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Medizinerin Carmen Possnig wird ESA-Reserveastronautin

Die 1988 in Klagenfurt geborene österreichische Medizinerin Carmen Possnig wird Ersatzastronautin der europäischen Raumfahrtagentur ESA. Das gab die ESA im Rahmen ihres Ministerratstreffens in Paris am Mittwochnachmittag bekannt. Possnig setzte sich in einem aufwendigen Auswahlverfahren unter insgesamt mehr als 22.500 Bewerberinnen und Bewerbern aus ganz Europa durch.

Vor fast genau fünf Jahren startete Possnig im Auftrag der ESA bereits einen mehr als einjährigen Aufenthalt in der Antarktis. Die Allgemeinmedizinerin erforschte damals in der Antarktis-Station "Concordia" Auswirkungen von Isolation und geringem Sauerstoffgehalt auf die Crew. Einer Reise ins All stand sie schon damals im Gespräch mit der APA nicht abgeneigt gegenüber: "Aber nicht so nach dem Motto 'Wir fliegen zum Mars und bleiben ein Leben lang dort'. Wenn sie mich aber in fünf Jahren wieder abholen, wäre das okay", sagte Possnig unmittelbar vor ihrem Antarktis-Abenteuer.

Nun hat es die Kärntnerin tatsächlich in den nächsten Ausbildungsjahrgang für europäische Astronauten geschafft. Sie hat damit die Chance, als erste Österreicherin ins Weltall zu fliegen. 1991 absolvierte mit Franz Viehböck der bisher einzige Österreicher einen All-Aufenthalt im Rahmen der damaligen "Austromir"-Mission.

"Ganz großartig, wirklich toll! Ich kann das noch gar nicht richtig glauben", war die erste Reaktion Possnigs gegenüber der APA nach der Präsentation. Ihre Chance auf eine tatsächliche Reise ins All schätzt die Jungforscherin als durchaus realistisch ein: In der Raumfahrt tue sich gerade einiges, das Feld wachse. "Dadurch ist es durchaus möglich, dass es auch mehrere Flüge geben wird. Daher bin ich sehr positiv eingestellt", sagte Possnig.

Die ESA war seit dem Vorjahr auf der Suche nach bis zu sechs Astronautinnen und Astronauten in Festanstellung. Fünf "Karriereastronauten" sind es nun geworden: Sophie Adenot aus Frankreich, Pablo Álvarez Fernández aus Spanien, Rosemary Coogan aus Großbritannien, Raphaël Liégeois aus Belgien und Marco Alain Sieber aus der Schweiz. Neben ihnen sind nun elf "Reserveastronauten" und mit dem Briten John McFall der erste Astronauten-Kandidat mit einer körperlichen Beeinträchtigung Teil der "ESA-Astronautenklasse 2022", wie die Agentur bekannt gab. Es in diesen illustren Kreis geschafft zu haben, "ist einfach auch Glück", betonte Possnig.

In die zweite Runde des Auswahlprozesses schafften es Anfang des Jahres insgesamt 530 Frauen und 831 Männer. Unter den österreichischen Bewerberinnen schafften die erste Hürde immerhin 13 von 116, von den 350 männlichen Interessenten verblieben ebenfalls 13 im Rennen um die begehrten Topjobs.

Possnig absolviert derzeit ein PhD-Studium an der Universität Innsbruck, in dem sie sich mit Weltraummedizin beschäftigt. Über ihre Erfahrungen beim Antarktisaufenthalt veröffentlichte sie das Buch "Südlich vom Ende der Welt". Der "Entdeckerdrang" und ihr Drang zur Erforschung des Unbekannten habe sie jetzt auch als erste Österreicherin in die Riege der europäischen Astronauten gebracht. Die Herausforderungen des Weltalls seien heutzutage vergleichbar mit den großen Entdeckerreisen zu früheren Zeiten. "Da kann noch so viel erforscht werden und so viel Positives für das Leben auf der Erde erbracht werden. Es ist toll, dass ich ein Teil davon sein kann!", sagte Possnig.

Das Auswahlverfahren hatte insgesamt sechs Stufen, wie der aus Tirol stammende ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher bei der Präsentation erklärte: "Die letzte Stufe war ein Interview mit mir." Er habe in diesen Gesprächen "sehr interessante Menschen" mit "einzigartigen Persönlichkeiten" kennengelernt". Egal ob "Karriere-" oder "Reserve" - alle seien "fähig ins All zu fliegen" und seien hiermit "Astronauten".

In der Karriere-Schiene erhalten die künftigen Raumfahrer sofort einen Vertrag mit der Raumfahrtbehörde. Sie beginnen mit der Basisausbildung und werden in der Folge für künftige Missionen im Astronautenzentrum der ESA in Köln ausgebildet. Die Reserve erhalte noch keinen festen Vertrag und bleibt vorerst in ihren angestammten Jobs. Dazu kommen regelmäßige Trainings und Abstimmungen mit der ESA. Die Idee dahinter ist, dass diese Persönlichkeiten dann relativ rasch in Projekte und Missionen eingebunden werden können, so Aschbacher am Rande des ESA-Ministertreffens.

In Österreich ist das Klimaschutzministerium für die Weltraumfragen zuständig. Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) war bei der Konferenz in Paris dabei, die mit einem deutlich erhöhten Drei-Jahres-Budget für 2023 bis 2025 in der Höhe von 16,9 Milliarden Euro für Europas Raumfahrtbehörde endete. Das ist ein Plus von 17 Prozent gegenüber der Budget-Periode davor, aber dennoch weniger als die von der ESA angestrebte Erhöhung auf rund 18 Milliarden Euro. Aus Österreich kommen zukünftig im Rahmen der Pflichtprogramme insgesamt 116 Millionen Euro. In die ESA-Wahlprogramme werden 115 Mio. fließen.

Für Gewessler ist die Aufnahme von Carmen Possnig in die Reserve der ESA-Astronauten "eine äußerst beeindruckende Leistung. Die Voraussetzungen dafür sind äußerst anspruchsvoll". Sie sei "äußerst beeindruckt" von der Leistung der Kärntnerin, die im Jahr 2014 ihr Medizin-Studium an der Medizinischen Universität Graz abschloss. Possnig war in der Folge bis 2017 beim Wiener Krankenanstaltenverbund tätig. Danach folgte der insgesamt 13-monatige Aufenthalt in der Antarktis. Neben ihrer Tätigkeit an der Uni Innsbruck, ist Possnig auch am Institut für Weltraummedizin und -physiologie (MEDES) in Toulouse (Frankreich) engagiert. Die ausgebildete Notfallmedizinerin und Bergretterin zählt Bergsteigen, Klettern, Weitwandern, Laufen und Yoga ebenso wie das Schreiben, die Kampfsportart Aikido, Klavierspielen und die Fotografie zu ihren Hobbys.

(S E R V I C E - https://www.esa.int)

ribbon Zusammenfassung
  • Die 1988 in Klagenfurt geborene österreichische Medizinerin Carmen Possnig wird Ersatzastronautin der europäischen Raumfahrtagentur ESA.
  • Das gab die ESA im Rahmen ihres Ministerratstreffens in Paris am Mittwochnachmittag bekannt.
  • Nun hat es die Kärntnerin tatsächlich in den nächsten Ausbildungsjahrgang für europäische Astronauten geschafft.
  • Aus Österreich kommen zukünftig im Rahmen der Pflichtprogramme insgesamt 116 Millionen Euro.