APA/Wolfgang Huber-Lang

Bodenverdichtung und Trockenheit bedrohen Parkbäume

Spaziergängern im Wiener Augarten bietet sich derzeit ein irritierendes Bild: Von etlichen Alleebäumen sind nur noch die Baumstümpfe übriggeblieben. Ein Großteil der frisch geschnittenen Flächen sieht gesund aus. Junge Bäume haben ebenso dran glauben müssen wie alte. Wie viele es wohl sind? Genau 111 sind es, weiß Kurt Macek. Er muss es wissen. Er ist der für den Augarten zuständige Baumkontrollor der Bundesgärten - und hat sich für eine Begehung mit der APA bereit erklärt.

Es ist eine heikle Materie, das weiß der 58-jährige gelernte Gärtner aus langjähriger Erfahrung: "Immer wieder kommt es zu Debatten mit Leuten, die uns bei Fällungen verbal attackieren. Manchmal kommt man sich als Freiwild vor. Es ist gut, dass den Menschen bewusst ist, wie wichtig Bäume sind. Aber gerade deshalb nehmen wir unseren Job auch so ernst." Ernst sei allerdings auch die Lage der 2.836 im Baumkataster verzeichneten Gewächse im Augarten. Zwei Hauptgründe nennt Macek dafür: Eine viel zu hohe Bodenverdichtung, die Wachstum und Nahrungsaufnahme der Wurzeln erschwert, und die rapide voranschreitende Trockenheit.

"Seit dem U-Bahn-Bau ist der Grundwasserspiegel im Augarten drastisch gesunken. Die Sommer werden trockener und heißer, da kommt man mit dem Gießen oft gar nicht mehr nach." Tatsächlich sind unter den jüngst geschnittenen Bäumen auch einige, die erst im vergangenen Jahr frisch gepflanzt wurden, doch nie angewachsen sind. Nachgepflanzt muss jeder gefällte Baum werden, beteuert Macek, da seien die Regeln nicht anders als für private. Auch die Bundesgärten reichen nur ein, die Rodungsbescheide stellt dagegen die Gemeinde aus, die zur endgültigen Begutachtung zwei Beamte schickt. Bei 15 Einreichungen der jüngsten Tranche habe man sich in gemeinsamen Diskussionen darauf geeinigt, den Bäumen noch eine Chance zu geben, erzählt der Baumkontrollor. "Jeder Baum ist Leben! Auch für die Menschen."

Dass diesem Leben von rund drei bis vier Prozent der Bäume im Augarten jährlich von Amts wegen ein Ende bereitet wird, hat zwei Gründe: Schutz der Spaziergänger vor herabfallenden Ästen (oder gar umfallenden Bäumen) sowie Erhaltung eines gesunden Baumbestands. Dabei ist in den Kastanienalleen nicht mehr die Miniermotte, sondern das Bakterium Pseudomonas syringae für die größten Schäden verantwortlich, das sich innerhalb von wenigen Jahren in Europa verbreitet hat. "Eigentlich sollte man keine Kastanien mehr nachsetzen. Im Augarten zählt sie aber zum historischen Bild der Parkanlage", sagt Macek. Deutlich resistenter als die rot- und die weißblühende Rosskastanie ist übrigens die gelbe Kastanie, von der etwa im Burggarten rechts und links des Mozart-Denkmals je ein Exemplar steht. Sie wächst allerdings deutlich langsamer.

Macek ist nicht nur für den Augarten, sondern auch für Volks- und Burggarten, Belvederegarten sowie Heldenplatz und Maria-Theresien-Platz verantwortlich - insgesamt 4.557 Bäume. Zu ihren größten Feinden zählt er nicht nur den Klimawandel, sondern auch den Menschen und dessen Unachtsamkeit. "Baustellen und Feste sind ein Horror! Aus langjähriger Erfahrung kann ich sagen: Die größten Gegner der Bäume sind Baufirmen." Auch im Augarten sind die Schäden, die bei der Errichtung eines Gebäudes auf einem der Sportplätze verursacht wurden, derzeit Gegenstand von Auseinandersetzungen. "Es gibt aber auch Vandalismus. Besonders arg war es nach den Corona-Lockdowns. Da haben sich junge Leute offenbar ihre Kraft beweisen müssen und in einer einzigen Nacht gleich sechs Jungbäume abgebrochen."

Das Zauberwort für die Arbeit der Baumkontrollore heißt VTA: Visual-Tree-Assessment. Das bedeutet, dass die Begutachtung per Augenschein vom Boden aus vorgenommen wird - was viel Erfahrung und Verantwortung bedeutet. Pseudomonas-Befall erkennt man etwa an rissig gewordener Rinde, schwarzen Verfärbungen an Stamm und Ästen, Saftfluss sowie Absterben oder Vergilben von Teilen der Baumkrone. Technische Alternativen wie Resistographen, mit denen Bäume zum Feststellen von Fäulnisbefall angebohrt werden, sind teurer, aufwendiger und für die Bäume oft riskanter, da über die Bohrlöcher Feuchtigkeit, Pilze und Schädlinge eindringen können.

Das bedeutet allerdings: Liegt man mit der Einschätzung falsch, ist es zu spät. In beiden Richtungen. So berichtet Macek von einer Blumenesche, die wegen Pilzbefall im Wurzelbereich bereits eingereicht war, deren Schäden jedoch so fortgeschritten waren, dass sie noch vor der Fällung von einem Sommersturm umgelegt wurde. Andererseits kann es passieren, dass sich nach dem Fällen herausstellt, dass die Substanz des Baumes gesünder war als angenommen. Und im Worst Case kommt es zu Fehlfällungen, bei denen überhaupt der falsche Baum ungeschnitten wurde. Der bekannteste Fall betraf vor zwei Jahren einen über 60-jährigen gesunden Maulbeerbaum vor dem Augarten-Eingang Klanggasse, bei dem die beauftragte Baumpflegefirma erst nach heftigen Anrainerprotesten zugab, die entsprechende Baumnummer verwechselt zu haben. Dies habe sich glücklicherweise außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs zugetragen, sagt Macek, räumt aber ein, dass es auch schon im Park selbst zu Schlägerungen falscher Bäume gekommen sei.

Für die APA hat sich Baumkontrollor Macek erstmals auf einen begleiteten Rundgang eingelassen, um anhand der Baumstümpfe die Gründe der Fällungen zu erörtern. Kein leichtes Unterfangen, wie auch ein von der APA angefragter unabhängiger Sachverständiger einräumt: "Ein 'gesund' wirkender Baumstumpf ist keine Seltenheit nach einer Fällung eines abgestorbenen oder gefährdenden Baumes und daher auch kein Indiz für eine ungerechtfertigte Entfernung." Ohne Zugriff auf Baumkataster und Bescheid wären auch Experten "gut beraten, keine vorschnellen Urteile" abzugeben.

Und tatsächlich ergibt der Rundgang ein differenziertes Bild. In manchen Fällen hat der Baumkontrollor leichtes Spiel. Ein hohler Baumstumpf ist auch für den Laien ein Indiz für Morschheit und Gefahr in Verzug. Bei manchen Schnittflächen gefällter Kastanien- oder Lindenbäumen kann er durch Verfärbungen im Holz Pilzbefall und Fäulnis anschaulich machen. Und manchmal scheint er ohne Unterlagen beim bloßen Augenschein genauso ratlos. Dann ist er jedenfalls entwaffnend ehrlich und sagt: "Da muss ich passen."

ribbon Zusammenfassung
  • Spaziergängern im Wiener Augarten bietet sich derzeit ein irritierendes Bild: Von etlichen Alleebäumen sind nur noch die Baumstümpfe übriggeblieben.
  • Junge Bäume haben ebenso dran glauben müssen wie alte.
  • Ernst sei allerdings auch die Lage der 2.836 im Baumkataster verzeichneten Gewächse im Augarten.
  • Andererseits kann es passieren, dass sich nach dem Fällen herausstellt, dass die Substanz des Baumes gesünder war als angenommen.