Bewegung im Finale der Klimakonferenz in Ägypten
Die Teilnehmer der rund 200 Staaten legten nach Beratungen am späten Donnerstagabend einen fünfseitigen Entwurf mit drei möglichen konkreten Schritten bei dem Thema - im UN-Jargon als "Loss and Damage" bezeichnet - vor.
Genannt werden die sofortige Einrichtung eines neuen Fonds, alternativ die Einrichtung eines neuen Fonds bei der nächsten Klimakonferenz Ende 2023 in Dubai sowie eine eher allgemein gehaltene "Finanzierungsvereinbarung".
"Wir haben gestern Nacht einen großen Schritt gemacht", sagte die deutsche Verhandlungsführerin, Außenministerin Annalena Baerbock, im ZDF-"Morgenmagazin". Allerdings waren sowohl hier als auch zu anderen Punkten Freitagfrüh weiterhin Fragen offen.
Mit dem Entwurf scheint eine Einigung beim größten Streitpunkt der diesjährigen Konferenz ansatzweise greifbar. Unter dem Begriff der Schäden und Verluste wird diskutiert, wie die Folgen des Klimawandels in ärmeren Ländern, die laut Wissenschaft kaum oder deutlich weniger zu Schäden beigetragen haben, gemeinsam geschultert werden können. Mehr als 130 der rund 200 Teilnehmer fordern die feste Einrichtung eines Finanztopfs.
In dem Papier ist die Rede vom "dringenden und umgehenden Bedarf für neue, zusätzliche, berechenbare und angemessene finanzielle Mittel" bei dem Thema. Damit sollten Entwicklungsländer unterstützt werden, die am meisten verwundbar sind bei durch den Klimawandel bedingte Schäden.
EU-Klimakommissar Frans Timmermans machte im Plenum seinerseits ein Angebot für einen Fonds, finanziert von einer "breiten Geber-Basis". Der Fonds solle Teil eines "Mosaiks von Lösungen" sein, zu dem auch ein Blick auf Schulden und eine Reform von Entwicklungsbanken zähle. Ebenso wichtig seien Fortschritte bei der Verringerung klimaschädlicher Emissionen, sagte Timmermans. Diese Maßnahmen und das Thema Schäden und Verluste seien "zwei Seiten derselben Medaille".
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich Donnerstag noch überzeugt davon, dass reichere Industrieländer Gelder geben müssen. Die Einrichtung eines eigenen Fonds - unter anderem wegen zu viel Bürokratie und zu langsamer Auszahlung - sah sie aber kritisch.
"Die Unterhaltung über Schäden und Verluste ist überfällig", sagte UN-Klimachef Simon Stiell. "Wir haben ermutigende Aussagen über die Bereitschaft gehört, flexibel zu sein und Kompromisse zu finden", sagte die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im deutschen Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, die bei dem Thema als eine von zwei Vermittlerinnen auftritt.
Eine genaue Definition für Schäden und Verluste gibt es nicht. Meist werden darunter aber Schäden von Extremwetterereignissen - etwa Dürren oder Überflutungen - sowie von langsamen Veränderungen im Zuge der Erderwärmung verstanden, etwa steigende Meeresspiegel oder Wüstenbildung. Es geht um Folgen jenseits dessen, woran Menschen sich anpassen können, oder um Situationen, in denen die Mittel für eine Anpassung fehlen.
Druck von Guterres
UN-Generalsekretär António Guterres flog nach dem G20-Gipfel auf Bali extra erneut nach Ägypten ein, um Druck zu machen. "Die Klima-Uhr tickt und das Vertrauen schwindet weiter", warnte er. Die Teilnehmer der Klimakonferenz könnten etwas ändern, hier und jetzt. "Ich rufe sie zum Handeln auf - und zwar schnell", mahnte er rund 24 Stunden bevor das Treffen im ägyptischen Sharm el-Sheikh am Freitagabend nach offiziellem Zeitplan enden sollte. Eine Verlängerung galt jedoch fast als sicher.
Nach Worten des ägyptischen COP-Präsidenten Sameh Shoukry ist auch beim Thema Eindämmung des Klimawandels noch kein Ergebnis erreicht worden. Erwartet wird, dass die Staatengemeinschaft erneut das Ziel bekräftigt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit stoppen zu wollen. Wie das konkret erreicht werden soll, ist schon deutlich strittiger: In ersten veröffentlichten Eckpunkten wurde zwar ein schrittweiser Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle eingefordert - aber nicht der Abschied von Öl und Gas.
Zusammenfassung
- Bei der Weltklimakonferenz COP27 kommt offenbar Bewegung in den Streit über Ausgleichszahlungen an ärmere Länder für klimabedingte Schäden.
- Die Teilnehmer der rund 200 Staaten legten nach Beratungen am späten Donnerstagabend einen fünfseitigen Entwurf mit drei möglichen konkreten Schritten bei dem Thema - im UN-Jargon als "Loss and Damage" bezeichnet - vor.
- Diese Maßnahmen und das Thema Schäden und Verluste seien "zwei Seiten derselben Medaille".