APA/SPIEGEL/SÜDDEUTSCHE ZEITUNG/HARALD SCHNEIDER

Ibiza-Drahtzieher über Ibiza, Strache, Verkaufsversuche und Böhmermann

Dem "Standard" und dem "Spiegel" gab Julian H., der mutmaßliche Organisator des Ibiza-Videos, erstmals Interviews. Die Antworten auf lange offene Fragen im Überblick.

Der Sicherheitsberater Julian H. sitzt in Deutschland in Auslieferungshaft. Die österreichische Justiz ermittelt gegen ihn wegen Drogenhandels und Erpressung. Die Vorwürfe bezeichnet H. in Interview mit dem "Standard" und "Spiegel" als "konstruiert" und verweist darauf, dass ein guter Teil der Überwachungsmaßnahmen vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben wurde. Die Antworten auf lange offene Fragen im Überblick.

Wer hatte die Idee für das Video?

Die Idee, den damaligen FP-Chef Heinz-Christian Strache mit verdeckten Aufnahmen aufs Eis zu führen, kam Julian H. nach eigenen Angaben gemeinsam mit dem Anwalt Ramin M. im Sommer 2016. Erste Versuche seien aber "amateurhaft" gewesen. Daher sei die Idee entstanden, über den Strache-Vertrauten Johann Gudenus und mit Hilfe einer falschen Oligarchennichte Zugang zum FP-Chef zu suchen.

Was war das Ziel?

Ziel sei es gewesen, durch das Video Interesse für das Material des Leibwächters zu wecken. Dieser sammelte schon länger Material dagegen - unter anderem eine Sporttasche voller Bargeld in einem Kofferraum, die Strache gehören soll. Dieser bestreitet das.

Wie war das auf Ibiza?

Das Treffen in der mittlerweile berühmten Villa auf Ibiza empfand der Privatdetektiv nach eigenen Angaben zuerst als Fehlschlag: "Es war mehr das Gefühl von Misserfolg, weil es meine Ambition gewesen war, von Strache ein direktes 'Ich will das, dafür mache ich das' zu bekommen." Erstaunt habe ihn allerdings, wie unglaublich einfach es gewesen sei, Strache im Sommer 2017 in die Finca zu locken.

Wurde Gudenus gewarnt?

Nach Angaben des Detektivs sei Gudenus schon zuvor vor einer drohenden Videofalle gewarnt worden sei - und zwar aus dem Umfeld von VP-Chef Sebastian Kurz, dessen Partei wohl über einen Journalisten von den Plänen erfahren habe.

Gudenus bestreitet diese Aussage: "Ich wurde natürlich nie und von niemandem konkret vor dieser Videofalle gewarnt." Allerdings habe es im Vorfeld der Nationalratswahl 2017 "ein eigenartiges Klima und Gerüchte" gegeben, "die an Strache und mich herangetragen wurden, dass diverse Fallen a la Silberstein gestellt werden könnten". Im Fall von Julian H. habe er dies aber ausgeschlossen, bedauert Gudenus.

Was hat die Produktion gekostet?

War bezüglich der Produktionskosten teils Millionensummen im Gespräch, stellt H. klar, dass es "alles in allem (...) mehr als 100.000 Euro gekostet" hat. "Der Anwalt glaubte anfangs, es würden sich Menschen finden, die den Leibwächter finanziell absichern, uns die Kosten ersetzen und noch dazu ein Rechtsschutzbudget bereitstellen – falls Strache und seine Anwälte gegen uns vorgehen würden." Er selber habe kein Geld bekommen. Er habe niemanden angeheuert und auch niemanden bezahlt - "Niemand hat Geld bekommen."

Hat jemand für das Video bezahlt und wie viel?

H. wollte angeblich nie Geld damit verdienen. Allerdings wollte der Anwalt "2,5 Millionen Euro Minimum erzielen, damit er damit die Quelle, den Leibwächter, absichern und unsere Kosten decken könnte. Zuerst sei es einem Vertrauten von Hans Peter Haselsteiner angeboten worden, der ablehnte. "Danach hat er wohl mit einem ÖVP-nahen Berater geredet. Und dann noch mit der SPÖ. Es kam dann aber, glaube ich, ein Schreiben, das mehr oder weniger sagte: Die SPÖ hat kein Interesse daran und sie schlug vor, die Sache der Staatsanwaltschaft vorzutragen." Bezahlt haben auch die Medien keinen Cent, bestätigt H.

Gab es nach der Veröffentlichung Angebote?

Laut H. gab es nach der Veröffentlichung Angebote. "Zwei, drei Millionen, wenn ich mich öffentlich bekennen und die SPÖ oder Haselsteiner belasten würde." Auch Medien sollen ihn bedrängt haben.

Wurde jemand aus der Staatsspitze informiert?

Bisher nicht bekannt war, dass H. im Vorfeld der Veröffentlichung des Videos die Präsidentschaftskanzlei kontaktiert hat. Die Präsidentschaftskanzlei bestätigte auf Anfrage ein E-Mail, das aber nur "vage Andeutungen über eine bevorstehende Veröffentlichung zum Thema Korruption" enthalten habe - sowie den Hinweis, dass der Verfasser mit Repressalien rechne. Ein von H. ebenfalls behauptetes Treffen mit einem Mitarbeiter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bestätigte die Hofburg nicht. Davon sei "nichts bekannt". Das Schreiben habe man - wie in solchen Fällen üblich - "ad acta gelegt".

Wurde Strache erpresst?

H. verneint eine mögliche Erpressung – auch Strache sagte stets, dass er nie erpresst wurde. Der Vorwurf sei "der jämmerlichste und erbärmlichste Vorwurf dieser ganzen jämmerlichen und erbärmlichen Vorwürfe, die den Haftbefehl ausmachen".

War Böhmermann informiert?

H. hab es über Umwege an Böhmermann zutragen lassen. "Es gab ein Treffen mit Böhmermann in Köln, wo er die Geschichte erzählt bekam. Er hat aber gemeint, damit will er nichts zu tun haben. Ein paar Tage später wachte ich auf – zur Berichterstattung über die seltsamen Andeutungen von Böhmermann bei der Gala. Ich bin aus allen Wolken gefallen und explodiert. Nach Böhmermann kam die Sache rapide in Bewegung. Ich war überzeugt, dass eine Veröffentlichung nun zwingend ist, auch zu meinem Schutz."

Warum flüchtete H.?

Eine Flucht stellt H. in Abrede. "Meine Flucht bestand darin, dass ich mit einem Hund und einer Katze Österreich verlassen habe und meiner Arbeit nachgegangen bin, teils in Südeuropa, teils in Deutschland."

ribbon Zusammenfassung
  • Der Organisator des Ibiza-Vidos meldet sich erstmals per Interview zu Wort.
  • Im "Standard" beteuert der in Deutschland inhaftierte Julian H., dass für das Video kein Geld geflossen sei und beklagt "konstruierte" Vorwürfe.
  • Bisher nicht bekannt war, dass H. im Vorfeld der Veröffentlichung des Videos die Präsidentschaftskanzlei kontaktiert hat.
  • Verkaufsversuche gab es - allerdings wollte es niemand. Auch von den Medien sei kein Geld geflossen.
  • "Es gab ein Treffen mit Böhmermann in Köln, wo er die Geschichte erzählt bekam. Er hat aber gemeint, damit will er nichts zu tun haben."