Hochwasser durch ungünstige Zusammenballung von Ereignissen
Gerade in der Frage der "Awareness" gebe es hierzulande Aufholbedarf. Man sollte nicht vergessen, dass "nach dem Hochwasser vor dem Hochwasser" bedeute, sagte der Vorstand des Instituts für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der Technischen Universität (TU) Wien. Das offenbart auch ein Blick in die Historie: Hier reiht sich das nunmehrige Ereignis etwas hinter den großen Hochwässern der Jahre 2002 und 2013 ein.
Beim Blick auf Kärnten war zuletzt im Jahr 1966 ein noch extremeres Ereignis zu verzeichnen, erinnert Blöschl. Zusammen mit Meteorologen hat der Hydrologe zuletzt im Jahr 2019 die Muster hinter dem Auftreten von sogenannten "Vb-Wetterlagen" im Fachblatt "Journal of Geophysical Research" analysiert.
Davon spricht man, wenn Tiefdruckgebiete vom westlichen Mittelmeer über Italien, Österreich und Ungarn nach Polen ziehen. Da sie starke Niederschläge mit sich bringen, können sie hierzulande zu Hochwassern führen. So stehen etwa die großen Donau-Hochwasser 2002 und 2013 im Zusammenhang mit dieser besonderen Wetterkonstellation. Ein solches "Genua-Tief" brachte auch die aktuelle Katastrophe im Süden des Landes mit sich.
In der Analyse zeigte sich, dass im Jahrzehnte-Vergleich Vb-Wetterlagen nicht per se häufiger, allerdings zuletzt mit höherer Wahrscheinlichkeit mehrere solche Komplexe in knapper Abfolge (Cluster) auftreten. "Wenn diese Wetterlagen auch per se nicht häufiger werden, gibt es schon eine Tendenz, dass sie intensiver werden", so Blöschl. Das heißt, dass die Niederschlagsmengen bei solchen Wetterlagen zunehmen - "das passt auch zu den letzten Tagen".
So war es in unseren Breiten, und vor allem im Mittelmeerraum zuvor "sehr heiß". Die Meerwassertemperaturen waren sehr hoch, was den Effekt des Einfallens kalter Luft aus dem britschen Raum verstärkt. "Das hat eine brisante Mischung aufgemacht, die zu sehr hohen Niederschlägen geführt hat", so Blöschl. Nicht der Auslöser hat sich also signifikant verändert, die durchschnittlich gestiegenen Temperaturen führen aber dazu, dass sich mehr Energie in so einem Wettersystem befinden kann, das dann entsprechend schlimmere Auswirkungen mit sich bringen kann.
Im aktuellen Fall gab es mehrere Tage andauernden durchgehenden Regen und zusätzlich "eingebettete Gewitter". Hydrologisch gesehen, bringen Gewitter Hochwässer in kleineren Gebieten, was vor allem im alpinen Raum auch Muren zur Folge hat, erklärte Blöschl. Lange Niederschläge bringen wiederum Fluten entlang der großen Flüsse, wie Drau oder um Kärntner Seen. "Wir haben jetzt eine Mischung von beidem gehabt", so der Experte. Durch zuvor bereits größere Regenmengen in der Region waren die Böden zudem auch noch vor-befeuchtet. Blöschl: "Es gab also Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise."
Insgesamt gesehen hätten die Tausenden Rückhaltebecken in den betroffenen Regionen "eigentlich gut funktioniert". Aufgrund der aktuellen Situation müsse man daher auch die Hochwasserschutzkonzepte in der Region nicht grundlegend überdenken, erklärte der Hydrologe. Auf Expertenebene sei es auch nicht überraschend, dass es zu so einem Ereignis kommt: "Das ist etwas, womit man rechnen muss. Vielleicht werden solche Ereignisse etwas häufiger, die Konzepte werden aber nicht auf den Kopf gestellt."
Nie vergessen dürfe man allerdings, dass auch noch größere Hochwasserereignisse nicht auszuschließen sind, so Blöschl. Experten, Behörden und Feuerwehren sei das durchaus bewusst, "in der Bevölkerung ist es vielleicht nicht so klar, dass solche Mega-Ereignisse auch möglich sind". Das gelte sowohl für das Einzugsgebiet der Drau als auch jenes der Donau.
Viel diskutiert wird momentan auch darüber, was die fortschreitende Bodenversiegelung im Land zu den Auswirkungen von Hochwässern beiträgt. Dieser Faktor kann vor allem bei durch Gewitter verursachte Überschwemmungen in kleineren, städtischen Gebieten eine große Rolle spielen. Bei Ereignissen, die größere Gebiete betreffen, nimmt einerseits der prozentuelle Anteil der verbauten Fläche ab. Andererseits werden räumlich kleinere Fluten durch extrem hohe Regenmengen in kurzer Zeit verursacht, wenn das Wasser nicht im Boden einsickern kann.
Bei großflächigeren Überschwemmungen etwa entlang der Donau "ist das aber nicht der Hauptmechanismus: Die momentanen Niederschlagsintensitäten sind hier kleiner." Allerdings regnet es hier über mehrere Tage relativ viel, was die Grundwasserspiegel anhebt und dem Boden die Kapazität nimmt, zusätzlich Wasser aufzunehmen. Hier spiele das Ausmaß der Bodenversiegelung dann eine vernachlässigbare Rolle, sagte Blöschl.
Zusammenfassung
- Das sei Experten zwar bewusst, in der Bevölkerung aber wenig präsent.
- Beim Blick auf Kärnten war zuletzt im Jahr 1966 ein noch extremeres Ereignis zu verzeichnen, erinnert Blöschl.