Erstaunliche Aussagen im "Alt-Wien"-Prozess
Zunächst ging es darum, dass eine ehemalige Mitarbeiterin des Vereins "Alt-Wien" ihren Angaben zufolge Scheinrechnungen in Höhe von rund 174.000 Euro produziert und damit Verschleierungshandlungen gesetzt haben soll. Die langjährige "Alt-Wien"-Mitarbeiterin hatte sich in der Vorwoche vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Mona Zink-Farkas) der Beihilfe zur Untreue schuldig bekannt. Dazu bemerkte nun der ehemalige "Alt-Wien"-Chef, er habe die Frau nicht "angeleitet" und ihr "nichts gesagt", wie er mehrfach betonte: "Warum sie im Namen Dritter Rechnungen erstellt, hat mich nicht interessiert." Das sei Agenda seiner - inzwischen verstorbenen Frau - gewesen: "Für mich war wichtig, was meine Frau mit ihr ausgemacht hat." Viel habe es da für ihn nicht zu besprechen gegeben, er habe sich hin und wieder mit seiner Frau "vor dem Schlafengehen" über Geschäftliches unterhalten.
Die Mitarbeiterin brachte monatlich immerhin 6.000 bis 7.000 Euro ins Verdienen - ein stolzes Salär, wie die Richterin anmerkte. "Das finde ich angemessen", bemerkte daraufhin der Hauptangeklagte. "Wie viele Stunden hat sie denn gearbeitet?", wollte die Richterin wissen. "Das weiß ich nicht", erwiderte der 82-Jährige. Die Mitarbeiterin sei aber jeden Tag von ihrem Wohnort St. Pölten nach Wien gefahren, habe Termine in Kindergärten und im Büro gehabt: "Wenn meine Frau findet, das (gemeint: das Gehalt der Mitarbeiterin, Anm.) ist in Ordnung, kann ich nicht gut sagen, das passt nicht."
Im Übrigen verstehe er nach wie vor nicht, weshalb die Stadt Wien ihm vorwerfe, Subventionen ausgegeben zu haben: "Wir haben 36 Millionen ausgegeben für die Betreuung von Kindern. Dann habe ich nach sechs Jahren erfahren, das hätte ich angeblich nicht dürfen. Im siebenten Jahr haben sie (gemeint: die Gemeinde Wien, Anm.) sich nicht einkriegen können vor Schreck."
Drei Töchter und ein Sohn des 82-Jährigen sind in dem Verfahren wegen Geldwäscherei mitangeklagt. Sie sollen im Wissen um die aus kriminellen Machenschaften stammenden Gelder immer wieder Mittel des Vereins bekommen haben bzw. sich vom Vater beschenken haben lassen. Eine Tochter wies das nun aufs Schärfste zurück. Sie sei stets von ihren Eltern "verwöhnt und unterstützt" worden, ihre Großmutter habe sie, aber auch das von ihren Eltern geschaffene Kindergarten-Netzwerk "großartig beschenkt". Ihr sei "nie in den Sinn gekommen, dass Summen aus kriminellen Handlungen stammen könnten". Sie sei "überzeugt, dass meine Familie nie etwas Verbotenes getan hat", sagte die Tochter. Sie sei "sehr traurig, dass man uns die Kindergärten weggenommen hat." Aus "lauter Verzweiflung" habe sie deswegen auch zehn Kilogramm abgenommen: "Es gibt mir Trost, dass wir Kindern eine unvergessliche Kindheit schenken konnten".
Wie die Frau in ihrer Einvernahme darlegte, habe sie sich auf Wunsch ihrer Eltern zur Kindergarten-Pädagogin ausbilden lassen, im Verein gearbeitet und als Schriftführerin, später auch als Kassierin fungiert. Ersteres habe sie getan, "weil keiner in der Familie es machen wollte". Als Schriftführerin sei "nichts zu tun" gewesen: "Meine Eltern waren die Chefs. Ich hab' immer wieder einen Antrag für die MA 11 unterschreiben müssen." Kassierin sei sie "pro forma" gewesen: "Das alles hat mein Vater gemacht. Ich hab' mir nie Fragen gestellt. Der Kindergarten war im Laufen, es hat alles funktioniert."
Die Liegenschaften und die Wohnung, die sie und ihre Geschwister übertragen bekamen, habe sie "nicht wissentlich" aus Mitteln des Vereins erhalten, versicherte die Angeklagte. Ihr Vater habe ihr auch immer wieder, als sie längst im Erwachsenenalter war, Rechnungen bezahlt: "In seinem Arbeitswahn hat er alles aufgemacht und gesagt, ich zahle es. Ich habe nicht Nein gesagt." Auf die Frage, warum ihr Vater ihre Zahnarzt-Honorare beglichen oder Urlaubsreisen übernommen habe, erwiderte die Frau: "Weil er nett war. Das war für mich nichts Neues."
Der Prozess um schweren gewerbsmäßigen Betrug, Untreue, betrügerische Krida und Geldwäscherei ist vorerst bis Ende Oktober anberaumt. Weitere Verhandlungstage im Spätherbst folgen, Urteile könnte es erst 2024 geben. Für den vormaligen "Alt-Wien"-Chef geht es im Fall einer Verurteilung um bis zu zehn Jahre Haft.
Zusammenfassung
- Am Montag ist am Wiener Landesgericht der Prozess gegen den ehemaligen Betreiber der "Alt-Wien"-Kindergärten fortgesetzt worden, der sich von 2009 bis 2016 Subventionen der Stadt Wien in Höhe von 36 Millionen Euro erschwindelt haben soll.
- Der 82 Jahre alte Hauptangeklagte und eine mitangeklagte Tochter sorgten mit Aussagen für Staunen.
- Für den vormaligen "Alt-Wien"-Chef geht es im Fall einer Verurteilung um bis zu zehn Jahre Haft.