Auf Mineralwasser in EU mehr Infos als auf Weinflaschen
Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent sind von der obligatorischen Angabe der Inhaltsstoffe und der Nährwerte ausgenommen. Dies wollte die EU-Kommission laut einer Aktualisierung des "Beating Cancer Plan" im Februar 2021 ändern. Darin wurde vorgeschlagen, dass die Zutatenliste und die Nährwerttabelle auf den Etiketten alkoholischer Getränke bis Ende 2022 und gesundheitsbezogene Warnhinweise bis Ende 2023 verpflichtend angegeben werden müssen. Umgesetzt wurde dies bisher nicht.
Es sei ein kritisches Thema zwischen Gesundheitsfragen und kommerziellem Interesse, sagte Ilona Kickbusch, die Leiterin des globalen Gesundheitsprogramms am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf. Von den vergangenen 284 Treffen von EU-Vertretern zu dem Thema waren 270 mit der Alkoholindustrie und nur 14 mit NGOs, berichtete sie. Das zeige den Einfluss der Industrie, betonte Ferreira-Borges, die Vertreterin der Weltgesundheitsorganisation. Die Debatte in der EU werde seit 2011 geführt.
"Alkohol ist ein gefährliches Produkt für die Gesundheit", hielt Ferreira-Borges fest. Eine große Mehrheit der Bevölkerung wisse nicht, dass Alkohol neben Leber- und Darmkrebs auch mit Brustkrebs in Verbindung steht, berichtete sie. 200 Milliliter Rotwein haben zudem 165 Kalorien, was nicht auf den Flaschen stehen muss. In vielen alkoholischen Getränken ist auch übermäßig Fett und Zucker, ergänzte Ancel-la Santos Quintano vom europäischen Verbraucherschutzverband BEUC. "Konsumenten müssen über die Inhaltsstoffe und Nährwerte Bescheid wissen."
Dass die Mitgliedsstaaten nicht auf EU-Entscheidungen zu dem Thema warten müssen, zeigt allerdings das Beispiel Irland. Dort wurde im heurigen Mai beschlossen, dass künftig auf alkoholischen Getränken die Inhaltsstoffe und Nährwerte sowie Gesundheitswarnungen angebracht sein müssen. Kritik kam daraufhin aus dem italienischen Landwirtschaftsministerium, das durch den Schritt Irlands eine Verzerrung des Markts befürchtet. Statt zu sinken, steigen die Zahlen bei Leber- und Herzerkrankungen sowie von Krebs in Irland, sagte Sheila Gilheany von der Organisation Alcohol Action Ireland. Deshalb sei Zeit zu handeln gewesen.
Von der Industrie angeregte QR-Codes auf den Flaschenetiketten, die zu den Informationen führen, seien zu wenig, waren sich die Rednerinnen einig. Diese abzurufen brauche zu viel Zeit im Geschäft, mache Produkte schwer untereinander vergleichbar und viele Menschen nutzen kein Internet am Handy, erläuterte Gilheany. QR-Codes sollten also höchstens zusätzlich zu detaillierten Angaben auf dem Etikett eingesetzt werden.
Das viertägige EHFG geht am Freitagnachmittag zu Ende. Im Salzburger Pongau kamen zum 26. Mal europäische Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Gesundheitsbranche zusammen. 550 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren an Ort und Stelle in Bad Hofgastein registriert, rund 1.000 weitere verfolgten die Diskussionen online. Hauptthema war die Krise des Gesundheitssystems samt nachwirkender "Schockwellen und Erschöpfung" des Personals durch die Corona-Pandemie.
( S E R V I C E - European Health Forum Gastein (EHFG) von 26. bis 29. September als hybride Veranstaltung unter dem Titel "Health systems in crisis. Countering shockwaves and fatigue" - www.ehfg.org )
Zusammenfassung
- Mehr als fünf Prozent aller Todesfälle in der EU werden auf Alkoholkonsum zurückgeführt, davon ein Drittel durch alkoholinduzierte Krebserkrankungen.
- Dennoch stehe auf Mineralwasserflaschen immer noch mehr über deren Inhalt als auf Weinflaschen, sagte Carina Ferreira-Borges vom WHO-Europabüro am Freitag beim European Health Forum Gastein (EHFG).
- QR-Codes sollten also höchstens zusätzlich zu detaillierten Angaben auf dem Etikett eingesetzt werden.