"Sicherlich unsinnig": Virologen rechnen mit einigen Corona-Maßnahmen ab
Eine hochkarätige Virologen-Runde, gemischt mit Gesundheitssprechern der Grünen und der FPÖ zog bei "Pro und Contra" Corona-Bilanz. Einige Corona-Maßnahmen, da ist sich Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn und Mitglied des Corona-Expertenrats der deutschen Regierung, sicher, waren "wirklich nicht notwendig". Das Parkbanksitzverbot sei "übertrieben" gewesen. "Die Maskenpflicht im Freien war sicherlich unsinnig", stimmt auch Dorothee von Laer, Direktorin des Instituts für Virologie an der medizinischen Universität Innsbruck, zu. Das hätten Studien Monate später gezeigt. Auch "dieses ewige Hände-Desinfizieren" sei übertrieben gewesen, sagt von Laer, denn das Coronavirus werde über Aerosole übertragen.
Fehlende Evaluierung
Man hätte – das wurde laut Streeck verabsäumt – parallel zur Pandemie auch die Maßnahmen in der Praxis und nicht nur im Labor auf ihre Sinnhaftigkeit evaluieren sollen, um diese anpassen zu können.
Politik teils "nicht hilfreich"
Virologe Norbert Nowotny vom Institut für Virologie der Vetmed Wien kritisiert, dass einige der Corona-Entscheidungen "rein politisch motiviert" gewesen seien. Dass die Politik einen wichtigen Faktor darstellt, sieht auch Dor0thee von Laer. "Richtig gut abgeschnitten haben die Finnen" in der Pandemie, attestiert sie. Daran erkenne man, dass ein wichtiger Faktor das "Vertrauen in die Regierung und ihre Maßnahmen gewesen" sei, sagt von Laer. Das sei in Finnland hoch, die Menschen hätten sich an die Maßnahmen gehalten. In Finnland zogen die Parteien an einem Strang, es hätte auch keine Covid-Leugner gegeben. Diese Szene sei in Deutschland und Österreich aber prominent vertreten gewesen, gestützt durch politische Parteien. "Das war sicherlich nicht hilfreich."
Nicht viel klüger als zu Corona-Beginn
"Wenn jetzt die nächste Pandemie kommen würde, wäre Deutschland nicht viel klüger als es zu Beginn der Corona-Pandemie gewesen ist", urteilt des Mitglied des deutschen Corona-Expertenrats Streeck. Dem widerspricht Infektiologe Franz Allerberger, der ehemalige Leiter für Öffentliche Gesundheit der AGES. Er war Mitglied der österreichischen Corona-Taskforce. "Wir haben dazugelernt", ist er sich sicher. Zu Beginn der Pandemie hätte man zum Beispiel noch auf den sinnlosen Mund-Nasen-Schutz gesetzt, dann sei man auf die wirksamen FFP-2-Masken umgestiegen.
Grüne: Österreich besser gerüstet
Österreich sei jetzt im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten besser gerüstet, sagt auch der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner. Es gebe nun eine Generaldirektion für öffentliche Gesundheit, zu Pandemiebeginn eingespart war. Es habe damals weder Pandemie- noch Epidemie-Plan gegeben. Und bis Ende des Jahres werde sich noch einiges tun: "Wir werden relativ rasch schauen müssen, dass wir einen Pandemie-Plan herbekommen", so der Grüne, denn Zoonosen, von Tieren auf Menschen übertragene Krankheiten, das sagen Wissenschaftler international, werden in Zukunft zunehmen. Deshalb werde auch das Pandemiegesetz aus dem Jahr 1913 noch in diesem Jahr novelliert werden müssen.
FPÖ: "Regierung hat nichts gelernt"
FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak kritisiert, dass das noch nicht passiert sei. Das Gesundheitssystem stehe jetzt schlechter da als 2020, es seien Dutzende Milliarden Euro an Schulden dazugekommen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen seien auch nicht vorhanden. Die Regierung habe laut Kaniak nichts gelernt. Den müsse man jetzt im gegenseitigen Dialog zwischen Regierung und Opposition wieder aufbauen.
Ganz sei die Pandemie laut Virologe Novotny nicht vorbei. Was uns sicher noch eine Weile beschäftigen wird, ist sich Virologe Nowotny sicher, sind die Spätfolgen durch Long-Covid. "Da sind wir erst am Anfang."
Zusammenfassung
- Einige Corona-Maßnahmen waren "nicht notwendig", andere politisches Kalkül, sagen Spitzen-Virologen bei "Pro und Contra".
- Käme nun die nächste Pandemie, stünden wir nicht besser da, befürchtet Hendrik Streeck vom deutschen Corona-Expertenrat.
- Dem widersprechen der Gesundheitssprecher der österreichischen Grünen und ein Ex-Mitglied der österreichischen Corona-Taskforce.