Entscheidende Sprengstoffsuche nach Terrorplänen
Während unter Anwälten schon von möglichen Enthaftungen gesprochen wird, geben die Ermittler von Polizei und Verfassungsschutz nicht auf. Nach PULS 24 Informationen steht noch vor dem Wochenende eine entscheidende Suchaktion in den Ermittlungen gegen jene Personen an, die als Netzwerk des ISKP Anschläge gegen Stephansdom, Kölner Dom und Prater geplant haben sollen.
Kurzer Überblick: Vier Verdächtige sitzen deshalb derzeit in Österreich in Untersuchungshaft. Ein Ehepaar – er Tadschike, sie Türkin - wurde im Dezember in einer Flüchtlingsunterkunft in Wien-Ottakring festgenommen.
Ein weiterer Verdächtiger, ein Tadschike, der aus Deutschland nach Wien gereist ist und hier Gemäuer des Stephansdom abgeklopfte und Fotos im Dom und im Prater gemacht haben soll, wurde mittlerweile nach Wien ausgeliefert.
Verdächtiger Nummer 4, ein Mann aus Dagestan, könnte die entscheidenden Hinweise liefern: Auf seinem Smartphone wurden Koordinaten zu mehreren entlegenen Orten in Österreich gefunden. Es besteht der Verdacht, dass die Daten zu Sprengstoff- und Waffenverstecken führen könnten.
Letzte Chance
Mehrmals suchten Polizei, DSN (Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst) und andere Spezialisten bereits – auch mit Hilfe von Drohnen und Spürhunden. Gefunden wurde bislang nichts. Noch diese Woche will man es laut PULS 24 Informationen abermals versuchen.
Untersucht wird dieses Mal ein schwer zugängliches Areal in Hinterbrühl im Wienerwald. Dort sollen, wie auch schon in Sieghartskirchen, von einer externen Firma Bodenproben genommen werden.
Gehen die Ermittler wieder mit leeren Händen nach Hause, so könnte das, wie PULS 24 aus Anwaltskreisen hört, ein Enthaftungsgrund für mehrere Verdächtige sein.
Dann würde kein dringender Tatverdacht hinsichtlich eines möglichen Anschlags auf den Stephansdom mehr vorliegen.
"Ich warte die Suche an den Koordinaten noch ab. Sollte dort dann nichts gefunden werden, wird sofort ein Enthaftungsantrag für meine Mandanten gestellt. Denn dann würde kein dringender Tatverdacht hinsichtlich eines möglichen Anschlags auf den Stephansdom mehr vorliegen", so Andreas Schweitzer, Anwalt des Ehepaars gegenüber PULS 24.
"Hochradikalisierte Personen"
Dabei sind sich die Ermittler sicher, dass es sich bei den Verdächtigen um hochradikalisierte Personen handelt. Der Mann aus Dagestan soll laut Akten, die PULS 24 vorliegen, nicht nur "Bezüge in die salafistisch-jihadistische Szene in Deutschland" haben, sondern "selbst Teil eines islamistischen nordkaukasisch-zentralasiatischen Netzwerkes" sein.
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Er soll jenem Verdächtigen vorstehen, der die Fotos in Stephansdom und im Prater anfertigte und wiederum in Deutschland festgenommen worden war, weil er dort und in den Niederlanden Kontakte zu ISPK-Netzwerken gehabt haben soll.
Video: Neue Terror-Zelle in Österreich entlarvt
Beide sollen das Ehepaar aus Wien mehrmals getroffen haben, der Mann aus Dagestan wurde von der Polizei in ihrer Flüchtlingsunterkunft in Ottakring am Gebetsteppich schlafend aufgefunden. Sie bestreiten alle Vorwürfe.
Die österreichischen Behörden wollen aber von ausländischen Sicherheitsdiensten erfahren haben, dass mutmaßlichen Anschlagspläne "unter Einsatz von Schusswaffen und/oder Sprengmitteln" geplant worden seien, heißt es in den Ermittlungsakten.
Den Verdacht begründen die Behörden auch mit Erkenntnissen aus einem Ermittlungsverfahren gegen ISKP-Anhänger in der Türkei. Dort hätten Verdächtige Fotos vom schwedischen Konsulat und Umgebung angefertigt – wie die Verdächtigen in Wien von Prater, Stephansdom und Kölner Dom.
"Dead-Drop-Methode"
Die türkischen Ermittler gehen davon aus, dass solche Anschläge auf Konsulate und Synagogen auch in Europa geplant seien. Dabei ist die Rede von der sogenannten "Dead-Drop-Methode", bei der Islamisten Waffen oder Sprengstoff verstecken und den Attentätern dann die Koordinaten übermitteln. Ein solches Versteck wurde erst kürzlich in Bulgarien entdeckt – mutmaßlich gedacht für Anschläge auf Synagogen in Berlin.
Daniela Pisoiu, Senior Researcher am Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) und Dozentin an der Universität Wien, forscht zu den Themen Radikalisierung und Extremismus und Terrorismus.
Gegenüber PULS 24 warnt auch die Expertin vor der Gefahr, die von mutmaßlichen ISKP-Terroristen in Europa ausgehen könnte: Jene, die direkt in Zentralasien oder Afghanistan ausgebildet wurden und zentral gesteuert werden, seien "deutlich gefährlicher".
Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass die Anschläge, die von ISKP ausgehen könnten, um einiges größer und destruktiver sein werden.
"Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass die Anschläge, die von ISKP ausgehen könnten, um einiges größer und destruktiver sein werden, als die, die von einheimischen IS-Anhängern in Europa in den letzten Jahren verübt wurden", so Pisoiu.
"Besonders gut ausgebildet und motiviert"
Tadschiken seien laut Berichten unter den ISKP-Kämpfern "besonders gut ausgebildet und motiviert". Ob das auch bei den Wiener Verdächtigen der Fall sei, sei aber nicht bekannt, so die Expertin.
Der ISKP rufe derzeit jedenfalls zu Anschlägen auf Großveranstaltungen wie die Europameisterschaft in Deutschland oder die Olympischen Spiele in Paris auf. Potenzielle Ziele seien aber alle europäischen Hauptstädte – besonders in Frankreich, Deutschland und Schweden. Gebäude wie der Stephansdom seien wegen ihrer symbolischen Wirkung in Gefahr.
Einreise über Ukraine
Österreich war laut Pisoiu bereits in den 2010er-Jahren logistische "Drehscheibe für den internationalen Dschihad", so Pisoiu. Wegen der Fluchtrouten durch Wien, der organisierten Kriminalität und der großen Quantität an Waffen nach den Balkankriegen bestehe die Möglichkeit weiterhin. Der ISPK versuche derzeit gezielt, mögliche Terroristen nach Europa zu schleusen – auch über Fluchtrouten.
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So kamen auch die vier Verdächtigen, die momentan in U-Haft sitzen über die Ukraine in die EU. Wie PULS 24 berichtete, fielen die Verdächtigen auch dort den Behörden schon auf. Die Türkin soll dort "in unrechtmäßigen Legalisierungsprozess von ausländischen Terrorkämpfern (FTF) auf ukrainischem Staatsgebiet durch die Fälschung von Vaterschaftsdokumenten" beteiligt gewesen sein, teilten die ukrainischen Behörden mit.
Ihr Ehemann soll demnach im Jahr 2016 eine Ausreise von der Ukraine zum IS in den Irak geplant haben.
Konten auf Kinder angemeldet
Ob all die vermuteten Zusammenhänge und Verdachtslagen aber vor Gericht reichen? Ohne tatsächlichem Sprengstofffund könnten die Ermittlungen ins Stocken geraten.
Weitere Hinweise erhoffen sich die Behörden dann offenbar noch auf mögliche Kontoöffnungen: Das Paar soll in Österreich auf alle unmündigen Kinder – sie befinden sich mittlerweile bei Verwandten in der Türkei – Konten angemeldet haben. Darin sehen die Behörden eine "gängige vorgangsweise radikal-islamistischer Netzwerke - und auch des ISKP (…), um gewisse Finanztransaktionen zu verschleiern".
Doku: RADIKALISIERUNG IM GEFÄNGNIS – Droht der nächste Anschlag?
Zusammenfassung
- Ein mutmaßliches Netzwerk des "Islamischen Staats in der Provinz Khorasan" (ISKP) soll Anschlagspläne gegen Stephansdom, Prater und Kölner Dom geschmiedet haben.
- Vier Personen sitzen in U-Haft – das könnte sich aber ändern, wird im Wiener Wald kein Sprengstoff gefunden.
- Die entscheidende Suchaktion findet noch vor dem Wochenende im Wienerwald statt.