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Auch Wiener Landtag debattierte über Renaturierung

Im Wiener Rathaus ist am Donnerstag auf Verlangen der Grünen bei einem Sonderlandtag über das geplante EU-Renaturierungsgesetz diskutiert worden - unter Voraussetzungen, die sich seit Einbringen des Antrags geändert haben. Denn inzwischen hat Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig (SPÖ) mitgeteilt, der Verordnung zuzustimmen. Die Grünen nahmen heute somit vor allem die ÖVP ins Visier. Diese ersuchte darum, Sorgen etwa der Landwirte ernst zu nehmen.

Die bisherige Blockade der Bundesländer zum EU-Renaturierungsgesetz begann vergangene Woche zu bröckeln. Neben Wien drückte auch Kärnten seine Zustimmung zum Gesetz aus. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist bisher durch die ablehnende "einheitliche Länderstellungnahme" die von ihr angestrebte Zustimmung verwehrt. Diese können die Bundesländer in Angelegenheiten abgeben, in denen die Gesetzgebung Landessache ist.

Der Wiener Grünen-Chef Peter Kraus warnte in seiner heutigen Rede davor, dass ein zentrales europäisches Gesetz auf der Kippe stehe. Es gehe darum, die Blockade der Landeshauptleute zu brechen und dafür einzutreten, dass die Klimakrise bekämpft und die Artenvielfalt geschützt werde. Kraus sprach von einem "wichtigen Meilenstein": "Es geht um die Rettung der Natur." 81 Prozent der Habitate seien in schlechtem oder sehr schlechten Zustand, gab er zu bedenken. Mehr als eine Million Arten seien vom Aussterben bedroht.

Die ÖVP verbreite Informationen, die falsch seien, kritisierte er. Nirgendwo im Gesetz stehe etwa etwas über Außernutzungsstellungen. Die Länder könnten selbst entscheiden, wo sie renaturieren wollten. "Auch Enteignungen stehen nicht in diesem Gesetz." Die Landwirtschaft sei ebenfalls nicht durch das Vorhaben gefährdet, sondern wenn es nicht komme - da man von Bestäubung und damit von Biodiversität abhängig sei.

Der Schwenk Ludwigs, der auch einen Vorschlag für eine Länderstellungnahme ausgearbeitet hat, wurde gutgeheißen. "Ich bin bereit, diesen positiven Meinungsschwung zu sehen", sagte Kraus. Wien solle seine Möglichkeit nutzen, den Weg für das Gesetz freizumachen - unabhängig von juristischen Fragen, die noch bestünden. Wobei der Wiener Grünen-Chef sich jedoch überzeugt zeigte, dass Gewessler auch ohne ÖVP zustimmen könne, da Ministerinnen im Rat unabhängig seien, wie er ausführte.

Eher kurz hielt sich anschließend der Redner der FPÖ, Udo Guggenbichler. Die Grundlage für den Sonderlandtag sei den Grünen nun abhanden gekommen, konstatierte er. Zugleich bekräftigte er die Ablehnung der Blauen. In Wien habe es auch ganz ohne Gesetz Renaturierungsmaßnahmen gegeben, etwa am Liesingbach, gab er zu bedenken. Die Grünen würden mit der Sitzung lediglich "schwarz-grüne Regierungsmediation" betreiben.

NEOS-Umweltsprecherin Angelika Pipal-Leixner beklagte, dass sich Österreich noch nicht zu einem Beschluss durchringen habe können. Die frühere ablehnende Haltung der Landeshauptleute habe sich auf eine ältere Textfassung bezogen, betonte sie. Dass es nun einen Vorstoß von Wien und Kärnten gebe, sei zu begrüßen. "Ich ersuche die Ministerin, für das Gesetz zu stimmen." Die Ängste der Stakeholder müsse man ernst nehmen, aber nicht befeuern, zeigte sie sich überzeugt.

Welche Flächen man auswähle, sei in Österreich zu entscheiden. Wichtig sei Freiwilligkeit, ohne Enteignungen. Nötig sei auch, über den Finanzausgleich die Finanzierung zu verhandeln, hob die NEOS-Politikerin hervor. Sie verwies weiters darauf, dass die Natur in Österreich auch ein touristisch relevanter Wirtschaftsfaktor sei.

"Es ist wirklich großartig, wie sich die Grünen durch diese Sondersitzung turnen", höhnte die stellvertretende ÖVP-Klubchefin Elisabeth Olischar. Der Adressat - also Landeshauptmann Ludwig - sei nun weggefallen. Auch für die ÖVP seien Maßnahmen für den Klima- und Artenschutz wichtig, versicherte sie. "Die Grünen behandeln diese komplexen Fragestellungen aber sehr eindimensional." Politik müsse auch hinterfragen, etwa welche Gruppen betroffen seien, gab Olischar zu bedenken.

Darauf sei bei der Erstellung der Verordnung keine Rücksicht genommen worden, alle Länder würden gleich behandelt. Vor allem in den Bundesländern sei die Sorge, was das Gesetz für die Landwirtschaft bedeute, ernst zu nehmen. Landwirten werde möglicherweise die Existenzgrundlage genommen. Hier müsse noch weiter verhandelt werden. Die Grünen, so fügte sie außerdem hinzu, hätten während ihrer Regierungsbeteiligung mit Flächenwidmungen selbst dafür gesorgt, dass Grünflächen in den Außenbezirken verbaut worden seien.

SPÖ-Rednerin Nina Abrahamczik richtete den Grünen ebenfalls aus, dass der Grund für die Sondersitzung sich "eigentlich schon erledigt" habe. Sie bedankte sich bei Ludwig für seinen Vorstoß. Viele Bedenken konnten ausgeräumt werden, berichtete sie. "Deshalb ist es möglich für Wien zu sagen, ja, wir möchten dem zustimmen." Ludwig habe aber auch Fragen bzw. wichtige Punkte formuliert, die zu berücksichtigen seien. Auch sie verwies auf die Finanzierung von Maßnahmen.

Im Begleitschreiben zum Vorschlag sei zudem eingebracht worden, dass es bei Wiederherstellungen zur Priorisierung von Natura-2000-Gebieten kommen solle. Auch solle es keine Verpflichtungen etwa zur Wiedervernässung von Mooren, sondern entsprechende Anreize geben. Offen seien auch noch rechtliche Fragen, meinte sie - mit Verweis auf das von der APA am Donnerstag publizierte Interview mit dem Verfassungsjuristen Peter Bußjäger. Sie hoffe, dass morgen, Freitag, beim Treffen der Naturschutzreferentinnen und -referenten mehr Klarheit geschaffen werden könne, sagte Abrahamczik.

Anlässlich der Landtags-Sondersitzung in Wien rückten laut Angaben von "Scientists For Future Österreich" auch rund 300 Bürgerinnen und Bürger, Schülerinnen und Schüler sowie Vertreter aus dem wissenschaftlichen Bereich im Rahmen einer Demonstration aus. Der Vorstoß Wiens und Kärntens biete nun "Österreich die historische Chance, die Weichen für ein lebenswertes und sicheres Österreich zu stellen", hieß es in einer Aussendung.

Beim Renaturierungsgesetz gehe es "in erster Linie um Menschenschutz. Es geht um Hochwasserschutz, um den Schutz von Bestäuberinsekten für die Nahrungsproduktion und natürlich um Klimaschutz mit Sachverstand", so der Klimapolitik-Experte Reinhard Steurer von der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku). Die zuletzt seitens Vertretern "aus den ÖVP-regierten Bundesländern" vorgebrachten Kritikpunkte seien "überholt und können entkräftet werden", so "Scientists For Future". Steurer sieht in dem SPÖ-Vorstoß auch politisches Kalkül: "Ohne eine Zustimmung zum Renaturierungsgesetz wird es (bei den anstehenden Europawahlen, Anm.) zwischen Rot und Grün keine nennenswerten Wählerströme geben."

ribbon Zusammenfassung
  • In Wien fand eine Sondersitzung statt, bei der über das EU-Renaturierungsgesetz debattiert wurde, nachdem Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig (SPÖ) seine Zustimmung ausgesprochen hatte.
  • Die Grünen kritisierten die ÖVP für die Verbreitung falscher Informationen und warnten, dass die Landwirtschaft ohne das Gesetz bedroht sei, da sie von der Biodiversität abhängig ist.
  • NEOS-Umweltsprecherin Angelika Pipal-Leixner hob hervor, dass die Auswahl der Flächen für Renaturierungsmaßnahmen freiwillig sein sollte und betonte die Bedeutung der Natur als touristischer Wirtschaftsfaktor.
  • SPÖ-Rednerin Nina Abrahamczik unterstützte das Gesetz nach Klärung einiger Bedenken und betonte die Notwendigkeit, die Finanzierung dieser Maßnahmen zu diskutieren.
  • Eine Demonstration von 'Scientists For Future Österreich' und rund 300 Bürgern unterstrich die Bedeutung des Gesetzes für den Schutz von Mensch und Natur, insbesondere für den Hochwasserschutz und die Nahrungsproduktion.