Drei Jahre unbedingte Haft für Stich gegen Streitschlichter
"Die Wunde war zwar nur einen Zentimeter groß. Aber wenn der Stich nur zwei Zentimeter daneben gegangen wäre, wäre das lebensbedrohlich gewesen", sagte die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung unter Verweis auf ein im Vorfeld von ihr eingeholtes gerichtsmedizinisches Gutachten. Es sei "reiner Zufall, dass der Vorfall so glimpflich ausgegangen ist". "Es war ganz knapp neben der Hauptschlagader. Wenn er die trifft, bin i nimmer da", bekräftigte der Betroffene, ein bei den Wiener Linien beschäftigter Busfahrer.
Der Mann hatte mitbekommen, wie es gegen 18.00 Uhr auf der Inzersdorfer Straße zu einer tätlichen Auseinandersetzung kam. Der Angeklagte war mit seiner Freundin am Heimweg, als ihm am Gehsteig ein E-Roller-Fahrer entgegenkam. Er wurde sogleich aggressiv, schimpfte und stieß den Fahrer zu Boden. Nachdem sich dieser aufgerappelt hatte, flogen die Fäuste. Der Angeklagte versetzte dabei dem Roller-Fahrer mit einem Metallstift einen Stich in den Bauch, worauf er Schläge ins Gesicht kassierte. Dabei zerbrach seine Brille. Schließlich trennten der Busfahrer und ein zweiter Zeuge die kämpfenden Männer, was der Roller-Fahrer nutzte, um sich auf sein Gefährt zu schwingen und unerkannt zu flüchten. Er konnte in weiterer Folge auch nicht ausgeforscht werden.
Der Angeklagte, der sich am Ohr verletzt hatte, kochte offenbar immer noch vor Wut und gab einem der beiden Zeugen die Schuld daran, dass er sich nicht weiter an seinem Widersacher abreagieren konnte. "Ich hab' meinen Helfer leider angestochen", meinte er nun in seiner Beschuldigteneinvernahme, "ich war desorientiert von den Schlägen." Außerdem sei er angetrunken gewesen und habe psychische Probleme: "Ich mag keine großen Menschenansammlungen."
Darüber hinaus dürfte der 37-Jährige grundsätzlich ein Problem mit E-Scooter- und E-Roller-Fahrern haben. Er saß im Vorjahr mehrere Monate im Gefängnis, nachdem er einen ihm entgegenkommenden E-Scooter zu Boden geschlagen und mit einem Stanley-Messer bedroht hatte ("Ich stech dich ab!"). Darauf angesprochen, bemerkte er nun, Alkohol, Cannabis und Psychopharmaka, die er gegen seine Angstzustände und Panikattacken nehme, würden ihn aggressiv machen.
"Es tut mir leid, ich wollte den nie verletzen", entschuldigte sich der Angeklagte am Ende beim Busfahrer, der zwei Tage im Spital und danach zwei Wochen im Krankenstand verbracht hatte. "Ich will nur, dass er mich in Ruhe lässt und seine Strafe bekommt. So geht man nicht mit Menschen um, die helfen wollen", erwiderte dieser. Der 57-Jährige bekam vom Gericht 1.500 Euro für die erlittenen Schmerzen zugesprochen. Der Angeklagte nahm die über ihn verhängte Strafe an. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.
Zusammenfassung
- Weil er am 13. Mai 2024 in Wien-Favoriten einen Streit zwischen einem E-Roller-Fahrer und einem aufgebrachten Fußgänger schlichten wollte, ist ein 57-Jähriger im Spital gelandet. Der Fußgänger stach ihm aus Wut einen Metallstift in den Oberschenkel, weil er ihm offensichtlich die Schuld daran gab, dass der Roller-Fahrer entwischen konnte. Am Montag wurde der mehrfach vorbestrafte 37-Jährige am Landesgericht wegen schwerer Körperverletzung zu drei Jahren unbedingt verurteilt.