Amtshaftung: Musterprozess wegen defekter Verhütungsspirale
Der spanische Hersteller der Verhütungsspiralen musste im Frühjahr 2018 eine Reihe von Chargen seiner Produkte zurückrufen, da ein Materialfehler auftrat. Die Kunststoffarme der Spiralen wurden vorzeitig brüchig und sind daher bei der Entfernung oder auch spontan gebrochen. Teile der Arme blieben häufig in der Gebärmutter der Frauen zurück. In Österreich erfuhr die Öffentlichkeit davon verspätet, kritisiert der VSV.
Auch die nunmehrige Klägerin habe erst Mai/Juni 2021 von einer Freundin erfahren, dass es Probleme mit ihrer 2016 eingesetzten Spirale geben könnte, bei einer Kontrolle stellte der Arzt per Ultraschall fest, dass ein Arm abgebrochen war. Beim folgenden Eingriff wurde die Spirale entfernt, dabei das fehlende Stück jedoch bis heute nicht mehr gefunden. Neben aufgetretenen Schmerzen macht sie auch Angst, u.a. vor einer möglichen Sterilität geltend.
Gegenüber der APA betonte die Frau, die selbst Gynäkologin ist: "Ich möchte, dass alle anderen betroffenen Frauen zu ihrem Recht kommen." Es sei undenkbar, dass so viele Frauen von Schmerz und Sterilität bedroht wären und es kein entsprechendes Urteil gibt. Ihr Rechtsvertreter Alexander Klauser kritisierte vor Gericht, dass Österreich nicht dem Vorbild Frankreichs gefolgt sei, wo man frühzeitig per Schreiben an alle Angehörige des Gesundheitswesens auf das Problem aufmerksam und die Entfernung der Spiralen empfohlen habe.
"Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen hat bis Herbst 2020 zugesehen und keine Warnung veröffentlicht. Erst als eine Tageszeitung recherchiert hat, hat das BASG Ende September 2020 eine Warnmeldung auf der eigenen Web-Seite veröffentlicht, aber in der Tiefe der Web-Site versteckt. Presseaussendung gab es keine", hatte Holzinger-Vogtenhuber bereits im Sommer kritisiert. Hätte das BASG zeitnah gewarnt, hätten viele rechtzeitig die Spiralen deutlich vor der Tragedauer von fünf Jahren entfernen lassen bzw. sich diese nicht mehr einsetzen lassen. Wenn die Gerichte eine Haftung des Bundes feststellen, erwarte sie sich vom Gesundheitsminister einen Runden Tisch, um die Höhe der Ersatzzahlungen außergerichtlich zu klären.
Wie sich jedoch nunmehr in der ersten Tagsatzung zeigte, legt Richter Stefan Riegler bei der Frage der Kausalität Wert auf den Umstand, ob es sich bei der gebrochenen Spirale der Klägerin tatsächlich um ein Exemplar aus den schadhaften Chargen handelt. Dies dürfte sich, falls überhaupt, jedoch nur sehr schwer feststellen lassen.
Laut Klauser ist der Verbleib der entfernten Spirale nicht geklärt, zudem ist auf dieser ohnehin keine Chargennummer verzeichnet. Ebenso fraglich ist, ob es in der Apotheke, die das Teil an den Gynäkologen geliefert hatte, entsprechende Aufzeichnung gibt. Das gleiche gilt für den Distributor von Eurogine in Österreich. Über zahlreiche entsprechende Beweisanträge gab es vorerst keine Entscheidung des Richters.
Zusammenfassung
- Am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen hat am Mittwoch im Zusammenhang mit fehlerhaften Verhütungsspiralen der Firma Eurogine ein Musterprozess wegen Amtshaftung gegen die Republik Österreich begonnen.
- Eine Betroffene wird dabei vom Verbraucherschutzverein (VSV) unterstützt, so VSV-Obfrau Daniela Holzinger-Vogtenhuber.
- Dabei geht es darum, ob das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zu spät und ausreichend gewarnt habe.