Bartenwale tönen mit einzigartig gebauten Kehlköpfen
In den Walkehlköpfen gibt es lange, miteinander verbundene Zylinder, die eine starre U-förmige Struktur bilden, erklärt Fitch, der am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien forscht. Die Zylinder erstrecken sich fast über die gesamte Länge des großen Walkehlkopfes und haben sich aus den "Stellknorpeln" (Aryknorpeln) entwickelt, die bei anderen Säugetieren wie Menschen winzig und beweglich sind, um die Position der Stimmlippen zu verändern.
Die U-förmige Struktur drückt bei den Walen gegen ein großes Fettpolster im Inneren des Kehlkopfes. "Wenn die Wale die Luft aus ihren Lungen an diesem Kissen vorbei drücken, beginnt es zu vibrieren", so Coen Elemans von der Universität Süddänemark: "Das erzeugt sehr niederfrequente Unterwassergeräusche."
Die im Labor untersuchten Kehlköpfe stammten von drei tot aufgefundenen Tieren: Eines davon war ein achteinhalb Meter langes, fünfeinhalb Tonnen schweres Buckelwal-Weibchen, das nahe der dänischen Küste ertrank. Es hatte sich in Fischereigerät verfangen. "Wenn Wale vom Luftholen an der Oberfläche abgehalten werden, weil sie zum Beispiel irgendwo hängen bleiben, ertrinken sie im Wasser wie jedes andere Säugetier", erklärte Fitch der APA. Das zweite Individuum war ein 7,7 Meter langer männlicher Seiwal, der wahrscheinlich sechs Monate alt wurde und aus unbekannten Gründen nahe einer bei Meeresforellen-Fischern beliebten Landzunge Dänemarks starb. Das dritte Exemplar war ein sechseinhalb Meter langes, jugendliches Zwergwal-Weibchen, das wahrscheinlich einer bakteriellen Infektion zum Opfer fiel und an der Küste Schottlands strandete.
Laut Computermodellen, die Fitch und Elemans anhand der untersuchten Walkehlköpfen anfertigten, erklingen die Unterwasser-Laute der Tiere "in exakt jenen Meerestiefen und Tonfrequenzen, wo vom menschlichen Schiffsverkehr produzierter Lärm häufig dominiert", heißt es in einer Aussendung der Universität Wien: "Das schränkt ihre Kommunikationsreichweite empfindlich ein". Mit einer virtuellen 3D-Rekonstruktion der Stimmproduktions-Anatomie konnten die Forscher zudem simulieren, wie Muskelbewegungen die Frequenzen des Walgesangs beeinflussen.
Die Kehlköpfe der Bartenwale unterscheiden sich stark von jenen ihrer nahen Verwandten, der Zahnwale. Jene erzeugen "nasale Töne" und ihr Kehlkopf ist auf das Abdichten der Atemwege spezialisiert, damit dort etwa beim Fressen kein Wasser hinein gelangt. Bei den Bartenwalen soll der Kehlkopf nicht nur die Atemwege vor Wasser schützen, sondern auch als Stimmorgan fungieren. Die großen U-förmigen Strukturen sind demnach nicht nur für das Töne-Produzieren nötig. "Sie dienen wahrscheinlich dazu, die Atemwege offen zu halten, wenn bei der intensiven Oberflächenatmung große Mengen an Luft ein- und ausströmen müssen", so Fitch.
"Alle Wale stammten von derselben Mutter-Art ab, sodass sie den Übergang zu einem vollständig aquatischen Lebensstil gemeinsam vollzogen haben", sagte er: "Aber die Linien der Zahn- und Bartenwale trennten sich vor fast 35 Millionen Jahren." Irgendwann danach erfolgten ihre unterschiedlichen stimmlichen Anpassungen an die Unterwasserwelt.
(S E R V I C E - https://dx.doi.org/10.1038/s41586-024-07080-1)
Zusammenfassung
- Wiener Bioakustik-Forscher Tecumseh Fitch entdeckt, dass der Kehlkopf von Bartenwalen mit einzigartigen Fettpolstern tiefe Töne für die Kommunikation im Ozean erzeugt.
- Drei tote Bartenwale, darunter ein 8,5 Meter langes Buckelwal-Weibchen und ein 7,7 Meter langer männlicher Seiwal, ermöglichten neue Einblicke in die Stimmproduktion der Meeressäuger.
- Schiffsverkehrslärm beeinträchtigt die Kommunikation der Bartenwale, deren Rufe in Frequenzen und Meerestiefen erklingen, die von menschlichem Lärm dominiert werden.