Marius LindvikAPA/Georg Hochmuth

Nordische Ski-WM

"Verarschung": Manipulationsskandal um Norwegens Skispringer

08. März 2025 · Lesedauer 4 min

Ein Manipulationsskandal des norwegischen Skisprungteams überschattet die Nordische Ski-WM in Trondheim. Österreich hatte Protest eingelegt, Normalschanzen-Weltmeister Marius Lindvik wurde letztlich disqualifiziert und verlor beim Finale auf der Großschanze seine Silbermedaille.

Lindvik wurde wegen eines mutmaßlich manipulierten Anzugs nachträglich ebenso disqualifiziert wie sein auf Platz fünf gelandeter Kollege Johann André Forfang. Im Skisprungzirkus sorgte der Betrug der Gastgeber für Schock, Ärger und Unverständnis.

Der Tiroler Thomas Thurnbichler, Cheftrainer in Polen, fand scharfe Worte: "Es ist für mich eine Verarschung. Es ist eine klare Manipulation und klarer Sportbetrug, ähnlich wie Doping. Es tut mir echt leid um ein paar Leute, die hier vielleicht eine Medaille gewonnen hätten, wenn diese Kontrollen früher passiert wären", sagte der Tiroler im APA-Gespräch. "Ich glaube, man hatte es viel früher finden können."

"Das hat jetzt ein bisserl einen faden Beigeschmack", erklärte derweil ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl nach dem letzten WM-Bewerb der ÖSV-Adler im Auslauf der Granåsen-Schanzen.

Offiziell wurden die Norweger wegen eines regelwidrigen Anzugs disqualifiziert, Widhölzl gab etwas tiefere Einblicke. "Sie haben anscheinend vom Knie weg bis zum Schritt rauf auf der Innenseite ein steifes Band eingenäht. Das ist nicht erlaubt und bewirkt, dass es steifer wird und dass du, wenn du die Füße auseinanderziehst, den Schritt runterziehst", sagte er. "Es ist ähnlich wie bei einem Wingsuit", ergänzte Thurnbichler.

Norweger sehen keinen Betrug

Die Norweger sahen die Sache anders. "Es ist kein Betrug, sondern ein Regelverstoß", sagte Norwegens Cheftrainer Magnus Brevig. Jan-Erik Aalbu, Skisprungchef im norwegischen Verband, nahm die Disqualifikationen auf sich. "Die Athleten tragen überhaupt keine Verantwortung", betonte er. Der Weltverband FIS bezeichnete das Vergehen im Liveticker als "Manipulation".

Die Norweger sprangen beim Saisonhöhepunkt in der Heimat weit, Lindvik holte neben Gold auf der kleinen Schanze auch den Mixed-Titel, das Frauenteam triumphierte vor Österreich.

Ob die Norweger nun rückwirkend bei sämtlichen Skisprungbewerben aus der Wertung genommen werden, ist offen - aber unwahrscheinlich. "Ich glaube im Prinzip nicht", sagte FIS-Renndirektor Sandro Pertile auf die Frage, ob es noch zu Änderungen kommen könnte. "Wir haben ein System. Wenn die Kontrolle fertig ist, ist der Wettkampf fertig."

"Chip war nicht das Problem"

Gerüchte über manipulierte Chips in den Anzügen wies Pertile zurück. "Der Chip war nicht das Problem, sondern die Naht. Das hat nichts mit dem Chip zu tun. Mit dem Chip sind wir sehr zufrieden, der hat funktioniert", erklärte der Italiener, der sich freilich über den Betrugsfall mit weitreichenden Konsequenzen in der Skisprungfamilie ärgerte.

"Es ist für uns eine Motivation, in Zukunft besser zu sein", sagte er. Ob Sperren oder andere Strafen drohen, konnte er noch nicht beantworten. "Wir müssen die Situation in Ruhe klären. Das wird ein Thema für die ganze Skisprungfamilie, nicht nur für eine Mannschaft. Wir müssen alle zusammen über das Thema reden."

Geheime Filmaufnahmen

Die Causa war kurz vor dem Großschanzenbewerb ins Rollen gekommen. Auf geheim gedrehten Filmaufnahmen eines polnischen Journalisten ist zu sehen, wie in Einzelteile zerlegte norwegische Sprunganzüge neu zusammengenäht werden.

Auf den kursierenden Bildern ist auch Norwegens Cheftrainer Brevig zu sehen. Die Videos wurden in der Nacht auf Samstag gedreht, wie Pertile vom norwegischen Team bestätigt worden war. Deswegen hatte Österreich gemeinsam mit Slowenien und Polen Protest eingelegt, auch das deutsche Team forderte eine offizielle Aufklärung.

Stefan Kraft hatte sich zur Causa geäußert, kurz bevor seine Mitstreiter aus der Wertung genommen wurden. "Wenn wirklich etwas nicht passt, dann soll es nicht nur Disqualifikationen geben, sondern auch härtere Strafen", forderte der rot-weiß-rote WM-Rekordmedaillengewinner. "Ich hoffe, dass sie das dann auch durchziehen."

Denn disqualifizierte Norweger waren bei der WM keine Seltenheit, Springerin Ingvild Synnöve Midtskogen wurde in den beiden Einzelbewerben jeweils wegen eines regelwidrigen Anzugs aus der Wertung genommen, dazwischen hatte sie Gold mit dem Team geholt. "Die Athleten dürfen bei der WM drei verschiedene Anzüge benützen. Den, den sie auswählen, müssen sie den ganzen Tag verwenden", sagte dazu FIS-Kontrolleur Christian Kathol.

Zusammenfassung
  • Ein Manipulationsskandal überschattet die Nordische Ski-WM in Trondheim, als Marius Lindvik und Johann André Forfang disqualifiziert wurden.
  • Österreich legte Protest ein, nachdem geheime Filmaufnahmen die Manipulation norwegischer Sprunganzüge enthüllten.
  • Die Norweger wurden wegen eines regelwidrigen Anzugs disqualifiziert, was zur Silbermedaille für den Österreicher Jan Hörl führte.
  • Der FIS-Renndirektor bestätigte, dass die Manipulation durch Nähte und nicht durch Chips verursacht wurde.
  • Norwegische Verantwortliche bestreiten die Betrugsvorwürfe und sprechen von einem Regelverstoß, während die Skisprunggemeinschaft über die Konsequenzen diskutiert.