Höchststrafe und Einweisung in Wiener Mordprozess
Ausschlaggebend für die Verhängung der Höchststrafe waren die mehrfache Tatbegehung sowie "das außergewöhnliche Ausmaß an Gewalt", wie der vorsitzende Richter Wolfgang Etl in der Urteilsbegründung ausführte. Lebenslang sei in diesem Fall eine schuld- und tatangemessene Sanktion. Die Unterbringung im Maßnahmenvollzug wurde unter Verweis auf das "schlüssige und nachvollziehbare" Sachverständigengutachten verfügt.
Der 22-Jährige, der mit versteinerter Miene der Urteilsverkündung folgte, legte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.
Der Mann hatte am 1. Juni 2020 einer Transsexuellen in deren Wohnung mit einem Klappmesser unzählige Stich- und Schnittwunden zugefügt. Er habe die Prostituierte "wie eine Puppe aufgeschnitten", nachdem er deren Dienste in Anspruch genommen hatte, stellte der Vorsitzende fest. "Er hat mein Leben total zerstört", hatte die 34-Jährige beim Prozessauftakt im vergangenen Dezember als Zeugin angegeben.
Der 22-Jährige - er war 2018 zu seiner Mutter in die Obersteiermark übersiedelt und hatte dort als Tischler gearbeitet - hatte sich am 31. Mai 2020 für den darauf folgenden Tag mehrere Termine mit Prostituierten in der Bundeshauptstadt ausgemacht. Bei zwei der drei Frauen handelte es sich um Transsexuelle. Beim ersten Treffen, das um 9.00 Uhr stattfand, bat der 22-Jährige nach dem Geschlechtsverkehr die Frau, sie möge die Augen kurz schließen, er wolle ihr etwas schenken. In einem Spiegel sah die Sexarbeiterin dann aber, wie er hinter ihrem Rücken plötzlich ein Messer zog. Die Frau sprang auf und warf den Freier resolut aus dem Zimmer. Die Geschworenen werteten dieses Faktum einstimmig als versuchten Mord.
Beim zweiten Termin - um 13.00 Uhr - fühlte sich der 22-Jährige in der fremden Wohnung nicht wohl, weil vor dem Fenster Leute im Garten saßen. Er verließ darauf hin die Wohnung, ohne die vereinbarten Dienste in Anspruch zu nehmen, wobei der Prostituierten auffiel, dass der junge Mann eine Barbiepuppe mit schwarzen Haaren aus seiner Unterhose zog und mit dieser spielte, ehe er sich entfernte.
Das dritte Treffen war für 15.00 Uhr in der Wohnung der 34-Jährigen anberaumt. Man einigte sich, dass die Transsexuelle den Mann für 100 Euro massieren sollte, wobei dieser kurzfristig um einen Rollenwechsel bat. Nachdem er ihr einen Stofftiger geschenkt hatte, begann er mit der Massage, ehe er ein Messer zückte und der 34-Jährigen Schnittwunden zufügte. Laut Anklage versuchte der 22-Jährige, dem Opfer die Kehle durchzuschneiden. Als die Prostituierte zu schreien begann, folgten zahllose weitere Stiche und Schnitte ins Gesicht, in den Kopf und in den Oberkörper, wobei der Täter kein Wort gesprochen, aber eigenartig brummende Geräusche von sich gegeben haben soll. Als die 34-Jährige es schließlich aus dem Bett schaffte und davonlaufen wollte, zog er sie laut Anklage an den Haaren zurück und versetzte ihr noch einen massiven Stich in den Rücken.
Die Mitbewohnerin der 34-Jährigen kam dieser - von den Schreien alarmiert - zu Hilfe und dürfte ihr das Leben gerettet haben, indem sie die Schwerverletzte an der Hand packte, zu sich zog und sich dem Täter in den Weg stellte. Sie kassierte einen tiefen Schnitt am Oberarm, konnte sich aber mit ihrer Freundin aus der Wohnung retten. Die Attacke auf die Mitbewohnerin werteten die Geschworenen als absichtliche schwere Körperverletzung, jene auf die 34-Jährige einstimmig als versuchten Mord.
Der Angeklagte hatte beim ersten Verhandlungstermin behauptet, er habe in einer Notwehr-Situation zugestochen. Es habe sich um "reine Selbstverteidigung" gehandelt. Er sei hinter der 34-Jährigen gesessen und habe diese massiert, als diese begonnen hätte, ihn am Oberschenkel zu berühren. Er habe ihre Hand weggegeben und sie gebeten aufzuhören, "weil mir das nicht angenehm war". Da habe sie ihn an den Genitalien gepackt: "Das hat mir Schmerzen gemacht." In dieser Situation habe er "die einzige Möglichkeit gesehen, nach meinem Messer zu greifen", das er als Tischler stets bei sich trage.
In der heutigen Verhandlung ergänzte der 22-Jährige, ihm tue leid, was passiert ist: "Ich kann Ihnen versichern, so etwas wird nicht mehr passieren. Sobald ich wieder zurück in der Arbeit bin möchte ich die Opfer entschädigen." Er sei "in guter Absicht" zu den Terminen gefahren: "Ich wollte ein bisschen Spaß haben mit den Mädls. Ich wollte niemanden verletzen." Er sei "froh und glücklich, dass ich in so einem schönen Land wie Österreich leben kann."
Für Gerichtspsychiater Hofmann handelte es sich bei dem Angeklagten um einen potenziellen Serientäter. Er bezeichnete das inkriminierte Geschehen als "eine chaotisch, aus dem Ruder laufende Ersttat eines Serientäters mit narzisstisch, sadistischem Handlungsmotiv". Bei der Tatausführung habe der 22-Jährige auf "Sicherungstendenzen" - einen Fluchtplan oder das Verwischen von Spuren - verzichtet. Der Messerattacke auf die 34-Jährige sei ein "hoher Planungsgrad" vorausgegangen, der Angriff selber sei mit einem "unglaublichen Ausbruch an Aggression" erfolgt. Das Vorgehen "passe" zu sadistischen Sexualmördern, meinte Hofmann.
Der Experte warnte mit Nachdruck vor dem 22-Jährigen. Dem jungen Mann sei eine "schwerwiegende Störung" eigen, dieser stehe dem ihm Vorgeworfenen "völlig emotionslos" gegenüber, sagte der Gutachter. Dem Mann sei es darum gegangen, "maximalen Schmerz" zuzufügen.
Zusammenfassung
- Wegen versuchten Mordes an zwei Wiener Prostituierten und absichtlicher schwerer Körperverletzung zulasten einer dritten Sexarbeiterin ist ein 22-Jähriger am Donnerstag am Landesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
- "Er hat mein Leben total zerstört", hatte die 34-Jährige beim Prozessauftakt im vergangenen Dezember als Zeugin angegeben.
- Laut Anklage versuchte der 22-Jährige, dem Opfer die Kehle durchzuschneiden.