mehr zu.
Zusammenfassung
- In den letzten drei Wochen hat PULS 24 nach einem Aufruf von Infochefin Corinna Milborn hunderte anonyme Berichte aus Krankenhäusern erhalten, die die dramatische Situation drastisch beschreiben. PULS 24 hat die Berichte auf Authentizität überprüft und veröffentlicht Teile unter Wahrung der Anonymität. Die Schauspiel-Stars Cornelius Obonya, Katharina Stemberger und Serge Falck lesen Emails von Pflegepersonal und ÄrztInnen.