Eigenbrauer-Syndrom kann langen Leidensweg bedeuten
"Das Eigenbrauer-Syndrom hat erhebliche soziale, rechtliche und medizinische Folgen für die Patienten und ihre Angehörigen", schreibt die Gruppe um Rahel Zewude von der University of Toronto. Berichtet wird über eine Frau in Kanada, die mehrfach wegen extremer Tagesmüdigkeit und undeutlicher Sprache in die Notaufnahme kam. Sie habe jedes Mal eine schlimme Alkoholvergiftung mit erhöhten Blutalkoholwerten und Alkohol im Atem gehabt - und jedes Mal angegeben, keinen Alkohol getrunken zu haben.
Die Frau, verheiratet und Mutter, sei von Internisten, aber auch Psychiatern aus dem suchtmedizinischen Bereich untersucht worden und nach jedem Klinikbesuch ein bis zwei Wochen wegen anhaltender Lethargie und Übermüdung arbeitsunfähig gewesen. Erst beim siebenten Besuch sei das Eigenbrauer-Syndrom (englisch: Auto-Brewery Syndrome) als mögliche Diagnose für die 50-Jährige ins Spiel gekommen.
Als Ursache für die seltene Erkrankung wird angenommen, dass die normale Darmflora von Pilzen überwuchert wird, die durch Gärung aus Kohlenhydraten Alkohol erzeugen. Vermutet wird ein Zusammenhang zu anderen Krankheiten wie Diabetes oder Leberproblemen sowie eine erbliche Komponente, wie es in der Studie heißt. Häufig beteiligte Pilze seien Saccharomyces cerevisiae und bestimmte Candida-Arten wie C. albicans, auch Bakterien könnten eine Rolle spielen.
Im vorgestellten Fall hatte die Frau wegen wiederkehrender Harnwegsinfektionen mehrere Antibiotika sowie einen Protonenpumpenhemmer gegen Magenbeschwerden eingenommen. Einige Zeit später begann sie unter übermäßiger Schläfrigkeit mit plötzlichem Einschlafen während der Arbeit oder bei der Zubereitung von Mahlzeiten zu leiden. Dann folgten die Klinikeinweisungen.
Zur Behandlung erhielt sie nach der Diagnose antimykotische Medikamente, zudem wurde eine kohlenhydratarme Ernährung empfohlen. Nach einiger Zeit klangen die Symptome dauerhaft ab.
Einem Verdacht auf das Eigenbrauer-Syndrom solle frühzeitig nachgegangen werden, empfehlen die Mediziner, "da Verzögerungen bei der Behandlung die körperlichen, sozialen und finanziellen Folgen verlängern können". Ein standardisiertes Diagnoseverfahren gebe es allerdings bisher nicht. Für die Therapie gibt das Team zu bedenken, dass - wie auch im vorgestellten Fall - mit Rückfällen nach dem Absetzen der Antimykotika zu rechnen ist.
In Belgien war kürzlich ein vermutlich am Eigenbrauer-Syndrom leidender Mann vom Vorwurf der Trunkenheit am Steuer freigesprochen worden. Ein Rechtsmediziner hatte bestätigt, dass das Syndrom höchstwahrscheinlich vorliege. Ähnliche Fälle hatte es auch in den USA schon mehrfach gegeben.
Auch bei gesunden Menschen wird Wissenschaftern zufolge während der Verdauung Alkohol - genauer Ethanol - gebildet, allerdings nur in geringen Mengen. Experten vermuten, dass es eine recht hohe Dunkelziffer nicht erkannter Fälle für das Eigenbrauer-Syndrom gibt. Mitunter kann im Umfeld der Verdacht entstehen, es handle sich um heimliche Alkoholiker.
(S E R V I C E - https://www.cmaj.ca/content/196/21/E724 )
Zusammenfassung
- Eine Frau in Kanada wurde mehrfach wegen extremer Tagesmüdigkeit und undeutlicher Sprache in die Notaufnahme eingeliefert. Erst beim siebenten Besuch wurde das Eigenbrauer-Syndrom diagnostiziert.
- Das Eigenbrauer-Syndrom führt zu Alkoholvergiftung ohne Alkoholkonsum und hat erhebliche soziale, rechtliche und medizinische Folgen. Häufig beteiligte Pilze sind Saccharomyces cerevisiae und Candida-Arten wie C. albicans.
- Zur Behandlung des Eigenbrauer-Syndroms werden antimykotische Medikamente und eine kohlenhydratarme Ernährung empfohlen. Ein standardisiertes Diagnoseverfahren fehlt bisher.